Panait Istrati - Kyra Kyralina

  • 1.Band des Zyklus «Die Geschichten um Adrian Zograffi» ( @Mara )


    Original : Französisch, 1923
    Hier in der Übersetzung aus der von Istrati gemachten Übersetzung auf Rumänisch vom Lyriker und Büchner-Preisträger Oskar Pastior


    INHALT :
    Mit Kyra Kyralina avancierte der Rumäne Panait Istrati aus dem Nichts zu einem der großen Bestsellerautoren der 1920er Jahre und wurde zum Lieblingsautor von Geistesgrößen wie Romain Rolland und Georges Bataille.
    Istrati nimmt den Leser mit auf eine Reise durch Rumänien und den Orient der Jahrhundertwende: Stavru, der Limonadenverkäufer, einst reich und verheiratet, erzählt, wie ihn das Leben zum Bettler machte. Auf seinem Leidensweg, der ihn über Konstantinopel, Damaskus, Beirut und Kairo schließlich wieder zurück nach Bra?ila an die Donau führt, erinnert er sich an seine schöne Schwes-ter Kyra. Ebenso betörend wie die Mutter, die ihre ausschweifende Sinneslust teuer bezahlte, ist auch Kyras Schicksal unendlich traurig: Wird Stavru die in einen Harem verschleppte Schwester wiederfinden?
    (Quelle: Wagenbach)


    BEMERKUNGEN :
    Im Rahmen einer Lesekette wurde mir Istrati anempfohlen, und ich begab mich gespannt an diesen ersten Band aus diesem ersten vierbändigen Zyklus der « Geschichten um Adrian Zograffi ». Insofern kann ich (noch) nichts vom Gesamtaufbau berichten, doch es sieht so aus, dass der junge Adrian, ehemaliger Bäcker, aus eben demselben Braila kommt, wie Istrati selbst (alter Ego?!) : Eine rumänische Hafenstadt der Donau, ein vielvölkriges Umfeld von Armeniern, Ottomanen, Rumänen, Griechen, Christen wie Moslems, dort am Ende des 19./Anfang des 20.Jahrhunderts.


    Adrian hat nun eine kleine Stelle als Gehilfe gefunden beim Limonadenverkäufer Stavru. Tja, wie es so herrlich heißt : « einem ehrlichen Ganoven ». Dieser Stavru hat es in sich : zwischen Lebenslust und Gaunerei wankend, immer fidel. Und wenn man den ans Erzählen kriegt… : Und so wird er in zwei Ansätzen zu verschiedenen Zeiten ihres Kontaktes also aus seinem Leben erzählen, wird hier der Ich-Erzähler.


    Stavro also ist aufgewachsen unter seinem Geburtsnamen Dragomir unter einem schon fern lebenden, aber regelmäßig auftauchendem, gewalttätigen Vater, lebt aber bei seiner unbändigen Mutter und der Schwester Kyra (daher der Titel) : diese zehren unabhängig vom schrecklichen Ehemann und Vater vom ererbten Reichtum der Mutter, leben in Saus und Braus, haben dauernd Verehrer im Haus, « freuen sich des Lebens »... Und Stavro mittendrin ! Er verehrt Mutter und Schwester ja so ! Doch das Drama nimmt seinen Lauf…: Es kommt unter vielfältigsten abenteuerlichen Zuständen zum Bruder- und versuchtem Vatermord, zur Flucht. Natürlich gerät man an die Falschen, wird scheinbar befreit, kommt nach Konstantinopel. Ja, Kyra wird gar in den Harem verkauft, während der circa fünfzehnjährige naiv-pausbackene Dragomir in einen goldenen Käfig gerät. Usw usw… Die Stationen führen über Beyrouth nach Damaskus, zurück in die Türkei, Kairo etc.


    Tränen und Lachen, Drama und Komödie, das Schreckliche und die Freiheit sind bei Istrati nicht weit voneinander entfernt. Unglaubliche Lebensfreude einerseits, aber tiefstes Leid durchzieht das Leben Stavrus. Und was Adrian mal sagt gilt wohl für den Autor : « jene Notwendigkeit unaufhörlich in die Abgründe der Seele zu schauen ». Doch wenn diese Abgründe und die « Schlechtigkeit der Menschen » auch grenzenlos erscheinen, so ist die manchmal einmal erfahrene Güte letztlich das Ausschlaggebende und das, was genügen kann !


    Was für ein begnadeter Erzähler, der sich einreiht in die Victor Hugos oder die Dumas etc. Absolut entdeckenswert !


    AUTOR :
    Panait Istrati, geboren 1884 in Braila (Rumänien), war der Sohn einer Wäscherin und eines Schmugglers. Er wuchs in dem Dorf Baldovinești nahe Brăila auf, wo er die Grundschule sechs Jahre lang besuchte, wobei er zweimal sitzenblieb. Später verdiente er seinen Lebensunterhalt als Kellner und als Gehilfe eines Pastetenbäckers. In dieser Zeit war er ein unermüdlicher Leser. Seine Reisen brachten ihn nach Bukarest, Konstantinopel, Alexandria, Kairo, Neapel, Paris und die Schweiz: Erfahrungen, die sich in all seinen Büchern widerspiegeln. In tiefster Armut lebend, krank und einsam, unternahm er 1921 einen Suizidversuch auf dem Weg nach Nizza, aber er wurde gerettet. Er schrieb einen Brief an Romain Rolland, der ihm sofort antwortete. Im Jahr 1923 wurde seine Erzählung Kyra Kyralina mit einem Vorwort von Romain Rolland veröffentlicht. Rolland nannte ihn in diesem Vorwort den „Gorki der Balkanländer“. Nach seiner Entdeckung und seinem internationalen Durchbruch veröffentlichte er in französischer Sprache; gleichwohl schrieb er auch rumänische Fassungen seiner Romane. 1927 reiste er gemeinsam mit Nikos Kazantzakis nach Russland und besuchte Moskau und Kiew. Eine zweite Reise in die Sowjetunion folgte 1929, wo er die Wahrheit über die stalinistische Diktatur erfuhr. Daraufhin entstand sein berühmtes Buch « Auf falscher Bahn ». Seine früheren kommunistischen Freunde brandmarkten ihn nun als „Faschisten“. Er kehrte krank und gebrochen nach Rumänien zurück, wo er 1935 an Tuberkulose starb. Panait Istrati wurde auf dem Cimitrul Bellu (deutsch Bellu-Friedhof) in Bukarest beigesetzt.



    « Die Geschichten um Adrian Zograffi » bestehen aus drei Bänden, von denen Kyra Kyralina der erste und eben auch separat erschienen ist. Desletzt neuverlegt bei Wagenbach :


    Taschenbuch: 160 Seiten
    Verlag: Verlag Klaus Wagenbach (4. März 2016)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3803132789
    ISBN-13: 978-3803132789

  • Es gibt auch Gesamtausgaben für diesen Zyklus «Die Geschichten um Adrian Zograffi» , siehe :


    Kyra Kyralina. Onkel Angiel. Die Haiduken
    Verlag: Büchergilde Gutenberg (1965)
    Sprache: Deutsch
    ASIN: B0000BJV2F



    Es gibt zudem noch zwei andere Zyklen, die ich hier nicht weiter verlinken werde...


    Die Jugend des Adrian Zograffi:


    Codin, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3144-7
    Michail, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3145-5
    Der Schwammfischer, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3146-3
    Familie Perlmutter, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3148-X
    Die Disteln des Baragan, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3149-8


    Das Leben des Adrian Zograffi:


    Mittelmeer, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3154-4
    Das Stellenvermittlungsbüro, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3153-6
    Das Haus Thüringer, Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-3152-8

  • Danke für die Rezension und vor allem für den Lesetipp!
    Das hört sich so bunt und üppig an!

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Danke für die Rezension und vor allem für den Lesetipp!
    Das hört sich so bunt und üppig an!

    Gern geschehen!


    Ja, bunt und üppig trifft's! Eine Mischung zwischen Märchen (aus TausendundeinerNacht), Abenteuerroman, Roadmovie... Und zwischen diesen Szenen dann auch manchmal ein melancholischer oder sehr "weiser" Blick aufs Leben: Wie's halt kommt, wie's uns trifft. Dieser Istrati muss schon was gesehen, bzw gelebt (!) haben...