Volker Reinhardt - Pontifex: Die Geschichte der Päpste

  • Inhalt lt. Amazon:
    Hüter einer ewigen Ordnung: So sehen sich die Päpste, deren Institution durch ihre lange Kontinuität fasziniert. Volker Reinhardt zeigt, dass diese Unveränderlichkeit eine Fiktion ist. Er erzählt höchst spannend, wie sich das Papsttum immer wieder neu erfunden hat, und vollbringt das Kunststück, dabei jedem Pontifikat in seinen theologischen, politischen und kulturellen Besonderheiten gerecht zu werden.
    Volker Reinhardt legt nach dreißigjähriger Forschung zur Geschichte Roms und des Papsttums mit diesem Buch die seit Langem erste Gesamtgeschichte der Päpste aus der Feder eines Historikers vor. Er schildert, wie die Bischöfe von Rom in der Antike den Primat über alle anderen Bischöfe durchsetzten, im Mittelalter die Hoheit über Könige und Kaiser gewannen, als weltliche Herrscher den Kirchenstaat vergrößerten und dabei jahrhundertelang die Erhöhung der eigenen Familie im Blick hatten. Unzählige Kunstwerke zeugen bis heute von diesem vielfältigen Machtanspruch, und die meisten entstanden in Renaissance und Barock, als die Machtfülle schon bröckelte. Bis weit ins 20. Jahrhundert stemmten sich die Päpste gegen die Moderne und handelten dem Papsttum das Stigma des Ewiggestrigen ein. Aber der Ruf nach Reformern ist, wie die fulminante Darstellung zeigt, so alt wie das Papsttum.


    Autor:
    Volker Reinhardt ist lt. Klappentext Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg und gehört weltweit zu den besten Kennern der Papstgeschichte.


    Zum Buch:
    Volker Reinhardt stellt in diesem Buch auf insgesamt 872 Seiten (ohne Anhang) eine umfassende Geschichte sämtlicher Päpste bzw. Bischöfe von Rom von Petrus bis Franziskus vor. Dabei geht er auch darauf ein, wie sich die Geschichte des Glaubens in den letzten 2000 Jahren verändert hat. Wie haben die Päpste mit den jeweiligen weltlichen Machthabern agiert?


    Es war für mich sehr faszinierend, mitzuerleben, wie sich das Selbstverständnis der Päpste im Laufe der Zeit geändert hat, und wie oft auch an der eigenen Legende gestrickt wurde.
    Beispielsweise leiten sich die Machtanspruche der Päpste aus der Tatsache her, dass Petrus und Paulus in Rom den Märtyrertod gestorben sein sollen. Rom betrachtet sich als die Kirche, die von den Aposteln selbst eingesetzt wurde, während die weiteren Gemeinden von Abgesandten der Aposteln eingesetzt wurden. Jedoch gilt es nicht als gesichert, dass Petrus in Rom gestorben sein soll, bzw. dass er überhaupt in Rom gewesen ist. Auch die "Konstantinische Schenkung" ist an dieser Stelle zu erwähnen.


    Viele der Päpste neigten zur Hybris, die meisten waren ein Kind ihrer Zeit, es gab Ungeheuer und es gab Heilige auf dem Papstthron.
    Viele sorgten erstmal für sich selbst und ihre Familie, die so genannten Nepoten (es gab in der Renaissance und dem Barock sogar einen offiziellen Kardinalnepoten).
    Viele wurden nur gewählt, weil man sie für alt, schwach und krank hielt (und viele waren es tatsächlich).
    Ich erlebte, wie sich im Laufe der Zeit die Prozedur der Papstwahl geändert hat.


    Was ich positiv bemerken möchte, ist, dass man wirklich jeden einzelnen Papst (und Gegenpapst) zwischen Petrus und Franziskus kennenlernt (und laut Anhang waren das doch sehr viele seit Petrus), auch wenn derjenige nur sehr kurz als Papst amtiert hat.
    Leider bleibt dabei die Ausführlichkeit auf der Strecke. So wird auf die Legende der Päpstin Johanna nur auf einer halben Seite eingegangen.
    Was ich sehr stark kritisieren muss, sind die im Buch enthaltenen Abbildungen. Diese sind nicht farbig (wie man bei einem Buch von dem Preis und dem Umfang erwarten sollte), sondern in schwarzweiß und teilweise doch recht klein gehalten. Was vielleicht bei Statuen oder Gebäuden nicht so sehr stört. Aber wenn ein Fresko nur über eine halbe oder drittel Seite geht - in schwarzweiß - ist das doch sehr störend. Einige Deckenfresken waren zwar über die gesamte Seite abgebildet, aber in schwarzweiß nicht gut zu erkennen.
    Ich hätte mir auch gewünscht, dass nicht nur vereinzelte Bilder der jeweiligen Päpste (sofern vorhanden) im Buch enthalten sind.


    Entgegen dem, was ich zwischendurch im "Ich-lese-gerade..."-Bereich geschrieben habe, war die Sprache doch nicht zu trocken, sondern recht angenehm und flüssig zu lesen. In dem speziellen Fall ging es um ein sehr trockenes Thema (die zwei Naturen bzw. die zwei Willen von Jesus, und die Theorie der Dreifaltigkeit), das mir offen gestanden ziemlich auf die Nerven ging. Aber ich habe nicht abgebrochen, sondern durchgehalten, und wurde belohnt - durch die Schilderung längst vergessener Päpste, die ich sonst nicht kennen gelernt hätte (was im Fall von Innozenz XI. ein wirklicher Verlust gewesen wäre).


    Neugierig? Dann lest das Buch, um Innozenz XI. kennenzulernen, einem Papst, der so war, wie man es von den Oberen der Kirche erwarten sollte, der mildtätig war, sein Geld den Armen gab und noch viele andere Dinge tat, die ihn sehr sympathisch machten. Oder lest es, um Päpste kennenzulernen, die von der Heiligkeit weit entfernt waren, diejenigen, die entweder die Könige und Kaiser demütigten oder von ihnen gedemütigt wurden. Seid schockiert über die "Kriminalgeschichte des Papsttums" - Päpste als Verbrecher oder als Opfer von Verbrechen (von einem frühen Papst wurden die Tochter und die Mutter der Tochter entführt und ermordet). Lernt Päpste kennen, die Orgien feierten und ihre eigene Familie unterstützten, auch, indem sie sie in Adelshäuser einkauften ("Einen Kardinalshut für einen Schwiegersohn aus der Familie der Ferrante"). Lernt auch mal andere Päpste kennen: nicht nur immer Alexander VI., sondern auch Alexander VIII. Nicht nur Gregor I. (der Große), oder Gregor VII., sondern auch die ganzen anderen Gregors (bis zum XVI. des Namens).


    Das Buch ist unterteilt in 14 unterschiedlich lange Kapitel, die wiederum in Unterabschnitte unterteilt sind. Als Anhang sind beigefügt verschiedene Stadtpläne Roms sowie diverse Karten von Italien, eine Liste der Päpste und Gegenpäpste, Literaturhinweise, eine Bibliographie, ein Bildnachweis und ein Personenregister.


    Von mir gab es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: - ein :bewertung1von5: Abzug wegen der wirklich miesen Abbildungen, und weil es mir an einigen Stellen doch nicht ausführlich genug war.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • „Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden. Ich werde dir die Schlüssel des himmlischen Reichs geben. Und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein“
    Matthäus Kapitel 16, 17-19
    Auf diese Aussage stützt sich die römisch katholische Kirche als ihre Berechtigung der Vormachtstellung im christlichen Glauben. Somit ist die Geschichte der Päpste gleichzeitig die Geschichte der römisch katholischen Kirche, und zugleich die Geschichte des Vatikans in Rom.
    Obwohl die Quellen nicht eindeutig erwiesen sind- Petrus als der erste Bischof in Rom –Petrus der den Märtyrertod in Rom erlitten hat- hat sich Rom als Sitz der Päpste hervorgehoben. Man darf also annehmen die Geschichte der Päpste und der früheren Bischöfen ist eine gut konstruierte Geschichte, welche durch die Jahrhunderte an Stärke gewann dank klugen Entscheidungen der amtierenden Würdenträgern mit ihrer Gefolgschaft.
    Ich werde nun nicht von Petrus bis Damasus welcher als erster Papst genannt wird jeden Bischof aufzählen, jedoch man erfährt welch unglaublichen Machtspiele schon zu dieser frühen Zeit stattfanden und wie fürchterlich zerstritten die christlichen Gemeinden waren.
    Damasus I. welcher nun als erster Papst angeführt wird und wie man lesen kann, ohne theologische Ausbildung, gelang es doch tatsächlich so etwas wie eine Basis der Kirche wie wir sie heute kennen zu bilden, obwohl es natürlich Jahrhunderte dauerte bis sie einen festen Stand in der Weltgeschichte hatte.
    Nicht alle Päpste fielen durch herausragende Tätigkeiten auf, manch einer blieb blass und genoss einfach seinen ihm gebotenen Status. Jedoch praktisch alle strebten nach mehr Reichtum für die Kirche denn, ich zitiere „die Kirche musste reich sein, um Bauten zu finanzieren, die den Armen die Herrlichkeit des Paradieses vor Augen führten“
    Dass die Anhäufung von Reichtum nicht immer nur uneigennützig war, zeigte sich wie die Familienangehörigen des Papstes jeweils davon profitierten. Vetternwirtschaft wurde für fast zweihundert Jahren von den Päpsten gefördert bis Innozenz XII dem Ende des 17. Jahrhunderts einen Riegel vorschob.
    Heute kaum vorstellbar dass Papst wird, wie Felix III – 483 bis 492 Witwer, mit einem Sohn und zwei Töchtern, aber auch Hormisdas 514 bis 523 ebenfalls Witwer mit einem Sohn Silverius 536 bis 537 welcher ebenfalls Papst wurde –beide als Heilige verehrt, wobei der erstere als Schutzheiliger der Stallburschen und Reitknechte gilt. Dass es so viele Schutzheilige gibt hat mit dem über Jahrhunderte gefrönten Heiligenkult zu tun, dass praktisch jeder Papst in den Genuss der „Heiligsprechung“ kam. Gemäss dem Credo der katholischen Kirche, ich zitiere „An diesem Tag des Zorns (dem jüngsten Gericht) geht die Zeit in die Ewigkeit über, und jeder Mensch wird gemäss seinen Taten sein Urteil empfangen: Himmel oder Hölle – mit Ausnahme der Heiligen, die der ewigen Seligkeit bereits teilhaftig sind.
    Es ist spannend zu lesen wie die jeweilige Papstwahl bis zum heutigen Zeitpunkt einem steten Wandel unterworfen war und wenn man liest dass im Jahre 499 Symmachus durch eine neue Regelung, der Papst selbst sollte auf dem Totenbett seinen Nachfolger bestimmen, die Kirche verzweifelt versuchte den ständigen Querelen wer nun den Thron besteigen durfte ein Ende zu bereiten.
    In dieser Biografie treffen wir nicht nur auf den weltlichen Genüssen sehr zugetanen Kirchenoberhäupter welche sich gerne mit materiellem Reichtum schmückten, auch auf sehr eitle wie Felix IV welcher sich zwischen den Aposteln Petrus und Paulus auf dem Apsis Mosaik verewigen liess.
    Man erfährt die wechselhaften Geschicke der Gegenpäpste und lernt die erbitterten Gegner der jeweiligen Päpste kennen.
    Päpste wie Silverius welcher dem Feind, Feldheer Belisar 536 Tor und Schatzkammer von Rom öffnete, Päpste welche zunichte machten welche ihre Vorgänger in mühseliger Arbeit aufgebaut hatten, all dies gehört zur bewegten Geschichte der Kirche.
    Wie nahe Triumpf und Demütigungen nebeneinander lagen mussten viele dieser Päpste erleben und die Geschicke der katholischen Kirche hingen oftmals vom jeweiligen Herrscher ab, je nachdem wie schwach, mit wenig Durchsetzungsvermögen das kirchliche Oberhaupt welches auf dem Thron sass, war.
    Das Kapitel welches sich mit dem Verhältnis Papst, Vatikan vor und während dem zweiten Weltkriegs ist eines der schwierigeren und es bereitet sicherlich etwas Mühe dem damaligen Papst Pius XII für seine Haltung Verständnis entgegen zu bringen.
    Der Autor beschreibt die nachfolgenden Kapitel nach dem Tod von Pius XII bis zum heutigen Papst Franziskus I. als „Aufbruch in die Gegenwart“- was sich insbesonders mit Paul VI manifestierte welcher, ich zitiere „den Missionsauftrag, das Christentum in die ganze Welt hinauszutragen, wörtlich nahm, alle fünf Kontinente bereiste und vor der UNO auftrat.


    Die Geschichte der Päpste liest sich nicht immer leicht, besonders die vielen Namen und Daten erfordern eine grosse Aufmerksamkeit, manchmal sind es fast zu viele Informationen. Ich bin jedoch überwältigt wie sich die römisch katholische Kirche seit Petrus dank ihren umtriebigen Bischöfen und Päpsten zu einer mit grosser Macht und Einfluss agierenden Institution entwickelt hat.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ich habe das Buch nicht gelesen, und kann nur auf die hiesigen Äußerungen eingehen, bzw Eure Kommentare lassen einiges an Gedanken in mir hochkommen :


    - Es handelt sich also um ein Buch über die Papstgeschichte, das Papsttum. So sehr viele damit die katholische Kirche gleichsetzen und enden lassen, so will ich betonen, dass eine solche Reduzierung der (kath) Kirche allein auf diese hierarchische Struktur sicherlich nicht weit genug geht : es ist ein « Teilaspekt », wenn auch ein sehr sichtbarer. Kirche ist mehr als Institution, und sicherlich mehr als jene vermeintlichen « oberen Zehntausend ». Auch im katholischen Kirchenverständnis. Leider ist jene Reduzierung so üblich, und erlaubt damit eine totale Distanzierung von der Konfrontation mit der Botschaft. Letztlich sind alle Gläubigen Teil einer Gemeinschaft, sind selber also inbegriffen, betroffen. Ich halte das für sehr wichtig.


    - Selbst wenn wir von der Prämisse ausgehen würden (die ich nicht teile), dass also Kirche Papstgeschichte wäre, ist eine Reduzierung – wie Ihr teils etwas schüchtern andeutet – auf alleiniges Erstreben von Machtanhäufung und Reichtum, oder Auswüchsen von Neid, Eifersucht etc ebenfalls zu kurz. Sicherlich gefällt das vielen, diesen offensichtlichen Dreck mehr oder weniger kritisch, oder gar spöttisch zu betrachten. Frage : Wird da alles reduziert auf diesen Dreck ? 2.Frage : Wie sehe, sieht das bei uns aus ? Ist also dies « allein » eine Frage der Kirchenheuchelei, oder erkenne ich, bei einiger Klarheit, meine eigenen Widersprüche ? Mein eigenes Machtstreben, Profilieren, Neid, Eifersucht ?….


    - Und selbst wenn es dann also tatsächlich stimmt, dass diese Geschichte nun mal wirklich nicht stets auf der Höhe des Ideals stand (und/oder steht) und viel Dreck zu Recht aufgewirbelt wird, sollte das nicht eine andere Frage, oder gar ein Staunen hochkommen lassen ?
    Wie dann ist es möglich, dass TROTZ all diesen Drecks im Kern etwas absolut Helles und Leuchtendes bewahrt worden ist ? Dass diese Geschichte weitergehen durfte, und ich benützte gerne in diesem Zusammenhang ein « TROTZ ALLEDEM » ? Anstatt sich zu ärgern, sollte uns das eigentlich echt zu denken geben und – wer es denn annehmen kann – zu staunen geben. Denn – übertragen wir das mal auf unser Leben – besteht das Wunder nicht darin, dass auch wir « trotz alledem » nicht ganz daneben liegen, und ein Kern von uns an die Wahrheit stösst ? Für mich besteht genau darin der tiefere Sinn dieser kryptischen Worte, dass die "Pforten der Unterwelt sie nicht überwinden".

  • Guten Tag @tom leo Danke für deine ausführlichen Anmerkungen, sobald ich kann werde ich mich damit befassen und nochmals mit dem Buch damit ich dir Antworten kann. Es war mir nämlich nich klar dass meine Rezension etwas negativ "rüberkommt" dies werde ich nochmals überdenken.
    Schön wenn man wieder einmal über etwas gelesenes diskutieren kann, freut mich.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Danke, serjena. Mein Beitrag verstand sich nicht als Kritik des Deinigen, sondern als Assoziationen, die beim Lesen hochkommen. Sicherlich liest Du dieses Buch, bzw die Geschichte differenzierter als ich es als "Gefahr" herausstellte. Ich spreche damit einige eventuelle Leser an, spreche aber zunächst mal einfach aus meinem Herzen.

  • erkenne ich, bei einiger Klarheit, meine eigenen Widersprüche ? Mein eigenes Machtstreben, Profilieren, Neid, Eifersucht ?….

    Mag sein, aber: Ich stehe nicht an der Spitze eines Machtgebildes, das einen Glauben und eine Lehre verkündet, in der es gerade darum geht, NICHT selbstsüchtig, neidisch, eifersüchtig, usw. zu sein.


    Warum erfährt der jetzige Papst soviel Zuspruch in der Welt, wird aber im Zentrum der Kirche angefeindet? Es scheint leider etwas Besonderes zu sein, einen menschlichen Papst zu haben.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie, natürlich stimme ich Dir zu. Natürlich erwarten wir zurecht, dass gerade die Kirche (bzw die "Spitze") ihrem Kern und Anspruch gerecht wird.

    Mag sein, aber: Ich stehe nicht an der Spitze eines Machtgebildes, das einen Glauben und eine Lehre verkündet, in der es gerade darum geht, NICHT selbstsüchtig, neidisch, eifersüchtig, usw. zu sein.
    Warum erfährt der jetzige Papst soviel Zuspruch in der Welt, wird aber im Zentrum der Kirche angefeindet? Es scheint leider etwas Besonderes zu sein, einen menschlichen Papst zu haben.

    Nun, ich stehe nicht an dieser Spitze, klaro. Aber habe ich, zumindest anvisiert, einen ähnlichen Anspruch an mich, und hinke dem wohl meist recht abgeschlagen hinterher. Ich gestehe "denen da oben" diesen Abstand auch zu, selbst wenn ich zur selben Zeit - muss ich das wirklich betonen? - NATÜRLICH auch enttäuscht bin, anderes erwarte... Aber anscheinend stimmt es: Die Luft - hat man einmal eine Autorität - wird immer schneidender. Und die "Versuchungen" vielleicht enormer. Der nein oder die andere von uns mag das eventuell an anderer Stelle im eigenen Leben erfahren haben?


    Ja, der aktuelle Papst erfährt zurecht Zuspruch (und ist insofern also das Beispiel einer "guten Autorität"). Angefeindet aber wird er nicht nur innerhalb des Zentrums der Kirche (wo es ebenso einige sehr gute Leute gibt, die ihn unterstützen), sondern auch von so manchen Leuten aus dem "Kirchenvolk".

  • - Selbst wenn wir von der Prämisse ausgehen würden (die ich nicht teile), dass also Kirche Papstgeschichte wäre, ist eine Reduzierung – wie Ihr teils etwas schüchtern andeutet – auf alleiniges Erstreben von Machtanhäufung und Reichtum, oder Auswüchsen von Neid, Eifersucht etc ebenfalls zu kurz. Sicherlich gefällt das vielen, diesen offensichtlichen Dreck mehr oder weniger kritisch, oder gar spöttisch zu betrachten. Frage : Wird da alles reduziert auf diesen Dreck ? 2.Frage : Wie sehe, sieht das bei uns aus ? Ist also dies « allein » eine Frage der Kirchenheuchelei, oder erkenne ich, bei einiger Klarheit, meine eigenen Widersprüche ? Mein eigenes Machtstreben, Profilieren, Neid, Eifersucht ?….

    Zuerst einmal, ich denke keinefalls ist es so dass die Geschichte der Päpste, der Kirche man dies unter dem Aspekt des Spottes oder "Dreck" betrachten darf, jedoch ist es nicht verkehrt diese kritisch unter die Lupe zu nehmen.
    Die Kirche als solche betrachtet ist meiner Meinung nach eine der Allgemeinheit dienende Institution der Religion. Man kann nun das Wort Kirche mit dem Wort Glauben gleichsetzen (ich hoffe ich drücke mich klar aus)
    Und die Päpste, ich zitiere „Als Herren der Kirche beanspruchen die Päpste durch die Gnade Gottes die einzigartige Gabe, in den grossen Fragen des Glaubens und der Sittenlehre unfehlbare Entscheidungen zu fällen“.Konzil von 1870
    Nur leider haben sehr viele Päpste dies Kirche=Evangelium=Glauben nicht in diesem Sinne verstanden denn, ( ich behaupte dies nun einfach), denn die Prachtbauten, die herrlichen Kathedralen welche zu Ehren von Jesus erstellt wurden, dienten allein die Mächtigkeit der Päpste hervor zu heben, zwar immer im Namen des Glaubens.

    Zitat von Voker Reinhardt

    Dazu dienten auch die Restaurierungen und Neubauten von Kirchen sowie deren Ausschmückung mit Mosaiken und Bildern. So ließ Leo IV. in der von ihm erneuerten Kirche seines heiligen Vorgängers Clemens eine Freskenserie malen, die ihn selbst zusammen mit den Aposteln, der Kreuzigung und der Himmelfahrt Christi zeigt. Deutlicher ließ sich die Heilsbotschaft des Evangeliums nicht auf Rom und das Papsttum beziehen: Bis zur Wiederkehr des Erlösers steht die Welt unter der segensreichen Leitung seines Stellvertreters; ohne ihn gibt es kein Heil.

    Denn die Päpste hatten nicht nur einen kirchlichen Herrschaftsanspruch sondern auch einen politischen- sie schlossen Könige und Kaiser aus der Kirche aus- ihre Prämisse war, ich zitiere “Unabhängigkeit von weltlichen Herrschern durch die Verfügungsgewalt über ein eigenes Territorium.
    Da sind wir doch schon wieder bei der Frage- was hat das mit dem Glauben=Kirche zu tun?
    Gar nichts meiner Ansicht nach, das war reines Streben nach Macht, besonders zu gewissen Zeiten wo die Päpste vorwiegend aus dem italienischen Adel stammten.
    Das klingt jetzt vielleicht etwas hart, jedoch möchte ich darauf hinweisen dass es Päpste gab welche sich ihrer Verantwortung bewusst waren die dieses Amt erforderte. Calixtus I. 218-222 der sich hervortat mit einer nachgiebigen Haltung, mit seinem Verständnis für das Menschliche-Allzu menschliche. Die organisierte Versorgung der Armen nebst seinen kirchlichen Aufgaben er zu seiner machte.
    Oder Pius V. 1566 welcher sich zurück besann und das Amt des Papstes neu definierte, selbst sehr asketisch lebte und dessen Anliegen es war die Glaubenslehre zu verbreiten – und auch die Kardinäle dazu verpflichtete – sich mit dem Lebensstil Christus zu identifizieren - ich zitiere“ ihre überflüssigen Güter zu verschenken und ihr Leben der Fürsorge für die Armen und den Andachtsübungen zu widmen".

    Wie dann ist es möglich, dass TROTZ all diesen Drecks im Kern etwas absolut Helles und Leuchtendes bewahrt worden ist ? Dass diese Geschichte weitergehen durfte, und ich benützte gerne in diesem Zusammenhang ein « TROTZ ALLEDEM » ? Anstatt sich zu ärgern, sollte uns das eigentlich echt zu denken geben und – wer es denn annehmen kann – zu staunen geben. Denn – übertragen wir das mal auf unser Leben – besteht das Wunder nicht darin, dass auch wir « trotz alledem » nicht ganz daneben liegen, und ein Kern von uns an die Wahrheit stösst ? Für mich besteht genau darin der tiefere Sinn dieser kryptischen Worte, dass die "Pforten der Unterwelt sie nicht überwinden".

    Das ist doch keinefalls ein Ärgernis, sondern es ist einfach eine Darstellung wie sich die römisch katholischen Kirche von ihren Anfängen bis heute entwickelt hat.
    Und man darf trotzdem an das Wunder dessen was Jesus Christus der Menschheit dargeboten hat glauben, jedem ist das selbst überlassen. Hat jedoch gar nichts, aber auch gar nichts mit den Päpsten als solche zu tun. Glauben basiert einzig und allein auf die Worte der Bibel.
    Zudem möchte ich in diesem Zusammenhang gerne auf das historisch wichtige Schuldbekenntnis des Papstes Johannes Paul II. hinweisen „Mea culpa“ (März 2000) indem er kirchliche Verfehlungen in grossen Massen eingestand.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter