Anne Østby - Zartbitter ist das Glück / Biter av Lykke

  • Kat und Niklas leben auf den Fidschiinseln, wo sie gemeinsam eine Kakaofarm betreiben. Als Niklas auf tragische Weise plötzlich verstirbt, schickt Kat ihren alten norwegischen Schulfreundinnen Sina, Ingrid, Lisbeth und Maya einen Brief mit einer unverbindlichen Einladung, den Lebensabend mit ihr auf Fidschi zu verbringen und sie bei der Herstellung von Schokolade zu unterstützen. Lange haben sich die fünf Frauen nicht mehr gesehen, und auch, wenn sie mal eng befreundet waren, hat jede einzelne von ihnen doch einen anderen Lebensweg eingeschlagen. So will eine Übersiedelung nach Fidschi reiflich überlegt werden, doch Ingrid und Sina sind die ersten, die auf der Insel eintreffen, Maya und Lisbeth folgen kurz darauf. Alle Frauen sind inzwischen weit über 60 Jahre alt und haben ihr eigenes Leben geführt, so gilt es nun, sich nach 40 Jahren wieder aneinander zu gewöhnen und zusammenzurücken. Dabei bleibt es nicht aus, dass man untereinander das eine oder andere Geheimnis herausfindet, das manch eine lieber verheimlichen würde. Werden es die fünf Frauen schaffen, sich eine gemeinsame Zukunft auf Fidschi aufzubauen und ihre Freundschaft wieder so eng werden zu lassen, wie sie einmal war?


    Die norwegische Schriftstellerin Anne Østby hat mit ihrem Buch „Zartbitter ist das Glück“ einen sehr unterhaltsamen und feinfühligen Roman über Freundschaft und Hoffnungen vor der zauberhaften exotischen Kulisse der Fidschi-Inseln vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, leicht melancholisch und sehr bildgewaltig, er lässt den Leser schnell in die Handlung eintauchen, um die fünf Frauen kennen und verstehen zu lernen, ihre geheimsten Wünsche, verlorene Träume und Enttäuschungen zu erfahren. Durch geschickte Perspektivwechsel wird eine Spannung aufgebaut, die unterschwellig immer zu spüren ist. Zudem kommt mit dem Hausmädchen Ateca eine einheimische Frau zu Wort, die außerhalb des Freundinnenkreises steht und mit ihren Gebeten, ihren eigenen Anschauungen und ihrem kulturellen Hintergrund bezüglich der Dinge und Situationen dem Leser einen neuen und erweiterten Blickwinkel erlaubt. Die Landschaftsbeschreibungen sind farbenfroh und sorgen für ein gewisses Fernweh und den Wunsch, dieses Paradies mit eigenen Augen zu sehen. Die eingeflochtenen Gebräuche und Sitten der Landesbewohner eröffnen eine andere Denkweise und lassen Raum für Überlegungen.


    Die Charaktere sind sehr individuell und realistisch angelegt, sie werden so lebendig in Szene gesetzt, dass der Leser jedem einzelnen von ihnen sehr nah kommt. Kat ist eine sehr sympathische Frau, die mit ihrem Ehemann die ganze Welt bereist hat, doch am Ende steht sie allein da mit einer Plantage. Kat ist eine gute Beobachterin, besitzt Feingefühl und kann oftmals mit ihrer vermittelnden Art die Wogen glätten. Mayas Schicksal lässt einen nicht unberührt, sie leidet an Alzheimer und ist dennoch so mutig, diesen Schritt in unbekanntes Terrain zu wagen, um mit ihren alten Freundinnen noch etwas Zeit verbringen zu können. Lisbeth ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie lange braucht, um auch kopfmäßig bei ihren Freundinnen und auf Fidschi anzukommen. Sina hat einen verzogenen Sohn, der überheblich und großkotzig ist. Bisher wurde sie seiner Unverschämtheiten nicht Herr. Ingrid erfährt erst auf der Insel, was es heißt, das Leben auch mal zu genießen. Die einheimische Hausangestellte Ateca ist insgeheim die Mutter der Kompanie, denn sie ist immer zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht wird und hat das Herz am rechten Fleck. Ihre Gespräche mit Gott sind ebenso unterhaltsam wie die Geschichten der einzelnen Frauen. Auch die anderen Protagonisten wissen mit ihren kleinen Auftritten während der Handlung zu überzeugen und hinterlassen beim Leser ein rundum vollständiges Bild.


    „Zartbitter ist das Glück“ ist eine berührende und tiefgründige Geschichte über das Leben, die Kraft der Freundschaft, alte Geheimnisse, versäumte Gelegenheiten und den Mut, noch einmal ganz neu anzufangen. Alle, die sich gern von ausdrucksstarker Lektüre verführen lassen, sind hier bestens aufgehoben. Absolute Leseempfehlung!


    Wunderbare :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Die Autorin

    Anne Østby ist eine norwegische Journalistin und Schriftstellerin, die auf der ganzen Welt zu Hause ist. Neben Stationen in Dänemark, Malaysia, Pakistan, Kasachstan, den USA, dem Iran, Ost-Timor und zuletzt Myanmar hat sie auch vier Jahre in Fidschi verbracht. Sie hat drei Töchter und lebt mit ihrem Mann in Norwegen.


    Die Reihe

    Das Imprint „Wunderraum“ will leichte Unterhaltung in eleganter Ausstattung liefern. Mit bedrucktem Lesebändchen, elegantem Vorsatzpapier und auffälliger Cover-Illustration wirkt „Zartbitter ist das Glück“ auffallend elegant. Als Geschenk kann sich der Hardcover-Band sehen lassen.


    Inhalt

    Als Sina einen Brief von Kat erhält, haben die Frauen einander seit über 40 Jahren nicht mehr gesehen. Katrin Vale ist damals mit Niklas einfach durch die Welt gezogen, hat hier mal ein Projekt geleitet, mal dort eins. Hängengeblieben sind sie und Niklas auf Fidschi, um dort eine Kakaobohnen-Plantage zu betreiben. Nun ist Niklas tot und Kat will noch einmal einen Traum verwirklichen – eine eigene Schokoladenproduktion. Sina, Ingrid, Lisbeth, Maya, unterschiedlicher können Frauen nicht sein. Sina hat sich als alleinerziehende Mutter durchgeschlagen, Maya war Studienrätin, Lisbeth hat den Besitzer eines Baumarktes geheiratet und Kinder erzogen. Mit Mitte 60 machen sich bei den Ladies erste Zipperlein bemerkbar; Maya zeigt Symptome einer Demenzerkrankung. Abgesehen von alten Verletzungen und Eifersüchteleien im persönlichen Gepäck, können die Damen kaum gegenseitig einschätzen, ob ihre Kompetenzen ausreichen, um Kats Schokoladenspezialitäten als „Stück vom Glück“ selbst zu vermarkten. Morese, der Verwalter in Korototoka, hat bisher nur den Anbau beaufsichtigt und noch nie einen Computer benutzt. Doch alle Frauen nehmen die Herausforderung an und reisen nach Fidschi zu Kat, beteiligen sich auf der Insel am Haushalt und seinen Kosten.


    Erzählt wird die Geschichte von Kat in der Ichform und von einer auktorialen Erzählerstimme mit wechselndem Focus. Ateca, das Hausmädchen, tritt in ihren Gebeten als neutrale Beobachterin auf, die die Last der Probleme allein zu tragen scheint und die auch Dinge sieht, die die Frauen bisher lieber verschweigen. Ateca spielt - auch für die Leser - die Rolle der Vermittlerin und Dolmetscherin zur einheimischen Kultur. Fidschi ist kein Paradies, sie werden mit Arbeitslosigkeit, Gewalt und der Verantwortungslosigkeit der Weißen konfrontiert, die glauben, nur Fremde könnten die Probleme der Insel lösen. Die Beziehungen verändern sich und alle müssen Schritt für Schritt erkennen, dass die Dinge auch auf Fidschi nie nur schwarz oder weiß sind.


    Fazit

    Durch die wechselnde Erzählperspektive wirkt der Roman auf mich eher ruhig und auf die Innenwelt der Frauen konzentriert. In das wachsende Angebot an Bäckerei- und Schokolatier-Romanen fügt das Buch sich eher nicht ein, weil die Beziehung der Frauen untereinander und ihre alterstypischen Probleme eine Rolle spielen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow