Jürgen Albers - Crossroads

  • Hervorragend recherchierter historischer Krimi
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    Jürgen Albers legt mit "Crossroads" einen beachtlichen Debütroman vor und zeigt damit, ganz nebenher, dass ein in Eigenregie veröffentlichtes Buch sich qualitativ nicht unbedingt hinter seinen in großen Publikumsverlagen erschienenen Brüdern verstecken muss. Das fängt schon beim Cover an, das sehr professionell und ansprechend gestaltet ist, kann aber auch inhaltlich mit diesem guten ersten Eindruck mithalten – obwohl sich der Autor mit einem historischen Kriminalroman ein anspruchsvolles Genre für seinen Erstling ausgesucht hat!


    Die Handlung beginnt im Juni 1940, Schauplatz sind die britischen Inseln im Ärmelkanal. Die politische Lage ist hochbrisant: die Deutschen stehen quasi schon vor der Tür, die Inseln sollen jedoch aus taktischen Erwägungen nicht militärisch verteidigt werden. Ein großer Teil der Einwohner wurde bereits evakuiert, der Rest wartet (mehr oder weniger ergeben) auf das Unvermeidliche.


    Vor diesem Hintergrund ermittelt Chief Inspector Norcott, erst kürzlich auf die Kanalinseln versetzt, im Mord an einer jungen Frau auf der Insel Guernsey, wobei er mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die der außergewöhnlichen historischen Situation zu schulden sind.


    Und diese Situation ist großartig recherchiert! Die dichte Atmosphäre lässt den Leser mühelos eintauchen in Ort und Zeit, ohne ihn mit trockenen historischen Fakten zu erschlagen – denn diese Fakten werden unterhaltsam und lebendig in die Geschichte eingebaut. Da passt jedes Detail, alles ist in sich stimmig und atmet Authentizität. Das Glossar am Ende des Buches ist ein zusätzlicher Bonus für den Interessierten.
    Natürlich kann der Kriminalfall unter den Umständen nicht so einfach aufgeklärt werden, denn zum einen wird die Kommunikation mit dem Festland immer schwieriger und viele Ressourcen stehen schlicht nicht zur Verfügung, und zum anderen ist Chief Inspector Norcott verantwortlich dafür, dass im Ernstfall die Übergabe der Insel an die Deutschen friedlich und geordnet vonstatten geht, und daher zeitlich und nervlich extrem ausgelastet. Trotzdem ist er entschlossen, den Mörder zu finden.


    Im Krieg, wenn Todesfälle zur traurigen Normalität werden, könnte man meinen, dass der Mord an einer einzelnen Frau (beziehungsweise später an zwei Frauen) gar nicht mehr ins Gewicht fällt, aber Norcott verliert den Wert jeden Lebens niemals aus den Augen, was ihn mir direkt sehr sympathisch machte.


    Obwohl die Aufklärung notgedrungen relativ langsam vorangeht, wurde mir das Buch dennoch nie langweilig; ganz abgesehen von den Morden mangelt es diesem kleinen Einblick in die Geschichte definitiv nicht an Spannungspotential – vor allem, da man als Leser schnell realisiert, was sich da alles hinter den Kulissen abspielt! Interessant fand ich besonders, dass sich hier letztlich Ermittler aus verfeindeten Ländern zusammentun müssen, und erfreulich, dass der Autor bei deren Charakterisierung auf Klischees verzichtet. Überhaupt werden alle Figuren sehr gut und glaubhaft beschrieben, mit wunderbarer Komplexität und Lebendigkeit.


    Schade fand ich, dass Norcott sich zunächst sehr auf einen Verdächtigen versteift und sogar dann nicht davon ablässt, als ein Beweismittel auf die Täterschaft oder zumindest Beteiligung einer anderen Person hindeutet. Später gerät dann überraschend eine dritte Person jäh ins unerbittliche Fadenkreuz seiner Ermittlung, was ich ebenfalls nicht so recht nachvollziehen konnte. Davon abgesehen ist Norcott aber ein fähiger Ermittler, der auch in schwierigen Zeiten Mittel und Wege findet, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Über eine Sache hätte ich am Schluss allerdings gerne deutlich mehr erfahren!


    Dem Schreibstil gelingt der Spagat, einerseits den modernen Leser anzusprechen und abzuholen, sich aber andererseits nicht wie ein Fremdkörper von der beschriebenen historischen Epoche abzuheben.


    Fazit:
    "Crossroads" ist ein historischer Kriminalroman, der im Jahr 1940 auf den Kanalinseln angesiedelt ist, kurz vor und nach deren Übernahme durch die Deutschen. Chief Inspector Norcott fällt nicht nur die Aufgabe zu, für eine möglichst reibungslose, gewaltfreie Übergabe zu sorgen, sondern auch die Ermittlung in zunächst einem, später zwei Mordfällen an jungen Frauen.


    Das Buch überzeugte mich vor allem mit der bis ins kleinste Detail recherchierten Darstellung der Schauplätze und historischen Begebenheiten, die dabei sowohl atmosphärisch stimmig als auch unterhaltsam beschrieben werden. Die verschiedenen Personen konnten ebenfalls mit lebendiger und glaubhafter Charakterisierung punkten, und der Kriminalfall ist meines Erachtens gut konstruiert, mit mehr als einer unerwarteten Wendung.


    Interesse an Geschichte sollte man schon mitbringen, da viel der Spannung sich eher aus der politischen Situation ergibt! Ist dieses Interesse jedoch gegeben, ist "Crossroads" in meinen Augen ein vielversprechender Auftakt für die geplante Serie rund um Chief Inspector Norcott.

  • Juni 1940: Der Frühsommer erstrahlt über der britischen Kanalinsel Guernsey. Für den erfahrenen Londoner Inspektor Charles Norcott scheinen die beschaulichen Inseln im Ärmelkanal keine Herausforderung bereit zu halten. Doch das freundliche Sonnenlicht ist trügerisch und beleuchtet die Leiche einer jungen Frau. Kaum haben die Ermittlungen begonnen, als sich bereits neues Unglück zusammenbraut. Die deutsche Wehrmacht hat Frankreich überrannt und besetzt nun auch die britischen Kanalinseln in einem Handstreich. Nach einem zweiten Mord überschlagen sich die Ereignisse. Auf einer kleinen Insel, abgeschnitten und besetzt vom Feind, muss Norcott erkennen, dass er es mit mehr als einem Gegner zu tun hat. Grenzen verwischen sich und die Welt scheint voller Masken. Auch im hellen Sonnenschein bleibt die entscheidende Frage: Hinter welcher Maske steckt ein Freund, hinter welcher der Gegner?...(Klappentext)


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    Detective Chief Inspector Charles Norcott wurde aufgrund seiner verbissenen und ruppigen Art, die selbst vor dem Buckingham Palace nicht halt machte und welche für Scotland Yard nicht mehr tragbar war, auf die britischen Kanalinseln versetzt. Um nach dem Tod seiner Frau wieder zu sich zu finden - sagten sie.
    Doch auf den Inseln ist es nicht so ruhig wie gedacht, denn bald wird auf Guernsey eine Frau erdrosselt aufgefunden.
    Doch die Ermittlungen erweisen sich schwieriger als gedacht. Grund ist die Besetzung der Deutschen eine Woche nach dem Mord. Dadurch werden die Inseln vom Rest des britischen Königreiches isoliert, neue Gesetzgebungen und Anordnungen werden bestimmt und zudem eine Ausgangssperre verhängt.
    Doch dann erhält Norcott von ganz unerwarteter Seite Hilfe und ihm wird klar, dass es noch viel mehr aufzudecken gibt als nur diesen einen Mord. Denn auf der Insel ist eine ganz andere Suppe sehr heiß am kochen.


    Der Kriminalroman spielt im Jahre 1940 zur Zeit des 2. Weltkrieges und der Autor schafft es diese Zeit lebendig zu machen. Angefangen bei der sich nähernden Bedrohung durch die Deutschen, aufgrund ständiger Aufklärer in der Luft, bis hin zur Veränderung der gesamten Lebensumstände durch die anschließende Besetzung. Man merkt, hier wurde astrein recherchiert - politisch, historisch, wie auch zu manchen Personen in diesem Roman.
    Dieses Setting ist äußerst realistisch (sofern ich das beurteilen kann) aufgebaut und hat dadurch seine ganz eigene Dynamik.


    Zudem konnten mich die fein gezeichneten und ausgefeilten Charaktere begeistern. Selbst die Nebencharaktere bekommen hier ein Gesicht und ihre Eigenheiten und die Dialogführung machte sie richtiggehend lebendig.
    Dabei bedient sich der Autor keineswegs an Klischees. Die Deutschen sind nicht alle böse und nicht jeder Engländer/Ire gehört zu den Guten.
    Hier herrscht keine stumpfe Schwarz-Weiß-Malerei, sondern eine realistische Zeichnung in allen Grauschattierungen.


    Der Kriminalroman selbst kommt ohne Gewalt und Blutherumgespritze aus, verläuft eher ruhig und weist an den richtigen Stellen Spannungsspitzen auf bis er gegen Ende an Fahrt zunimmt und zu einem schlüssigen Ende führt.
    Zugegeben, daran hatte ich manchmal meine Zweifel, da es im Laufe des Romans zu immer mehr Handlungssträngen und Perspektivwechsel kommt und ich mir nicht vorstellen konnte, wie das Alles unter einen Hut passen soll. Doch auch hier konnte mich der Autor von sich überzeugen.
    Das einzige Manko waren die wenigen Längen die dieser Krimi in der Mitte aufweist und durch die man, wie die Ermittler im Krimi selbst auch, das Gefühl hatte auf der Stelle zu treten.


    Fazit:
    Ein gelungener Auftakt einer historischen Krimireihe, dem man keineswegs anmerkt ein Debüt zu sein.
    Ich bin begeistert vom realistisch gezeichneten Setting, sowie auch der gut und fein ausgearbeiteten Charaktere, und der ruhige aber dennoch spannende Plot rundet das Ganze ab.
    Bis auf paar wenigen Längen war dieser Kriminalroman ein tolles Leseerlebnis.
    Von mir gibt es daher eine absolute Leseempfehlung und ich freue mich schon auf die Fortsetzung von Detective Chief Inspector Charles Norcott! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf nehmen zu können. (Zsa Zsa Gabor)
    :twisted:

  • Krimis, die auf den britischen Inseln spielen ziehen mich immer magisch an. So auch geschehen mit diesem Krimi, der auf der britischen Kanalinsel Guernsey spielt.


    Klappentext:


    Juni 1940: Der Frühsommer erstrahlt über der britischen Kanalinsel Guernsey. Für den erfahrenen Londoner Inspektor Charles Norcott scheinen die beschaulichen Inseln im Ärmelkanal keine Herausforderung bereit zu halten. Doch das freundliche Sonnenlicht ist trügerisch und beleuchtet die Leiche einer jungen Frau. Kaum haben die Ermittlungen begonnen, als sich bereits neues Unglück zusammenbraut. Die deutsche Wehrmacht hat Frankreich überrannt und besetzt nun auch die britischen Kanalinseln in einem Handstreich. Nach einem zweiten Mord überschlagen sich die Ereignisse. Auf einer kleinen Insel, abgeschnitten und besetzt vom Feind, muss Norcott erkennen, dass er es mit mehr als einem Gegner zu tun hat. Grenzen verwischen sich und die Welt scheint voller Masken. Auch im hellen Sonnenschein bleibt die entscheidende Frage: Hinter welcher Maske steckt ein Freund, hinter welcher der Gegner?


    Autoreninfo:


    Jürgen Albers erkundete bereits als Jugendlicher die britischen Inseln. Die Heimat seines britischen Großvaters kennenzulernen war ein starker Antrieb, sich mit den Menschen und der Geschichte zu beschäftigen. Sein beruflicher Start als Luftwaffenoffizier bescherte dem Autor mehr als ein Jahrzehnt Wanderleben, u.a. mit Stationierungen in Italien und den U.S.A. Nach einigen Jahren als Personalleiter arbeitet Albers heute als Hochschuldozent. Die Liebe zu den britischen Inseln ist geblieben und so werden auch die nächsten Romane dort spielen.


    Erster Satz:


    Er drehte langsam sein Handgelenk, bis er einen unauffälligen Blick auf das Ziffernblatt seiner Uhr werfen konnte.


    Meinung:


    Ein Krimi, der auf den britischen Inseln spielt, hat bei mir schon immer ein Stein im Brett. Wenn dann auch noch die Zeit des 2. Weltkriegs hinzu kommt liegt das Buch schneller bei mir im Regal als man schauen kann. Nun ja in diesem Fall eher auf dem Reader, aber sei es drum. Hauptsache, das Buch ist bei mir eingezogen.


    Guernsey, zugegeben schon einmal gehört, und auch auf der Landkarte gefunden, aber nie weiter in Betracht gezogen, sei es als Handlungsort für einen Roman bzw. Krimi oder als Urlaubsziel. Jürgen Albers, der Erschaffer von Inspector Norcott, hat dies geändert. Er beschreibt die Insel so eindrücklich in all ihren Facetten und Schönheit, dass ich direkt Reiselust bekam.


    Trotz der Schrecken des Krieges und der Invasion der deutschen Wehrmacht ist die Insel malerisch. Kleine gemütliche Häuser, eine typische Inselbevölkerung, die sich vom Festland abhebt und mit der Bedrohung lebt. Denn die deutsche Armee ist schon bis an die französische Küste vorgedrungen und die Insel wird sicherlich auch nicht mehr lange standhalten. Soweit zum Setting, das Albers gewählt hat, und just in dieser Zeit geschieht ein Mord. Eine junge Frau wird erdrosselt und Inspector Norcott, vom Scotland Yard, auf die Nachbarinsel versetzt, muss die Ermittlung in Guernsey übernehmen.


    Norcott ist ein eigenartiger Charakter, auf der einen Seite ruppig in manchen Momenten, dann aber auch wieder sehr ruhig und gewissenhaft bis hin zu zurückhaltend. Ein wundervoller Charakter, den man so schnell nicht einordnen kann und sich im Laufe der 616 Seiten sich weiter entwickelt. Jürgen Albers gelingt es nicht nur Norcott glänzend darzustellen, sondern auch die vielen Nebencharaktere. Nach gut hundert Seiten war ich so in die Story versunken, dass ich alle Charaktere liebgewonnen habe. Sei es Norcotts Kollegen, der Bürgermeister oder auch die Besatzer.
    Ja, auch die Besatzer, denn im Laufe des Falles wird die Insel besetzt. Albers schafft es dabei, bei aller historischen Genauigkeit, dass er nicht in Schwarz-Weiß-Malerei abdriftet Denn auf beiden Seiten gibt es Gutes als auch Böses. Wer damit rechnet, dass er auf böse deutsche Besatzer und arme unterdrückte Kanalinseln-Bewohner bei ihm trifft den muss ich enttäuschen. Weder beschönigt Albers etwas noch stellt er es drastischer dar.

    Gerade dies hat mir sehr gut gefallen. Er schafft es nicht nur die Spannung im Kriminalroman aufrecht zu erhalten, ihm gelingt es auch die sich änderden Lebensumstände durch die Besatzung deutlich rüber zu bringen. Auch die Probleme, die Norcott erwarten als ein weiterer Mord geschieht, sind treffend erläutert.


    Gespannt war ich vor allen Dingen, wie er die vielen unterschiedlichen Handlungsstränge, die er nach und nach eingeflochten hat, am Ende zusammen bringt. Verzettelt er sich da? Ist da irgendetwas nachher nicht eindeutig? Beide Fragen muss ich eindeutig verneinen. So oft ich auch in den Handlungssträngen springen musste, um alles zu verfolgen, so gekonnt finde ich die Umsetzung. Auch wenn es zwischenzeitlich ruhig wird im Krimi und ich, wie Inspector Norcott glauben musste, dass es nicht weiter geht und wir auf der Stelle treten, hat sich am Interesse und an Spannung nichts verloren.


    Ohne weiteres ist es Jürgen Albers gelungen, mich nach Guernsey der vierziger Jahre zu entführen. Durch die bildgewaltige Sprache hatte ich immer das Gefühl entweder an der Kaimauer des Hafens zu stehen, im Pub dabei zu sein oder auch auf der Obstplantage. Gerade jetzt bei dem Tippen der Besprechung habe ich wieder die Bilder vor Augen, mein Kopfkino kann sehr prägnant sein, und ich bin wieder zurückversetzt in das Lesegefühl im Januar. Ich rieche wieder das Meer, spüre die Aufregung des Bewohner, schmecke den schalen Tee im Polizeirevier und spüre den Wind in meinen Haaren als ich über die Felder streife.


    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung “Erased“, die laut Jürgen Albers in diesem Jahr erscheinen wird. Dieses Mal ist das Setting, die altehrwürdige Universitätsstadt Oxford.


    Fazit


    Ein packender historischer Kriminalroman vor einem eindrucksvollen Setting auf den Kanalinseln. Für Leser von historischen Kriminalromanen mit britischen Charme sehr geeignet.


    Bewertung:


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    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)