Mareike Krügel - Sieh mich an

  • Kurzbeschreibung (Verlagsseite)
    Der erste Tag vom Ende des Lebens - emotional, klug, zum Heulen komisch
    Man kann ja nicht einfach sterben, wenn die Dinge noch ungeklärt sind. Das denkt Katharina, seit sie vor Kurzem das Etwas in ihrer Brust entdeckt hat. Niemand weiß davon, und das ist auch gut so. Denn an diesem Wochenende soll ein letztes Mal alles wie immer sein. Und so entrollt sich das Chaos eines ganz normalen Freitags vor ihr. Während sie aber einen abgetrennten Daumen versorgt, ihren brennenden Trockner löscht und sich auf den emotional nicht unbedenklichen Besuch eines Studienfreundes vorbereitet, beginnt ihr Vorsatz zu bröckeln, und sie stellt sich große Fragen: Ist alles so geworden, wie sie wollte? Ihre Musik, ihre Kinder, die Ehe mit dem in letzter Zeit viel zu abwesenden Costas? Als der Tag fast zu Ende ist, beschließt sie, endlich ihr Geheimnis mit jemandem zu teilen, den sie liebt. – Die Heldin in Mareike Krügels rasantem, klugem Roman gehört ganz sicher zu den einnehmendsten Frauengestalten in der deutschen Gegenwartsliteratur.


    Zur Autorin (Verlagsseite)


    Mareike Krügel, 1977 in Kiel geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Seit 2003 hat sie drei Romane veröffentlicht. Sie lebt bei Schleswig. Mareike Krügel erhielt zahlreiche Stipendien, u.a. in der Villa Decius in Krakau, und ist Mitglied im PEN Deutschland. Im Jahr 2003 bekam sie den Förderpreis der Stadt Hamburg und wurde 2006 mit dem Friedrich-Hebbel-Preis ausgezeichnet.


    Meine Eindrücke
    Das Wichtigste gleich vorweg *g* :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: für diese fesselnde und berührende Geschichte :flower: .
    „Sieh mich an“ ist ein Buch, das von Beginn an einen unwiderstehlichen Sog auf mich ausgeübt hat! Obwohl es durchaus nicht immer vergnüglich gewesen ist, die Ich-Erzählerin Katharina durch diese turbulenten Stunden zu begleiten. Bei ihrer Tochter Helli wurde gerade ADHS diagnostiziert, aber noch keine Behandlung begonnen, so dass sie nach wie vor unter Dauerstress steht. Mit ihrem Mann führt sie seit geraumer Zeit nur noch eine Wochenendehe und dann ist da noch dieses „Etwas“ in ihrer Brust, welches sie beharrlich an den Rand ihres Bewusstseins zu schieben versucht. Zwei Wochen zuvor hat sie es entdeckt, „es wird nicht kleiner, ist nicht beweglich und schmerzt nicht“… Nur noch dieses Wochenende, so hat sie für sich beschlossen, dann geht sie zum Arzt um sich Gewissheit über das „Etwas“ zu verschaffen.


    Und dieses Wochenende, genau genommen nur etwa ein Tag, hat es dann wirklich in sich. Es beginnt damit, dass Katharina ihre Tochter in der Schule abholen muss, weil sie sturzbachartig aus der Nase blutet. Helli kann diese Fähigkeit anscheinend nach Belieben einsetzen um die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen, vor allem dann, wenn sie gerade keinen Bock auf Schule hat.


    Dass es keine leichte Aufgabe ist, ein Kind mit ADHS zu lieben und großzuziehen, war mir schon klar. Trotzdem hat es mich erschüttert zu lesen, was das im Einzelfall bedeuten kann. Ob es sich bei Helli um einen besonders schweren Fall handelt? Und warum hat es über zehn Jahre gedauert, das festzustellen?


    Was Katharina in der Folge noch alles „zustößt“ ist teilweise bizarr und grenzt manchmal an Slapstick, doch im Zusammenspiel mit dem tiefen Ernst ihrer Gedanken und Erinnerungen habe ich das tatsächlich nicht als übertrieben wahrgenommen, eher als wohltuenden Ausgleich. Katharina erzählt sehr offen und gewährt dabei tiefe Einblicke in ihre Lebenssituation und seelische Verfassung. Sie tut das mit einer Art verzweifeltem Pragmatismus, leiser Selbstironie und gelegentlich trockenem Humor, was der Geschichte einen Hauch von Leichtigkeit verleiht. Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, berührt mich ihre Lage zutiefst. Nahezu jede Seite atmet den Stress und den Druck, unter dem sie steht. Während des Lesens habe ich mich manchmal selbst ganz „hibbelig“ gefühlt, so sehr hat sich diese unterschwellige Grundunruhe übertragen. Irgendwie geht auch alles ein wenig durcheinander, was aber wiederum zum Leben der Protagonistin passt. Ständig versucht sie mit dem Erstellen von teils originellen, teils absurden Listen, Ordnung in ihr „Helli-bedingtes Chaos“ zu bringen – allerdings wenig erfolgreich.


    Das Ende war mir dann ein bisschen sehr über- und abgedreht. Nichtsdestotrotz hat es aber auch irgendwie gepasst. Die durch Stress und Schlaflosigkeit bis zum Äußersten aufgeladene Anspannung musste sich ja irgendwie entladen *g*.


    Musik ist ein elementarer Teil von Katharinas Persönlichkeit, das ist immer wieder zu spüren. Ihre beruflichen Pläne und Wünsche diesbezüglich beschränken sich derzeit darauf, dass sie, als studierte Musikwissenschaftlerin, den Kindern ambitionierter Eltern ein paar Stunden die Woche musikalische Früherziehung angedeihen lässt. Ab und zu gönnt sie sich kleine Fluchten in ihre Musik und träumt sich dabei weg, was auch schon mal Folgen haben kann – wie z.B. den abgebrochenen Außenspiegel eines Autos ;). In diesen Passagen fühlt man ganz besonders eine leise Wehmut, ihre Sehnsucht nach Ruhe und das Bedürfnis, endlich einmal wieder zu sich zu kommen.


    Diese so wichtigen Stunden mit Katharina zu durchleben, war für mich wechselweise berührend und schmerzvoll, heiter und unterhaltsam, immer eloquent und niemals langweilig. Nicht zuletzt wegen der leicht schrägen Nebenfiguren wie z. B. dem liebenswert-skurrile Transgender-Pärchen aus der Nachbarschaft, oder Hellis Freundin Cindi, die ihre Hochbegabung sorgsam zu verbergen sucht.


    Mareike Krügel ist für mich eine echte Entdeckung gewesen, eine großartige, überaus einfühlsame Erzählerin, von der ich unbedingt ein weiteres Buch lesen möchte.

  • Enttäuschende Umsetzung


    Die Inhaltsangabe hat mich sehr neugierig gemacht - daher habe ich dieses Buch auch gelesen um mehr über die vierzigjährige Protagonistin und ihr Leben zu erfahren. Die Idee ist gut - die Umsetzung hat mir leider ganz und gar nicht zugesagt. Es ist keine Spannung aufgekommen und ich habe mich mühsam durch die Seiten gearbeitet. Ich finde das ganze etwas lieblos aufbereitet - es geht um einen Schicksalsschlag, und die Wörter der Autorin können die Emotionen nicht wiedergegeben; ich ich würde den Schreibstil als lieblos bezeichnen. Das ganze kam einfach nicht bei mir an. Auch gibt es viele gedankliche Sprünge im Text die für Verwirrung sorgen.

  • Sieh mich an, Roman von Mareike Krügel, 256 Seiten, erschienen im Piper Verlag.
    Ein ganz normales Wochenende im Leben von Katharina, das übliche Chaos nur etwas ist anders. Das „Etwas" sitzt in ihrer Brust und tut alles was es nicht tun soll. Es ist was es ist. Aber es ist nicht seine Aufgabe, Hoffnung zu machen.
    Katharina entdeckt einen Knoten in ihrer Brust. Ein letztes Wochenende soll es so sein wie immer. Bevor sie ihr Geheimnis bekundet. Doch an diesem Wochenende geht alles drunter und drüber. Ihre Tochter hat Nasenbluten und muss von der Schule abgeholt werden. Ein Verkehrsunfall bei spiegelglatter Fahrbahn. Im Nachbargarten mäht sich der Nachbar den eigenen Daumen ab und muss notärztlich versorgt werden, der Wäschetrockner brennt, Kilian ein Studienfreund hat sich angemeldet um das Wochenende bei ihr zu verbringen, außerdem ist in ihrer Ehe mit Costas nicht mehr alles in Ordnung. Dazu die alltäglichen Probleme mit ihrer Tochter Helli, die ein ADHS-Problem hat. Ihre Schwester Sissi verlangt ihre Aufmerksamkeit, ihr Sohn Alex hat eine Freundin und Pink und Floyd sind auch noch plötzlich verschwunden. Kann Katharina in diesem Chaos den Überblick bewahren? Und plötzlich stellt sie ihr ganzes Leben in Frage, ihre Mutter ist zudem viel zu früh an dieser schrecklichen Krankheit verstorben. Selbst meint die Protagonistin an einer Stelle: „Ich bin zu müde für Hoffen und Bangen.
    Die bestürzende Geschichte ist im personalen Erzählstil aus der Sicht Katharinas verfasst. Der Roman ist in einer wunderschönen Sprache geschrieben und hat mich zutiefst berührt. Große Themen, lustig und zugleich traurig werden angesprochen. Ich habe mich immer gefragt: „Wie kann diese Frau das alles schaffen, was würde ich an ihrer Stelle tun? Ich finde die Geschehnisse auch nicht übertrieben, denn aus eigener Erfahrung ist mir klar, dass es solche Tage gibt an denen man denkt: „ Die ganze Welt hat sich gegen mich verschworen, was kommt denn noch alles?“ Ich konnte mich sehr gut in die Protagonistin hinein fühlen, wenn sie z.B. Gänsehaut und Tränen in den Augen bei bestimmten Liedtexten bekommt. Es sind viele Wahrheiten und Lebensweisheiten im Buch enthalten, wie z.B. „Die Geschichten meiner Mutter haben mich nie interessiert und jetzt, da ich sie hören will, ist sie nicht mehr da.“ Oder: „Eltern lieben blind drauflos aber Geschwister sehen einen wie man wirklich ist.“ Der Roman ist eigentlich nicht wirklich spannend, trotzdem fiel es mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Und habe es fast in einem Stück durchgelesen. Am Ende hätte ich mir gewünscht, zu erfahren wie es mit Katharina weitergeht und ob sie die Krankheit besiegen kann.
    Trotz des traurigen Hintergrunds – ein Wohlfühlbuch, Sprache und Stil tun der Seele unendlich gut. Ein toller Frauenroman! Absolute Leseempfehlung und wohlverdiente 5 Lesesterne.
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    :study::musik::montag:


    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon