Melanie Metzenthin - Im Lautlosen

  • Klappentext:
    Hamburg, 1926: An der noch jungen Universität der Hansestadt gehören Richard und Paula zu den begabtesten Medizinstudenten ihres Jahrgangs. Sie beide verbindet mehr als nur die Leidenschaft für den Arztberuf – sie verlieben sich unsterblich ineinander. Als nach ihrer Heirat die Zwillinge Emilia und Georg geboren werden, ist ihr Glück komplett, auch wenn der kleine Georg gehörlos ist. Doch dann ergreifen die Nationalsozialisten die Macht und das Leben der jungen Familie ändert sich von Grund auf. Richard, der inzwischen als Psychiater in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn arbeitet, kann sich mit der menschenverachtenden Gesetzgebung der Nazis nicht arrangieren, von der auch sein gehörloser Sohn betroffen ist. Um seine Patienten vor der Euthanasie zu bewahren, erstellt er fortan falsche Gutachten. Damit nimmt er ein großes Wagnis auf sich, das nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Familie bedroht …


    Autorin:
    Dr. Melanie Metzenthin wurde 1969 in Hamburg geboren, wo sie auch heute noch lebt. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat sie einen ganz besonderen Einblick in die Psyche ihrer Patienten, zu denen sowohl Traumatisierte als auch Straftäter gehören.
    Bei der Entwicklung ihrer Romanfiguren greift sie gern auf ihre beruflichen Erfahrungen zurück.
    Unter dem Pseudonym "Antonia Fennek" schreibt sie Psychothriller.


    Allgemeines:
    Erscheinungsdatum: 11. Juli 2017
    Seitenanzahl: 524
    Verlag: Tinte & Feder


    Eigene Meinung:
    Aus der Sicht von Richard und Paula, die sich in einer Vorlesung kennen und lieben lernen, werden hier die Schrecken und die Skrupellosigkeit gerade in psychiatrischen Anstalten zur Zeit des zweiten Weltkrieges zum Thema. Durch die Erzählweise sind wir nah dran. Die Sicht wechselt zwischen Richard, der in einer psychiatrischen Anstalt eine Anstellung gefunden hat und sich mit Verständnis, Einfühlungsvermögen und Einsatz um seine Patienten kümmert und Paula, die es mit ihrem Wunsch Ärztin zu werden, zu der Zeit nicht leicht hat.
    Beide werden durch den Einfluss des Nationalsozialismus wissend oder unwissend zu Entscheidungen genötigt.
    Während das Thema der Leistungsbescheinigungen bei Patienten und die Rassenideologie natürlich stark präsent sind, schafft es Melanie Metzenthin aber auch noch andere Themen einzustreuen. So zeigt sie auf, was die Frau damals erdulden musste und findet auch Platz für das Schicksal der Juden.
    Das macht sie sehr geschickt und regt auch damit zum Nachdenken an.
    Im Nachwort macht sie noch deutlich, welche Personen existiert haben und wie sie die Romanfiguren in die Geschichte gesetzt hat.
    Der Titel passt übrigens sehr gut zum Buch, da es eben nicht nur die Mitläufer gab, sondern auch diejenigen, die versucht hatten ihr Möglichstes zu geben und Menschen zu retten.


    Fazit: Ein Buch was mich gut unterhalten hat. Gerade auch der Schwerpunkt zum „lebensunwertem Leben“ war interessant und konnte mich fesseln, so dass ich das Buch kaum weglegen konnte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • 1926 Hamburg. Paula und Richard lernen sich während ihres Medizinstudiums an der Universität kennen und verlieben sich ineinander. Obwohl Richard „nur“ der Sohn eines Tischlers ist und eigentlich nicht standesgemäß, heiraten die beiden und bekommen Zwillinge, Emilia und den gehörlosen Georg. So erlernt die Familie die Gebärdensprache, damit sie alle zwanglos miteinander kommunizieren können. Als die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland ergreifen, ändert sich für die Familie alles. Richard, der als Psychiater arbeitet, ist absolut gegen die Nazis und deren menschenunwürdigen Ansichten, welche auch seinen gehörlosen Sohn Georg betreffen. Um so viele Menschen wie möglich vor dem Wahnsinn der Nazis zu retten, nutzt er seine Position als Arzt und stellt falsche Gutachten aus. Damit setzt er nicht nur sich selbst, sondern auch seiner Familie einer großen Gefahr aus, denn Richards Widersacher Dr. Krüger findet heraus, was Richard getan hat. Leider kostet ihn das seinen Job als Arzt und er wird zum Wehrdienst eingezogen. Doch Richard hat in seinem besten Freund Fritz einen Fürsprecher, der ihn vor der Front rettet und eine Versetzung zu ihm ins Lazarett nach Tripolis ermöglicht. Richard ist jetzt erst einmal aus der Schusslinie, doch Paula ist immer noch mit den Kindern in Hamburg und versucht, sich und die Kinder vor den Bomben zu schützen. Während all dem Kriegsgeschehen wird Georg schwer krank und wird ausgerechnet in das Krankenhaus eingeliefert, wo Dr. Krüger als Handlanger der Nazis das Zepter führt…


    Melanie Metzenthin hat mit ihrem Buch „Im Lautlosen“ einen sehr berührenden und spannenden Roman vor der schrecklichen Kulisse Nazideutschlands vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und ohne Schnörkel, mitreißend und fesselnd. In wechselnden Perspektiven erfährt der Leser mal aus der Sicht von Richard, mal aus der von Paula um die jeweilige Situation und die Geschehnisse und wird eingeweiht in ihr Denken und ihre Gefühle. Die damalige Zeit wird auf unheimliche Weise zum Leben erweckt und lässt einen erschauern ob dieser Unmenschlichkeit und Grausamkeit, ob diesem wirren Gedankengut, dass damals von den Nazis verbreitet wurde. Der Spannungsbogen zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch und ständig ist der Leser auf der Hut vor der lauernden Gefahr, die unterschwellig immer spürbar ist und an den Nerven zerrt. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und ihre Handlung mit einem glaubhaften historischen Hintergrund versehen, der dem Leser die Möglichkeit gibt, einen Blick in die verstörende Vergangenheit zu gewähren. Über einen Zeitraum von 20 Jahren erlebt man die Kriegswirren und Grausamkeiten mit und wird auch ein Teil der Familie von Richard und Paula.


    Die Charaktere sind sowohl lebendig als auch sehr realistisch gestaltet und liebevoll ausgearbeitet worden. Sie wirken sehr authentisch und einige von ihnen möchte man am liebsten persönlich kennenlernen. Richard ist ein sehr sympathischer Charakter, er ist ehrlich und seinen Prinzipien treu. Dafür nimmt er jede Gefahr in Kauf, solange er anderen Menschen helfen und sie retten kann. Paula ist ebenfalls sehr liebenswert, sie versucht, neben ihrer Familie auch andere zu schützen und setzt dafür viel aufs Spiel. Fritz ist ein offener und fröhlicher Mensch, der immer Optimismus versprüht und jede Minute des Lebens auskostet. Dabei ist er ein guter Freund und immer hilfsbereit. Der kleine Georg ist auch ein toller Protagonist. Obwohl gehörlos, wirkt er lebensfroh und lässt das Herz des Lesers höher schlagen, wenn er auf der Bildfläche erscheint.


    „Im Lautlosen“ ist ein sehr berührender und überzeugender Roman mit einer einzigartigen Familiengeschichte vor historischem Hintergrund, der nachdenklich macht und das Herz des Lesers anrührt. Absolute Leseempfehlung für eine fesselnde Handlung, die sehr gut umgesetzt wurde!


    Berührende :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Zum Inhalt siehe oben.


    Dieser Roman hat mich von der ersten bis zur letzten Seite tief in seinen Bann gezogen und wird sicher auch noch länger in meinen Gedanken nachwirken.


    Sowohl in die Epochen der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und dann kurz noch der Nachkriegszeit als auch in die handelnden Figuren mit ihren inneren und äußeren Konflikten konnte ich mich gut hineinversetzen. Die Handlungsverläufe fand ich spannend, das Thema ohnehin sehr berührend und verstörend (auch wenn es mir nicht neu war - ich bin mit einer "Euthanasie"-Gedenkstätte im Nachbarort aufgewachsen). Aber vor allem habe ich die Dialoge und Gedankengänge der Figuren sehr genossen. Zum Teil witzig, zum Teil mit viel Tiefgang und zum Nachdenken anregend, mit ganz viel Wärme und Menschlichkeit selbst angesichts großen Leids und schreiender Ungerechtigkeit.


    Und nicht zuletzt traf mich ganz besonders der (zufällige) Zeitpunkt der Lektüre - das Wochenende, an dem die AfD in den Bundestag eingezogen ist. In diesem Roman bekommt man aufgeschlüsselt, wie das nationalsozialistische Gedankengut vor knapp hundert Jahren in die Gesellschaft und ins politische System eingesickert ist und da lange nicht wieder herauszubekommen war. Man kann nur hoffen und sich nach Kräften dafür einsetzen, dass die Geschichte sich in diesem Fall NICHT wiederholt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    (Rezi von Juli 2018)

    :study: Sabine Rennefanz - Kosakenberg

    :musik: Oyinkan Braithwaite - Meine Schwester, die Serienmörderin (Re-???)

    :montag: Sally Coulthard - Am Anfang war das Huhn





  • Angesichts des Covers, das einen "Frauenroman" erwarten lässt, hätte ich nie gedacht, dass dieses Buch mich dermaßen begeistern würde.

    Ich war von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, was nicht nur am geschliffenen und sehr anschaulichen Erzählstil liegt, sondern auch an den thematischen Schwerpunkten. Es gibt viele Romane, die sich mit dem Nationalsozialismus befassen und meistens geht es darin um Antisemitismus und Holocaust. Hier steht eine etwas weniger beachtete Thematik im Vordergrund: der menschenverachtende Umgang der Nazis auch mit nicht-jüdischen Mitbürgern, sofern diese zu dem zählen, was sie als "lebensunwertes Leben" betrachten, wie z.B. körperlich und geistig Behinderte sowie chronisch Kranke, die nicht (mehr) "produktiv" sind.

    Sehr deutlich wird herausgearbeitet, wie Ärzte mit Gewissen versuchten, diese Menschen vor der Deportation und Tötung zu bewahren, wie sie aber eine Wahl treffen mussten, da es aufgefallen wäre, wenn sie alle Patienten fälschlicherweise als "produktiv" eingestuft hätten. So mussten sie einige der ihnen anvertrauten Patienten quasi opfern, um andere zu retten.

    Am Beispiel der beiden Protagonisten und ihres gehörlosen Sohnes kann der Leser atemlos mitverfolgen, wie die Angehörigen von chronisch Kranken, Behinderten und auch Menschen mit eigentlich geringfügigen Einschränkungen täglich um deren Leben fürchten mussten.

    Auch der Horror der ständigen Bombenangriffe wird eindringlich dargestellt.

    Das Nachwort der Autorin rundet den Roman gelungen ab und erläutert die faktischen Bezüge: Auch wenn Paula und Richard fiktive Figuren sind, handelt es sich bei einigen ihrer ärztlichen Kollegen um historische Persönlichkeiten.


    Ein beeindruckender Roman, für den ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung (auch für männliche Leser) gebe, man(n) sollte sich vom Blümchencover nicht abschrecken lassen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • €nigma Ich kann dir trotz des ebenso scheußlichen Covers auch die Fortsetzung empfehlen! :lol: :winken:

    Danke für den Tipp, das Buch werde ich mir auf jeden Fall noch besorgen. Im Moment werde ich erstmal "Die verstummte Liebe" lesen, das habe ich gerade von NetGalley bekommen. Darin geht es um die Mutter von Fritz.

    Außerdem habe ich noch "Mehr die Erinnerung" auf dem E-Book SuB.

    Die Cover sind leider wirklich nicht so gelungen, sehr schade!

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • "Mehr als die Erinnerung" hat mich leider nicht so überzeugt. Das Buch über die Mutter von Fritz interessiert mich aber auch! Da schaue ich direkt mal bei NetGalley... :lol:

    :study: Sabine Rennefanz - Kosakenberg

    :musik: Oyinkan Braithwaite - Meine Schwester, die Serienmörderin (Re-???)

    :montag: Sally Coulthard - Am Anfang war das Huhn





  • Nichts für schwache Nerven

    Das Buch:

    Es handelt sich hier um den ersten Band aus der Reihe Leise Helden, obwohl das Buch zeitlich betrachtet nach “Die verstummte Liebe” - dem 3. Band der Reihe - angesiedelt ist. In dieser Geschichte widmet sich die Autorin einem der grausamsten Verbrechen des 2. Weltkrieges - der (Kinder-) Euthanasie - und zeigt auf, dass es Menschen gab, die ohne Aufhebens und oftmals ohne Rücksicht auf Konsequenzen im Stillen halfen.


    Worum geht’s?

    Richard und Paula lernen sich bei einer Vorlesung in der Universität kennen und es dauert nicht lange, bis sie sich zueinander hingezogen fühlen. Beide streben an Psychiater zu werden - er, weil schreckliche Behandlungen seinen Bruder das Leben kosteten, sie, weil bereits ihr Vater Psychiater ist. Während Richard nach dem Studium tatsächlich eine Stelle als Psychiater bekommt, arbeitet Paula im Kinderkrankenhaus. Bereits vor dem 2. Weltkrieg werden Stimmen laut, dass sogenannte Irre und Behinderte kein lebenswertes Leben hätten und man ihnen den Gnadentod gewähren sollte. Während des Krieges verschärft sich diese Situation und als Richard erfährt, dass seine ehemaligen Patienten umgebracht wurden, nachdem er die Meldebögen ordnungsgemäß ausfüllte, erstellt er fortan falsche Gutachten um weitere Menschen vor der grausamen Euthansie zu bewahren. Leider geht das nicht lange gut…


    Charaktere:

    In diesem Roman stehen Richard und Paula im Mittelpunkt. Von Anfang an sind sie Sympathieträger. Während sie sich vor dem Krieg gegen die üblichen Anfeindungen wegen Herkunft und Geschlecht behaupten müssen, wird es nach der Machtergreifung der Nazis zusehends gefährlicher eine menschenfreundliche Einstellung zu haben. Besonders schlimm wird es für die beiden, als ihr Sohn Georg taub zur Welt kommt und somit ebenfalls zum Ziel des verbrecherischen Systems wird. Der Leser leidet, hofft und bangt mit der Familie. Als Richard mit seinen falschen Gutachten auffliegt, kann er zwar mithilfe seines besten Freundes Fritz das Schlimmste vermeiden, an die Front wird er dennoch eingezogen. Und nun ist es an Paula die Familie - und ganz besonders Georg - zu beschützen. Melanie Metzenthin zeigt am Beispiel dieser Familie beeindruckend, wie grausam dieser Krieg wirklich war, was es bedeutete in den Bombennächten von Hamburg alles zu verlieren, sich Verbrechern in Arztkitteln gegenüber zu sehen, hilflos zu sein, weil man kaum Rechte hatte und wie wichtig es war, eine gute Familie und Freunde zu haben, auf die man sich verlassen kann.


    Einer dieser Freunde ist Fritz Ellerweg. Selbst an die Front eingezogen schafft er es, seinen besten Freund zu sich ins Nordafrikakorps zu holen und ihn damit vor einem Einsatz an der Ostfront zu bewahren. Richard und Fritz sind beste Freunde und das spürt man beim lesen sehr deutlich. Obwohl es ihnen selbst nicht gut geht in diesen furchtbaren Zeiten sind sie für den anderen da. Vor dem Krieg lernt der Leser beide Männer als humorvolle, kluge Familienmenschen kennen, denen niemand etwas schlechtes wünscht. Vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb beide Schicksale sich so ungerecht anfühlen.


    Demgegenüber stellt die Autorin genauso authentisch ihre Antagonisten dar. So hat es Richard mit einem gewissen Dr. Krüger zu tun, der auch Richards Sohn umbringen lassen will. Durch das System des 3. Reiches unterstützt fällt es Krüger ausgesprochen leicht, einerseits Richard auffliegen zu lassen und ihm andererseits das Leben in Bezug auf Georg besonders schwer zu machen. Auch hier ist es wieder diesen leisen Helden zu verdanken, dass Georg diesem Schicksal entgehen kann. Dr. Krüger war für mich von Anfang an der Unsympath überhaupt, ein Monster. Bereits vor dem Krieg war er ein Widerling mit dem man besser nichts zu tun haben wollte.


    Das Besondere an den Charakteren der Autorin ist, dass sie oftmals einen oder mehrere ganz reale, historische Paten haben. Das macht sie aus meiner Sicht besonders authentisch und die Geschichte besonders schockierend. Es fällt dem Leser nicht schwer gut und böse zu unterscheiden und selbst wenn wir die Geschichte des 2. Weltkrieges schon in- und auswendig kennen, so sind es diese ganz persönlichen Schicksale ihrer Figuren, die dem Leser die gesamte Grausamkeit dieser Zeit entgegenschleudern.


    Schreibstil:

    Wie immer schreibt Melanie Metzenthin überaus anschaulich und lebendig. Die Seiten fliegen einfach dahin und man taucht in die Geschichte ein. Anfangs führt sie ihre Figuren in einer schönen, vor allem ruhigen Zeit ein und beinahe schleichend beginnen sich die Schicksale vor ihnen aufzutürmen. Das faszinierende ist, dass man sich irgendwann selbst ertappt, dass man diesen schleichenden Prozess gar nicht bemerkt. Man schüttelt hier und da ungläubig den Kopf, lässt sich aber von der Geschichte weiter tragen. Wenn man aber nach ein paar Kapiteln zurück denkt, stellt man fest, dass da ja doch so einige Andeutungen waren. Es gelingt der Autorin dem Leser zu demonstrieren, wie es wohl gewesen sein muss; warum die Menschen nicht daran glaubten, dass Hitler gefährlich sein könnte.


    Auch ihrem Hamburg misst die Autorin viel Aufmerksamkeit bei. Dabei bleibt sie aber dezent genug um nicht aufdringlich zu sein, ist aber detailreich genug um dem Leser die Schönheit dieser Stadt zu zeigen - und später leider auch die furchtbare Ruinenwelt. Immer wieder fängt sie mich mit den Beschreibungen des alten Hamburg ein - vor allem deshalb, weil ich weiß, dass sie sehr akribisch bei ihren Recherchen dazu ist.


    Ein ebenfalls nicht unwesentlicher Punkt ist der, dass Liebesgeschichten bei Melanie Metzenthin nicht kitschig sind. Ja, die Protagonisten lieben sich, das tun sie auch innig und überwältigend, aber niemals steht Gefühlsduselei im Vordergrund. Es sind ihre Taten füreinander, die diese Liebe auszeichnen.


    Historische Hintergründe:

    In einem sehr interessanten und recht ausführlichen Nachwort erklärt die Autorin viele Hintergründe ganz sachlich. Es lohnt sich unbedingt auch dieses zu lesen, denn nicht zuletzt erklärt sie hier, welche historische Person für welche fiktive Figur Pate gestanden hat.


    Die historischen Fakten sind recherchierbar. Man könnte nun sagen… ja, der 2. Weltkrieg wurde schon so oft thematisiert. Ja, wurde er. Aber Melanie Metzenthin tun das auf eine ganz besondere Art und Weise. Würde so Geschichtsunterricht gemacht, es blieben keine Fragen offen…


    Fazit:

    Ein weiterer großartiger Roman aus der Feder von Melanie Metzenthin. Nicht nur Hamburgliebhaber, denen die Geschichte dieser Stadt am Herzen liegt, sind hier richtig. Diese Geschicht bewegt! Sie kann niemanden kalt lassen. Großartig geschrieben, brillant recherchiert, aber keineswegs etwas für schwache Nerven! 5 von 5 Sternen.

  • Richard und Paula sind wirklich tolle Menschen, die bereit sind, nicht nur für ihre eigene Familie alles zu geben, sondern auch für völlig Fremde Menschen, die auf ihre Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Versucht Richard noch, alle zu retten, so muss er leider schnell erkennen, dass dies nicht möglich ist. Was für eine schwierige Entscheidung, vor der Paula mit diesem Wissen im späteren Verlauf der Geschichte steht. Man muss einige Menschen opfern, um andere retten zu können. Ich habe keine Ahnung, wie man diese Entscheidung treffen kann. Es ist unglaublich.


    Melanie Metzenthin hat eine spannende, sehr starke Geschichte geschaffen, die mit sympathischen Protagonisten und einer interessanten Grundstory punktet. Der Schreibstil der Autorin ist unaufgeregt, aber hat mich sofort in den Bann der Geschichte gezogen. Sie schafft es, einfach durch Tatsachen ein sehr berührendes und bedrückendes Szenario zu entwerfen. Dafür muss sie keine Gräueltaten direkt schildern, es reicht, was wir durch Richard und die ihm Verbündeten davon erfahren, um das Grauen im Kopf Wirklichkeit werden zu lassen.


    Es ist unglaublich, was in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts passiert ist und wie die Menschen mitgemacht haben. Gut, so unglaublich ist es nicht. Melanie Metzenthin schildert nämlich sehr authentisch, wie die Nationalsozialisten die Macht ergreifen. Das Volk ist mit der Regierung unzufrieden und nach und nach setzen sich die Nationalsozialisten durch. Zunächst glaubt die normale Bevölkerung nicht, dass Hitler wirklich an die Macht gelangt bzw. dass das so schlecht wäre.


    Als die Menschen begreifen, was der Nationalsozialismus bedeutet ist es zu spät. Die Nazis sind an der Macht und die neuen Gesetze werden ein- und ausgeführt. Ich gehöre nicht zu denen, die sicher sind, dass so etwas nie wieder passieren wird. Letzten Endes glaube ich, dass, wenn es hart auf hart kommt, viele von uns erstmal alles versuchen würden, um ihre eigene Familie zu beschützen. Blut ist vermutlich doch dicker, als Wasser.


    Melanie Metzenthin berichtet hier über eine Familie, die Beides schafft. Paula hat sehr viel damit zu tun, ihren tauben Sohn Georg vor dem System zu schützen. Als behinderter Mensch wird er als weniger wert angesehen, als gesunde Menschen und fällt unter die neu geschaffene Verordnung, die es dem System ermöglicht, ihn der Zwangssterilisation zuzuführen. Kann man sich nicht vorstellen, dass so etwas möglich ist. Paula muss, gemeinsam mit ihren Kindern, all ihre Kraft aufwenden, um Georg zu schützen. Trotzdem setzt sie sich ebenso für ihre Patienten ein und versucht auch in der Psychiatrie möglichst viele von ihnen zu retten.


    Auch Fritz bekommt, als bester Freund der Familie seine Momente, in denen wir ihn schon erleben dürfen. Um ihn geht es dann aber im zweiten Band, “Die Stimmlosen” noch deutlich stärker.


    Irgendwie ein bisschen unwirklich erscheint es, wie die Menschen trotz des verheerenden Krieges versuchen ein normales Leben aufrecht zu halten. Erstaunlich ist es, dass Richard und Fritz es schaffen Freundschaften über Grenzen weg nicht nur zu bewahren, sondern sogar neue Bande zu knüpfen. Mitten in den Wirren des Krieges. Dies spricht absolut für die beiden sympathischen Männer. Melanie Metzenthin schildert die Angriffe auf Hamburg, die verheerenden Bomben, die auch Frauen und Kinder nicht verschonen. In diesen Zeiten sein Leben weiter zu leben ist unglaublich schwierig gewesen. Richard muss an die Front und Paula hält, wie so viele Frauen zu dieser Zeit, die Geschicke zuhause am laufen.

    Übrigens, ob ihr es glaubt, oder nicht. Ich hatte mir das Buch als ebook gekauft und jetzt habe ich es mir auch als Taschenbuch geholt. Die Trilogie muss bei mir im Regal stehen. Das mache ich tatsächlich nur sehr selten.


    Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung für die gesamte Trilogie. Sie ist einfach nur sehr spannend, berührend und hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)