Elena Ferrante - Die Geschichte der getrennten Wege / Storia di chi fugge e di chi resta

  • Lila und Elena sind erwachsen geworden und trotz ihrer ähnlichen Herkunft und ihrer engen Freundschaft könnten ihre Lebenswege kaum unterschiedlicher verlaufen. Lila, getrennt von ihrem Mann Stefano, führt ein ärmliches Dasein mit ihrem Sohn und verdient sich ihren Lebensunterhalt mühsam in einer Fleischfabrik. Elena hingegen setzt ihre Schriftstellerkarriere fort: Ihr erstes Buch wird ein Erfolg, sie beginnt Artikel für Zeitungen zu schreiben und festigt so ihren Ruf als Autorin und Intellektuelle. Doch als sie Pietro heiratet, den Sohn einer bedeutenden Familie, lässt sie sich nach und nach in die Rolle der Hausfrau und nach der Geburt ihrer Kinder in die der Mutter drängen, während sich um sie herum die Gesellschaft in einem Umwälzungsprozess befindet, in den auch ihre früheren Freunde verwickelt sind.
    So krass wie in diesem Buch, dem 3. Band dieser Reihe, sind mir die Unterschiede zwischen Lila und Elena, der Ich-Erzählerin, bisher nicht bewusst geworden. Doch hier ist es überdeutlich finde ich: Während Lila stets nach ihren Überzeugungen handelt und dafür jede Menge Nachteile in Kauf nehmen muss, ist bei Elena der vorherrschende Gedanke ihres Handelns: Was denken die Anderen von mir? In all ihrem Tun findet sich bis knapp vor dem Ende des Buches nie der Satz: Ich will ... Ihr gesellschaftlicher Erfolg ist auch die Belohnung dafür, stets den Erwartungen derer zu entsprechen, zu denen sie gehören will. Doch als ihre unterdrückten Wünsche und Bedürfnisse zu stark werden, endet Alles in einem Eklat.
    Lila hingegen hat noch nie den Erwartungen entsprochen, was sie eine Menge Kraft gekostet hat. Als sie endlich Erfolg hat und richtig viel Geld verdient, sieht man im Rione über ihre Extravaganzen hinweg und heisst sie wieder willkommen - doch bis dahin war es ein harter Weg.
    Neben den Schilderungen dieser Zeitabschnitte im Leben der beiden Frauen spielt auch die damalige gesellschaftliche Situation in Italien eine wichtige Rolle in der Geschichte. Auch dort gab es die 68er, studentische Unruhen, man kämpfte für die unterdrückten Arbeiter, ohne jedoch eine Ahnung davon zu haben, wie es diesen tatsächlich erging oder was diese wollten. Ferrante beschreibt beispielhaft an der Situation der beiden Frauen, wie Elenas 'Seite' nur das Beste für die Armen wollte, wohingegen Lila und ihre KollegInnen den Unmut ihrer Arbeitgeber ausbaden mussten.
    Wer will, kann dieses Buch (wie auch die beiden vorherigen Bände) als fesselnde Erzählung einer Frauenfreundschaft lesen. Es ist aber auch ein Gesellschaftspanorama, das einem die Welt eines Italiens nahe bringt, das so noch nicht bekannt war (mir zumindest nicht ;-)). Ich freue mich schon sehr auf den vierten Band!

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Lange haben wir alle auf dieses Buch gewartet! Wie enttäuscht war ich, als der Erscheinungstermin von Mai auf August verlegt wurde. Mich hatten die ersten beiden Bände der Neapel-Saga so beeindruckt und begeistert, dass ich es kaum erwarten konnte, den dritten (und natürlich den vierten) Band zu lesen.


    Ich werde die Handlung der Geschichte jetzt nicht weiter aufbereiten, wir alle kennen Lila und Elena und wer sie nicht kennt, kann sich sicherlich in vielen anderen Rezensionen über sie informieren. Mir waren die beiden im ersten Band direkt ans Herz gewachsen, Lila mit ihrer Intelligenz und ihrer Kraft und ihrem Eigensinn, Elena mit ihrem Fleiß und ihrer Willensstärke. Auch im zweiten Teil gefielen mir die Figuren noch größtenteils, obwohl ich sie teilweise schon etwas anstrengend fand. Nun im dritten Band stehe ich ihnen mit zunehmend durchwachsenen Gefühlen gegenüber. Interessante Figuren sind sie, keine Frage. Doch oft kann ich ihnen nicht mehr folgen, kann ihre Handlungen und Gefühle nicht mehr richtig nachvollziehen. Lilas störrische Weigerung, ihre Intelligenz zu nutzen und stattdessen in einer Wurstfabrik sich kaputtzuarbeiten. Elenas permanente Verunsicherung trotz ihres Erfolges. Dass sie Pietro heiratet, obwohl sie ihn anscheinend nicht wirklich liebt. Dass sie es beide kaum noch schaffen, ihre alte Vertrautheit wiederherzustellen und stattdessen ständig Spielchen spielen. Doch dann gibt es auch wieder Phasen, in denen ich sie gut verstehen und auch leiden kann. Als Elena nach Neapel zurückkehrt und sich hingebungsvoll um Lila kümmert, obwohl sie jahrelang kaum Kontakt hatten. Elenas Besessenheit von Nino finde ich wiederum nervig, das ist doch ein totaler Idiot! Warum ist sie so verrückt nach ihm?


    Auch finde ich persönlich die Abschnitte, in denen es um die Politik, Versammlungen, Gewerkschaften, etc. geht immer etwas langatmig. Aber das liegt sicherlich daran, dass es einfach nicht so wirklich mein Interessengebiet ist. Ich bin aber dennoch immer wieder beeindruckt von dem Wissen und der Bildung, die die Autorin haben muss, um so zu schreiben!


    Alles in allem gefällt mir der dritte Band zwar nicht ganz so gut wie der erste, doch ich habe ihn trotzdem mit Interesse gelesen und streckenweise hat er mich auch genauso mitgerissen wie letztes Jahr der erste. Ich bin gespannt auf den vierten Teil und darauf wie sich da der Bogen zum Beginn des ersten Bandes schließen wird.

  • Danke für Deine Eindrücke.


    Der Fred erscheint nun im BT unter Deiner obigen Bemerkung, aber nicht unter dem Titel des Bandes. Vielleicht besser ändern, dann ist es leichter auffindbar!

  • Beitrag an den bereits bestehenden Thread angehängt :wink:


    @Joodie In die Titelzeile gehören der Autorenname sowie der Buchtitel. Ansonsten kann man die Rezension nie mehr wiederfinden und sie erscheint auch nicht im Rezensionsindexl. :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

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  • Squirrel: Danke, das war mir nicht klar! Ich finde ehrlich gesagt diese Seite sehr unübersichtlich und habe noch nicht ganz verstanden, wie sie funktioniert, dachte, mein Thema ist quasi nur ein Unterthema zu dem Buch gewesen... Leider kann ich den Artikel irgendwie nicht bearbeiten, weswegen es wohl beim dem Titel bleibt...

  • @Joodie wir sammeln alle Beiträge zu einem Buch in einem einzigen Thread, damit die Meinungen gebündelt zu finden sind und sich nicht über viele Threads verteilen. Wenn Du also in einem bereits bestehenden Thread antwortest, kannst Du natürlich auch ein Statement in die Titelzeile schreiben. Du hattest allerdings ein neues Thema erstellt, also einen eigenen Rezensionsthread, den ich dann hierher verschoben habe. Ich vermute, dass Du bei deinem Post versehentlich den Button "Neues Thema" erwischt hast.


    Keine Bange, Du findest dich bestimmt bald zurecht. Am einfachsten schaust Du über die Suche = das Lupenzeichen ganz oben, ob es schon einen Rezensionsthread zu einem Buch gibt. Falls ja, gehst Du in den Thread und klickst auf "Antworten". Falls nicht, klickst Du auf "Neues Thema" und erstellst einen neuen Thread. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



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