Robin Hobb - Der lohfarbene Mann / Fool's Errand

  • Kurzmeinung

    Hirilvorgul
    Großartige Fantasy ganz hervorragend gelesen. Stoff zum Genießen.
  • Inhalt:
    Fünfzehn Jahre sind seit dem schrecklichen Krieg mit den Roten Korsaren vergangen. Seitdem wandert Fitz alleine mit seinem treuen Begleiter, dem Wolf Nachtauge, durchs Land, und hält sich so fern wie möglich von Bocksburg und der Gilde der Weitseher. Mit seinem Ziehsohn Harms und Nachtauge lebt er meistens, wenn er nicht gerade unterwegs ist, in einer kleinen Einsiedelei, und nennt sich Tom Dachsenbless. Er will sein früheres Leben und seine Gabe um jeden Preis vergessen, auch wenn ihn die Einsamkeit quält. Doch das Schicksal und seine Bestimmung holen ihn erneut ein.


    Beschreibung:
    Es wunderte mich, dass die Weitseher-Bände von Robin Hobb in BT noch nicht alle rezensiert wurden. Ich merke aber beim Versuch, den ersten Band der zweiten Reihe zu besprechen, wie schwer es ist, diese Reihe um Fitz, den Weitseher, angemessen zu beschreiben. Denn Robin Hobb ist damit etwas ganz Großartiges gelungen. Ihre Bücher um Fitz stehen in meinen Augen auf einer Höhe mit Patrick Rothfuss und seiner Königsmörder-Chronik, was die ganz eigene Welt angeht, die beide jeweils erschaffen haben.


    Es ist keine "Hau-drauf"-Fantasy, wo es nur darum geht, dass die Hauptprotagonisten alle möglichen Intrigen, Mordanschläge, Kämpfe und Schlachten überstehen. Robin Hobb schreibt viel tiefgehender, ruhiger und differenzierter. Sie lässt Fitz, die Hauptfigur, in der Ich-Form berichten, und was sie da an psychologischer Tiefe entwickelt, ist meisterhaft. Fitz ist kein strahlender Held, sondern ein Anti-Held mit großen Ängsten, Unsicherheiten und einem äußerst komplizierten Innenleben, der nicht nur ab und zu vor sich selbst und seiner Bestimmung davonläuft, sondern lange Zeit fast ausschließlich damit beschäftigt ist, zu verdrängen und zu vergessen. Gerade das aber macht ihn zu einer Person, die einem als Leser sehr nahe kommt. Man wird so mit hineingenommen in die Geschehnisse um Fitz, dass man nicht einfach, wenn man zu lesen aufhören möchte, das Buch zumachen kann, sondern erst einige Momente braucht, bis man aus der Geschichte wieder auftaucht ins Hier und Jetzt.


    Auch die anderen Figuren sind ebenfalls vielschichtig, lebendig und differenziert angelegt, mit guten Eigenschaften, aber auch mit Schattenseiten. Gerade das macht es so ungemein spannend, den Fortgang der Geschichte zu verfolgen, denn es ist in keinster Weise vorauszusehen oder auch nur zu erahnen, wohin der Weg führt und wie jeder auf diesem Weg bestehen oder versagen wird.


    Ich will jetzt nichts Näheres von dem Band "Der lohfarbene Mann" verraten, auch deswegen, weil man mit den Informationen zu diesem einen Band allein nicht viel anfangen kann. Denn man braucht ziemlich unverzichtbar die ersten drei Bände dazu, um die Ereignisse, die Personen und die Geschichte als solche verstehen zu können. Das ist gewissermaßen der einzige Wermutstropfen bei diesem überwältigenden Fantasy-Epos: man kann es nur ganz genießen oder gar nicht, denn die Einzelbände für sich ohne den Kontext dürften kaum einen Leser faszinieren. Man versteht dann einfach zu wenig, was vor sich geht. Deswegen ist auch die Rezension eines Einzelbandes schwierig bis fast unmöglich.


    Fazit:
    Die Neuauflage der drei ersten Bände im Heyne Verlag ist die Chance, sich auf die gesamte Weitseher-Chronik einzulassen! Band 1: Die Gabe der Könige (August 2017), Band 2: Der Erbe der Schatten, Band 3: Der Bruder des Wolfs. Leider sind die vier Bände der zweiten Chronik nur noch gebraucht erhältlich, aber man sollte es versuchen, die Mühe lohnt sich unbedingt.


    Von mir gibt es fünf Sterne, und wenn man sechs Sterne vergeben könnte, würde ich es in diesem Fall machen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ui, das klingt ganz nach meinem Geschmack! Danke für deine Rezension @Mirielle! Da ich völliger Anfänger dieser Reihe bin, dann müsste ich mit diesen hier

    Band 1: Die Gabe der Könige (August 2017), Band 2: Der Erbe der Schatten, Band 3: Der Bruder des Wolfs.

    anfangen? Oder? Und sie wären alle vollständig, wenn ich es richtig verstanden habe?

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Ui, das klingt ganz nach meinem Geschmack! Danke für deine Rezension @Mirielle! Da ich völliger Anfänger dieser Reihe bin, dann müsste ich mit diesen hier
    anfangen? Oder? Und sie wären alle vollständig, wenn ich es richtig verstanden habe?

    Die Reihenfolge sieht so aus:
    Erste Weitseher-Chronik, besteht aus den Bänden:
    1.Die Gabe der Könige
    2. Der Erbe der Schatten
    3. Der Bruder des Wolfs (alle früher unter anderen Titeln erschienen, aber das ist nun egal, denn man kann sich die neuen Ausgaben besorgen, deshalb zähle ich die alten Ausgaben nicht auf).
    Alle drei Bände erscheinen ab August bei Heyne neu, ich glaube der dritte im Dezember (bin mir nicht ganz sicher, amazon weiß es sicher)


    Die zweite Weitseher-Chronik, besteht aus den Bänden:
    1. Der lohfarbene Mann
    2. Der goldene Narr
    3. Der weiße Prophet
    4. Der wahre Drache
    Diese vier Bände gibt es meines Wissens nur noch gebraucht. Bei amazon zu abenteuerlich hohen Preisen, aber ich habe auch schon bei rebuy einen Band für ca. 7.- Euro gesehen, also nicht abschrecken lassen. Jedoch gebe ich zu, man kommt schwer an sie ran, und wenn mir nicht eine liebe BT-Userin :winken: die vier Bände angeboten hätte, weil sie selber nicht daran interessiert war, hätte ich die zweite Weitseher-Chronik auch nicht oder nur einzeln. Verwirrend ist auch, dass die ganze Weitseher-Saga zum Teil unter neuen Titeln neu herausgegeben wurde (und wird), so dass man erst recht oft nicht durchblickt. Da aber Heyne dankenswerterweise nun die erste Weitseher-Chronik komplett neu herausgibt, hat man damit schon einen guten Anfang.
    Man kann übrigens auch die erste Chronik für sich allein lesen. Was nicht geht, ist, die zweite Chronik zu lesen, ohne die Vorgängerbände zu kennen, da fehlt einem dann zu viel, um die Handlung zu verstehen.


    Wenn ich alle meine Fantasy-Bücher weggeben müsste oder aus allen wählen müsste, was ich behalte, wären es ohne wenn und aber Patrick Rothfuss und Robin Hobb. :love:


    Die Weitseher-Chroniken sind abgeschlossen. :thumleft:

  • @Mirielle Dankeschön für deine Antwort! :friends: Normalerweise gehe ich ja gerne auf die "Jagd" nach guten gebrauchten Buchexemplaren, aber in dem Fall mache ich es mir mal leichter. Zumal diese Reihe netterweise auch noch komplett vorgesetzt wird, habe ich mir gerade "Die Gabe der Könige" vorbestellt. Wenn mir das gefällt, dürfen die anderen Bände auch noch nach und nach einziehen.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Ich muss leider noch einen ganz großen Minuspunkt zu den Bänden der zweiten Chronik anfügen - die Übersetzung! :evil: Offenbar waren die Übersetzer der Meinung, die Namen eins zu eins ins Deutsche übertragen zu müssen. Nessel, Behende, Herd, Getreu - das sind Namen von Kindern. ](*,) Rötel und Die Schwarze heißen z.B. Pferde, und so zieht sich das durch alle Bände. Ich weiß nicht, wie diese Namen im Englischen lauten, vielleicht kann jemand nachschauen, der die englische Version der Bücher hat. Aber genauso gut könnte man Daisy mit Gänseblümchen übersetzen, und ich bin sicher, kein Übersetzer, der halbwegs bei Trost ist, würde das machen und ein Kind in einem Roman ständig als Gänseblümchen herumlaufen lassen! Es klingt einfach absolut bescheuert.


    Schade, dass die Übersetzer dieser vier Bände einem den Lesegenuss richtig verderben, weil man ständig über diese idiotischen Übersetzungsnamen stolpert. Warum der Verlag das damals akzeptierte, ist mir ein Rätsel. Hoffentlich macht Heyne den Fehler bei der Neuauflage der drei Bände der ersten Weitseher-Chronik nicht erneut und hat diesmal fähige Übersetzer verpflichtet.

  • Ich fand das mit den Namen in der Reihe sehr schön, weil man merkte, dass sich die Autorin was dabei gedacht hat: Prinz "Edel" zum Beispiel, oder Chivalric (= der Ritterliche). Nessel ist ja auch ein nachvollziehbarer (und für mich schöner) Namen mit einer Bedeutung


    Klar, bei bestimmten Namen ist es wirklich blöd (Herd, Behende, Getreu). Und nach meiner Erinnerung war es in der ersten Trilogie nicht so, dass nur die Kinder aus dem Königshaus solche Namen mit Bedeutung bekommen haben. Wie hieß noch der alte König? Ach ja, König Listenreich. Und der passte ja nun wirklich wie die Faust aufs Auge :mrgreen: .

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • An sich fände ich die Namensgebung durchaus auch interessant, aber ich habe was gegen die wörtliche Übersetzung der Namen. Ein Mädchen namens Gänseblümchen klingt für mich erheblich alberner, als wenn sie Daisy gerufen werden würde. Ein Pferd namens Die Schwarze hört sich für mich wahrlich nicht besser an als Blacky, im Gegenteil. Allein die KInder von Molly: Flink, Herd, Recht, Behende, Standfest, Nessel ..... Kannst du dir einen Sohn namens Recht oder Herd oder Standfest vorstellen? :loool: Herd, komm her. Standfest, zieh dir die Socken an. Recht, halte die Klappe. :totlach: Nein, für mich sind diese Übersetzungen ein Unding. Die englischen Namen hätten sich nur halb so komisch angehört, finde ich.


    Ich persönlich hätte es viel schöner gefunden, die englischen Eigennamen beizubehalten und sie nicht gewaltsam einzudeutschen. Mit den letzten Seiten des vierten Bandes (ich habe das Ende vorausgenommen :lol: ) tu' ich mich echt schwer beim Lesen, weil mir Recht, Herd, Behende und Co. die Freude an der Geschichte ziemlich vermiesen.

  • Und wieder hat mich die Autorin völlig in den Bann ziehen können!


    Es geht weiter mit Fitz Chivalric, den man schon aus der ersten Weitseher Trilogie kennt - allerdings sind seit den damaligen Ereignissen 15 Jahre vergangen und Fitz hat sich zusammen mit seinem Wolf in ein Einsiedler Leben zurückgezogen. Die ganzen Intrigen, Machtspiele und gefährlichen Aufträge, in die er hineingezogen wurde, haben ihn des Lebens am Hofe von Bocksburg überdrüssig gemacht.


    Sein Ziehsohn Harm jedoch wird älter, ihn zieht es in die Welt hinaus, unter Leute, auch muss er in die Lehre gehen und lernen, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen und prompt tauchen die einzigen Menschen aus seiner Vergangenheit auf, die ihm etwas bedeuten - und das unbeschwerte Leben rückt in immer weitere Ferne.


    Es dauert. Es dauert wirklich. Bis Fitz sich dieses Mal auf den Weg zu seiner Aufgabe macht, zu er gedrängt wird, vergeht fast die Hälfte des Buches, aber es war an keiner Stelle langweilig! Ich weiß nicht, wie die Autorin das schafft, dass sie das Leben von Fitz und Nachtauge in dieser einsamen Hütte mit all seinen Gedanken, Gefühlen und Alltäglichkeiten so ausfüllen kann, dass es trotzdem fesselnd ist.


    Es gibt dabei aber auch jede Menge Erinnerungen an die damaligen Ereignisse, die dadurch perfekt in Erinnerung gerufen werden, aber auch viele wesentliche Begegnungen und Neuigkeiten, die den Weg bereiten, der vom Schicksal für Fitz den Weitseher vorgesehen ist. Trotz der langsamen und ruhigen Art ist es nie langweilig und nichts überflüssig. Alles, was passiert, hat seinen Platz und bringt die Geschichte voran.

    Gerade Fitz´ Gedankenkarussell mag für viele nervig sein, dabei ist es so menschlich, so echt und dadurch so authentisch, denn jeder von uns kennt das. Er ist so festgefahren in seiner Loyalität, in seinem Bedürfnis, das richtige zu tun und zweifelt dennoch immer wieder an sich selbst - und vermisst natürlich alles das, was ihm verwehrt geblieben ist. Das alles so tiefgründig und sinnfindend ausgearbeitet, dass ich immer wieder innehalten musste, um mir ihre Botschaften durch den Kopf gehen zu lassen.


    Im Fokus steht vor allem die alte Macht, die Gabe der Weitseher, sich mit Tieren zu verschwistern und der Hass der Menschen ihnen gegenüber, der aus Furcht geboren ist. Das kann man gut übersetzen in die vielen Diskriminierungen unserer Gesellschaft gegenüber jenen, die anders sind, die man nicht versteht und dadurch Abstand gewinnen will - oder die man leicht zu Schuldigen abstempeln kann.


    Natürlich kommt das nicht so profan daher, denn die Autorin weiß es bestens, die Feinheiten jeglicher Gefühle zwischenmenschlicher Beziehungen auf den Punkt zu bringen. Durch Fitz´ Gedanken, die immer wieder um seine Probleme kreisen, macht sie Missverständnisse deutlich und das Hadern mit Schuld, Angst, Hoffnung und sämtlichen Empfindungen, mit denen jeder von uns zu kämpfen hat.


    Die Handlung fließt derweil dahin, während man so viele Eindrücke aufnimmt und sich auseinander setzt mit dem Leben und währenddessen sich bedeutsame Entscheidungen anbahnen. Sowas muss man mögen und ich bin davon mehr als begeistert!


    Der Schreibstil ist gewohnt flüssig zu lesen. Das Buch ist ja wieder recht dick, aber ich bin nur so durch die Seiten gerauscht. Es ist eine unaufgeregte Erzählweise, wie man sie aus der ersten Weitseher Trilogie kennt. Allerdings ein Unterschied wie Tag und Nacht, da ich jetzt den direkten Vergleich hatte zur Trilogie um die Seelenschiffe, wo es mit Abenteuern, Piraten und verschiedenen Figuren sehr viel abwechsungsreicher und rasanter zuging.

    Dennoch gibt es auch hier einige bedrohliche Situationen und Auseinandersetzungen, die die Spannung anheben und zum Ende hin eine Dramatik entwickeln, die kein großes Spektakel verlangt, sondern in ihrer Intensität umso bedeutsamer ist.


    Mich hat sie auf jeden Fall völlig in den Bann gezogen und ich freu mich schon sehr, wie es mit Fitz im nächsten Band weitergehen wird. Die Steine sind gelegt für einen Pfad, einen neuen Lebensabschnitt, der viele Veränderungen verspricht und ich bin gespannt, was man auf dieser Reise noch alles erleben wird!


    Ich möchte gerne auch wieder betonen, wie wichtig es ist, die Reihenfolge einzuhalten bei solchen Reihen, so, wie ich sie unten gelistet hab. Es gibt (noch) keine direkten Bezüge zur Seelenschiff Händler Trilogie, aber einige Anspielungen sind schon dabei und soweit ich gehört habe, kommen da noch mehr ;)


    Mein Fazit: 5 Sterne


    Weltenwanderer