W. G. Sebald - "Auf ungeheuer dünnem Eis" – Gespräche 1971 bis 2001

  • Autor: W. G. Sebald
    Titel: „Auf ungeheuer dünnem Eis“ – Gespräche 1971 bis 2001
    Seiten: 288, 20 Gespräche plus Nachwort, Zeittafel und Textnachweis
    Verlag: Fischer Taschenbuch
    ISBN: 9783596194155


    Der Autor:
    W. G. Sebald, geboren am 18. Mai 1944 in Wertach im Allgäu, und am 14. Dezember 2001 in Norfolk (England) bei einem Autounfall ums Leben gekommen, war ein deutscher Schriftsteller und Literaturwissenschaftler. W. G. steht für Winfried Georg, zwei Vornamen, die ihm nie passten, und daher von Freunden „Max“ gerufen wurde. (Georg hieß bereits sein Vater, und er wollte Verwechslungen vermeiden, Winfried sei einer dieser wagnerischen, germanischen Namen, die man im Dritten Reich bekam). Mit 21 Jahren wanderte er nach England aus, wo er, mit Ausnahme eines Jahres in St. Gallen, blieb und als Professor für Neuere Deutsche Literatur in Norfolk lehrte. Erst spät, als Mittvierziger, begann Sebald mit seinen eigenen literarischen Texten. Als sein Meisterwerk gilt „Austerlitz“, in dem die Suche eines Sechzigjährigen nach seiner Herkunft geschildert wird.


    Inhalt (Klappentext):
    Dieser Band fasst zwanzig Gespräche mit W. G. Sebald – die frühesten aus den 70er Jahren, die jüngsten aus dem Jahr seines Todes – zu einer ebenso informativen wie poetischen Bestandsaufnahme zusammen. Viele dieser mit wechselnden Interviewpartnern geführten Gespräche werden hier zum ersten Mal gedruckt. Sebald spricht darin über seine Bücher und grossen Themen, aber auch über sein ungeschrieben gebliebenes Werk. In ihnen wird nicht nur über Literatur gesprochen, sondern zugleich weitererzählt.


    Meinung:
    Bislang habe ich nur die Erzählungen „Die Ausgewanderten“ von W.G. Sebald gelesen, aber der Erzählstil mit den eingebetteten Fotografien, das Halbdokumentarische, die Melancholie und seine Wortwahl haben mich neugierig gemacht. Eher durch Zufall fiel mir dann diese Textsammlung in die Hände, in der ausgewählte Interviews aus TV, Radio und Zeitungen chronologisch zusammengetragen wurden. Die ersten drei Gespräche als Literaturkritiker finde ich wenig interessant (hauptsächlich auch, weil mir die besprochenen Werke und Künstler (Carl Sternheim, über den Sebald 1968 seine Magisterarbeit schrieb, Reiner Kunze, und Karl Kraus) unbekannt sind), aber sobald es um seine Texte geht, wird es spannend. Auch wenn sich viele Fragen und Antworten in den übrigen 17 Interviews wiederholen, so erfährt man eine Menge über Sebald, seine Recherchearbeiten, seine Meinung zur Nachkriegsliteratur, zu Schriftstellerkollegen, und so weiter.
    Wie arbeitet Sebald, woher bekommt er seine Ideen, was bezweckt er mit seinen Fotos im Text, weshalb klingen seine Formulierungen „altdeutsch“ und schwermütig, sodass Zuhörer bei Lesungen überrascht sind, keinen Suizidgefährdeten auf dem Podium zu entdecken?
    Im Textnachweis wird angegeben, wann das Gespräch erfolgte, und wann es das erste Mal ausgestrahlt beziehungsweise gedruckt wurde. Persönlich gefielen mir die längeren, transkribierten Gespräche zu einem bestimmten Buch besser, die Sebald im Deutschlandfunk oder im Schweizer Fernsehen gegeben hat (im Gegensatz zu den meist 2-3 Seiten langen Zeitungsinterviews, wo weniger Rückfragen möglich waren und die Diskussion wohl schon mehrmals redigiert wurde und weniger „lebendig“ erscheint)
    So ist bspw die gut 20 Seiten umfassende Diskussion zu „Schwindel. Gefühle“ aus der Sendung „Beste Bücher“ vom Mai 1990 interessant, in der Sebald über Fiktion und Realität und der Natur des Zufalls berichtet. Auf jeden Fall empfehlenswert, wenn man das Buch gelesen hat, hier nachzuschauen, wie die Reiseerzählungen entstanden.
    Diese Gesprächssammlung ist empfehlenswert für Jene, die bereits einen oder mehrere Romane W. G. Sebalds gelesen haben, und am Schriftsteller und seiner Weltanschauung interessiert sind.
    Spoiler muss man keine befürchten; im Gegenteil – ich wurde auf seine weiteren Werke neugierig.