Joyce Carol Oates - A Book Of American Martyrs (Start: 05.08.17)

  • Kapitel 32 - Voicemail

    Zitat von Joyce Carol Oates

    It's like being ghosts, isn't it? - returning to a mausoleum where they'd come from.

    Zum ersten Mal seit Gus' Tod betritt die Familie das Haus. Schon komisch, dass Jenna ihre Kinder nirgends miteinbezieht, zum Haus sollen sie aber mitkommen. Hier fürchtet sie sich so sehr, das müssen sie zusammen durchstehen :roll: Im Haus sieht es dementsprechend aus. Der Anrufbeantworter blinkt, u.a. eine Nachricht von Gus. Er bedauert, wie sich die Situation entwickelt hat. Einsamkeit spricht zwischen den Zeilen. Er hatte eine Idee, wie es in Zukunft weitergehen soll. Den Inhalt lässt er offen, wir werden vermutlich nicht erfahren, worum es ging :(

  • Das diese beiden Familien sich trotz der großen sozialen Unterschiede im Verhalten von Vater und Mutter doch recht ähnlich sind, hätte man eigentlich nicht erwartet. Gus verweigert sich der Realität im Grunde ähnlich wie Luther, der einfach behauptet seine Tochter wäre bei dem Unfall nicht im Auto gewesen. Mutter Dunphy spricht überhaupt nicht über den Unfall, so wie Jenna nicht mehr über den Mord an ihrem Mann spricht. Verdrängung scheint das große Thema in beiden Familien zu sein.

    Tolstoi hat in Anna Karenina geschrieben, dass glückliche Familien einander gleichen, unglückliche aber auf ihre Art unglücklich sind. Dennoch gibt es so viele Parallelen zwischen beiden, auch wenn einige Umstände anders sind. Da sieht man mal wieder, dass das soziale Umfeld ein kleiner von vielen Faktoren ist, mit dem mitnichten das Ungewöhnliche schon allein erklärt ist. Wie Du schon geschrieben hast, Luther und Gus sind gleichermaßen gnadenlos, nur ihre Methoden unterscheiden sich (aber auch nicht immer).


    Wieder einmal bin ich sehr froh, dass Du mit mir zusammen liest, @taliesin Die Herausforderung wird nicht kleiner. Ich weiß nicht, auf wen ich wütender bin. Gus oder Luther. Keiner denkt an die Hinterbliebenen...

  • . Den Inhalt lässt er offen, wir werden vermutlich nicht erfahren, worum es ging

    Ja, das wäre schön zu erfahren. Die Vorstellungen der Kinder bezüglich dieser Idee erfahren wir dann in......


    Kapitel 33 - "New Idea"
    Da habe ich kurz nach Luft geschnappt. Während Naomi und Darrel davon träumen, dass die neue Idee des Vaters ein großer Umbruch war, ein Zurückkehren zur
    Familie, fällt Jenna nichts anderes ein als dieser bittere, zynische Kommentar. Unfassbar!

    Zitat

    Overhearing, Jenna would say bitterly: Better for your father not to have called us at all than to have called and left that message, to fester
    in our hearts.


    Ich habe auch festgestellt, dass es Romane gibt, die besser in einer kleinen Runde besprochen werden, weil das Lesen im stillen Kämmerlein zwar seine
    Vorteile hat, aber vor allem bei Romanen wie diesem hier auch schwer aufs Gemüt schlagen kann. Beim ersten lesen habe ich verzweifelt versucht einen, wenn auch noch
    so schmalen, Silberstreif am Horizont zu finden. Aber wir sind ja noch recht früh im Buch, es gibt also noch Hoffnung.
    In kleiner Runde kann man sich da eben auch über das Lesegefühl unterhalten und das macht die Sache dann leichter. Eine Herausforderung wird es bleiben.
    Zu zweit werden wir den Stein schon rollen, auch wenn es steil bergauf geht bei Frau Oates.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Kapitel 33 - "New Idea"

    Da habe ich kurz nach Luft geschnappt. Während Naomi und Darrel davon träumen, dass die neue Idee des Vaters ein großer Umbruch war, ein Zurückkehren zur Familie, fällt Jenna nichts anderes ein als dieser bittere, zynische Kommentar. Unfassbar!

    Ging mir genauso. Ist der Inhalt der Nachricht nicht genau das, was sie vor wenigen Wochen noch zu hören wünschte? [-(


    Kapitel 34 - Laughter


    Naomi träumt oft, dass sie mit ihrem Vater zusammen sitzt. Sie erzählt ihm, dass sie die Todesnachricht nie für wahr hielt. Beide lachen.

    Zitat von Joyce Carol Oates

    Except it was the sound of a harsh wind rustling and not true laughter. Except when she could see clearly, it wasn't Gus.

    Und schon ist man wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen :(

    Aber wir sind ja noch recht früh im Buch, es gibt also noch Hoffnung.

    Das stimmt, im Moment sieht es nur nicht so aus. Mal schauen, was jetzt noch kommt. Frau Oates ist noch nicht fertig mit uns scheint mir :wink:

  • Mal schauen, was jetzt noch kommt. Frau Oates ist noch nicht fertig mit uns scheint mir

    Oh nein, es ist ein langer Weg, aber es lohnt sich............


    Kapitel 35 - The people of the state of Ohio vs Luther Amos Dunphy (December 2000)


    Eine schwere Prüfung, die da auf Jenna wartet. Im Gerichtssaal beobachtet sie Luther und denkt über die Todesstrafe nach. Natürlich hat er sie verdient, aber das
    widerspricht eigentlich ihrer und auch Gus Einstellung zur Todesstrafe. Eigentlich sollte die Anklage auf zweifachen Mord lauten, aber ist es möglich, dass es auch
    Totschlag sein könnte. In Amerika entscheidet das die Jury, die Geschworenen und da kann so einiges passieren.
    Jenna ist deutlich überfordert während der Verhandlungen. Sie kann die Familie Dunphy nicht wirklich als den Feind ansehen. Sie wirken so normal.
    Viel schlimmer ist, das der Prozess natürlich auch für die Medien ein großes Thema ist und nicht alle sind vehement gegen Luther. Auch im und vor dem Gerichtssaal
    sammeln sich die Befürworter, die tatsächlich zur Unterstützung von Luther und gegen den Baby-Killer anwesend. Das Jenna das alles durchhält ohne zu explodieren
    ist erstaunlich. Vor allem diese Erkenntnis ist wie ein Schlag ins Gesicht:

    Zitat

    It is Gus who is on trial. Not Luther Dunphy.

    Es hat mir jedoch sehr gut gefallen, wie Donald Stockard, ehemaliger Priester und Augenzeuge der Tat vom Staatsanwalt förmlich auseinander genommen wird. Auch er
    ist ein Befürworter der "defend the defenseless" Abteilung und natürlich Mitglied der American Coalition of Life Activists.
    Natürlich und das war zu erwarten, sieht Stockard das nicht so. Er hat seinen Standpunkt trotzig verteidigt und sieht sich wohl als Sieger.
    Luther aber ignoriert er.
    Bevor das Urteil der Jury bekannt gegeben wird, geht Jenna zum Women`s Center und damit auch zum Tatort. Das liest sich wie eine Selbstbestrafung. Schlimm.


    Aber dann kommt das unerklärliche und schon wieder muss ich nach Luft schnappen. Auf den letzten Seiten haben zwei Geschworene das Wort. Beide stimmten für
    nicht schuldig auf Grund des "justifiable homicide". Die Erklärungen sind erwartungsgemäß ganz in Luthers Sinne. Es gibt also mit 10 zu 2 Stimmen keine einstimmige
    Entscheidung. Mistrial, ein ergebnisloser/fehlerhafter Prozess. Da kann man richtig sauer werden und sehr intensiv über die Praktikabilität eines Geschworenenprozesses
    nachdenken.
    Es ist richtig, Frau Oates ist noch lange nicht fertig mit uns.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Kapitel 36 "Mistrial": Widow of the deceased


    Trial ends, jurors dismissed.
    Triumphgejohle im Gerichtssaal. Einige sehen das als temporären Sieg. Jenna weiß nicht wirklich was sie da jetzt gehört hat. Der Richter und sogar Luther ist
    von diesem Urteil der Jury geschockt. Und was nun?
    Offen gesagt verstehe ich das Prinzip nicht. Wieso gibt es noch einen Richter, wenn er in solchen Fällen kein Machtwort sprechen kann?

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Kapitel 35 - The people of the state of Ohio vs Luther Amos Dunphy (December 2000)


    Obwohl es ja schon dem Inhaltsverzeichnis zu entnehmen war, hat der Ausgang nichts an Schockpotential eingebüßt. Bei der Recherche stelle ich zum wiederholten Mal fest, dass die Handlung der Realität entsprechen könnte.

    Die Rechtsprechung aber überlässt man am Ende zwölf Leuten, die nicht ein Semester Jura studiert, kein einziges der dicken Gesetzbücher gelesen haben müssen, sich eigentlich durch nichts auszeichnen als ihre umfassende Ahnungslosigkeit – zwölf Menschen, die buchstäblich nach dem Zufallsprinzip auf der Straße aufgelesen werden. Zwölf Menschen wie in dem Hollywood-Filmklassiker „12 Angry Men“ („Die zwölf Geschworenen“), die nichts zur Hand haben als ein Quäntchen Moral und zwei Unzen gesunden Menschenverstand.

    ...und wenn man noch nicht mal letzteres besitzt? Gute Nacht, Amerika! Einen solchen ergebnislosen/fehlerhaften Prozess gab es jetzt auch um die Person Bill Cosby. Von der Verfassung vorgegeben, will man die kollektive Entscheidungskraft stärken. Dass man dadurch der Willkür die Tür öffnet, ist die Kehrseite der Medaille. Interessanter Fakt: In den USA muss die Jury einstimmig entscheiden, um ein rechtskräftiges Urteil zu erwirken, in England reichen 10 von 12 Stimmen. D.h. in England hätte es zur Verurteilung gereicht. Frau Oates hat dieses Verhältnis von 10 zu 12 mit Bedacht gewählt, denke ich.


    Ich muss Jenna Recht geben. Gus wird vor Gericht gestellt, nicht Luther. Der wie immer tut, was er am besten kann: Schweigen :evil: Seine Fürsprecher im Prozess wissen doch ganz genau, dass er im Inneren voller Sünde und Verleugnung ist: Ein devoter Christ, was soll das? :wuetend: Noch nicht mal der erhoffte Blickkontakt ist Jenna vergönnt.

    Es hat mir jedoch sehr gut gefallen, wie Donald Stockard, ehemaliger Priester und Augenzeuge der Tat vom Staatsanwalt förmlich auseinander genommen wird.

    Balsam für meine Wut. Im ersten Moment. Dem doch sehr emotionalen Verhör kann sich niemand entziehen. Auch, wenn ich seiner Argumentationskette und seiner Interpretation nicht zustimmen kann, eins kann ich auch nicht verneinen. Neben dem Gesetz gibt es ein Gewissen, das erste Gespür für Recht und Unrecht.


    Ich habe das Gefühl die Geschworenen haben das zweite Opfer in der emotionalen Diskussion vergessen :(


    Schon wieder bin ich emotional überladen.


    Ein persönliches Treffen von Jenna und Edna Mae fände ich spannend, vielleicht kommt es ja noch dazu...

  • Kapitel 36 "Mistrial": Widow of the deceased

    Triumphgejohle im Gerichtssaal. Einige sehen das als temporären Sieg. Jenna weiß nicht wirklich was sie da jetzt gehört hat. Der Richter und sogar Luther ist von diesem Urteil der Jury geschockt. Und was nun?

    Und sie muss auch noch Haltung wahren ](*,)](*,)](*,)

  • Kapitel 37 - "Mistrial": children of the deceased


    Natürlich erfahren die Kinder auch vom Ausgang der Verhandlung und ihre Wut und ihr Unverständnis ist nachvollziehbar. Es wird einen weiteren Prozess geben
    und damit eine weitere Herausforderung für die ohnehin schon entnervte Jenna. Der folgende Satz spricht Bände:

    Zitat

    More distraction for our mother. More dread. Ever closer to the breaking point. (we did not want to acknowledge)

    Darren und Naomi sind so von Hass erfüllt, dass er sich im Grunde gegen alle richtet die zur Verfügung stehen. Die, die wir am meisten lieben, verletzen wir am schlimmsten.
    In diesem Fall scheint das treffend.
    Jenna hat sich zurückgezogen. Sie beantwortet die Anrufe der Großeltern nicht. Wenn die Großmutter mal mit Jenna spricht, beschwert sie sich über das Verhalten von
    Darren und Naomi. Die Situation im Haus ist angespannt und explosiv, einzig Melissa scheint ein wenig Trost bei der Großmutter zu finden.


    Wir erfahren ein wenig über das angespannte Vater/Sohn Verhältnis der Vorhees und auch über die Schulsituation der Kinder. Was für ein unerträglicher Druck da auf ihnen
    lastet ist kaum vorstellbar. Auch wenn es schockierend klingt, man versteht Darren, wenn er so bittere Worte wie diese von sich gibt.

    Zitat

    Darren said with a smirk: "All those years, we were `collateral damage` We never knew."

    Unfassbar bitter, aber ein kleines Stück Wahrheit schaut da schon durch.


    @bittersweetlight du hattest geschrieben, dass es interessant wäre ein Treffen zwischen Jenna und Edna Mae zu erleben. Da gebe ich dir recht, allerdings glaube ich,
    dass die beiden Frauen sich niemals wirklich verstehen könnten. Da liegen Welten zwischen und Jenna wäre glaube ich auch nicht bereit für ein solches Treffen. Jenna
    will ihre Vergangenheit tief begraben, egal wer dazugehört..........
    Es wäre jedoch sehr interessant, wenn sich ein wie auch immer gearteter Kontakt zwischen den Familien ergeben würde. Im Moment sehe ich da aber keine Chance.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Kapitel 38 - Just for you


    Jennan beschäftigt sich immer mehr mit beruflichen Dingen und immer weniger mit ihrer Familie. Erreichbar ist sie nicht mehr und die Kinder sehen sie nur noch
    bei ihren sporadischen Besuchen.

    Zitat

    It wasn`t clear where she was living.Or rather, where she was staying. In the Ann Arbor area, or not far away. She seemed to have no fixed address,
    not even a post-office box.

    Die folgenden Sätze muss man schon gar nicht mehr groß kommentieren. Das sagt wohl alles.

    Zitat

    She`d ceased to be female. In ceasing to be female very shrewdly she`d ceased to be maternal.

    Bei einem ihrer Besuche holt sie die Kinder zu sich und spielt ihnen noch einmal den Text des Vaters vom Anrufbeantworter vor. Die Kinder hatten die letzten Worte
    die von ihrem Vater gesprochen wurden schon fast vergessen. Das muss für sie sehr schmerzhaft gewesen sein. Ich weiß nicht, ob es nötig war, diese frische Wunde
    noch einmal aufzureißen. Was will Jenna damit bezwecken? So wird sie die fehlende Nähe zu ihren Kindern nicht aufarbeiten können. Aber vielleicht ist sie ja an Nähe
    auch nicht mehr interessiert.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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