Original : Dojczland (Polnisch, 2007)
INHALT :
Der Erzähler des Bestsellers »Dojczland«, ein literarischer Gastarbeiter auf Lesereise kreuz und quer durch die Bundesrepublik, verbirgt nicht, daß er lieber auf dem Bukarester Gara de Nord als am Stuttgarter Hauptbahnhof angekommen wäre. Warum fühlt er sich so unbehaglich? Warum wird er die Ängste nicht los? Und warum rührt ihn der deutsche Papst, der in Auschwitz niederkniet?
Nach Deutschland fahren, das ist Psychoanalyse! So selbstironisch spielt Stasiuk mit Ängsten, Vorurteilen und Klischees, den eigenen, den fremden, daß ihn ein polnisches Skandalmagazin als bezahlten Einflußagenten Berlins anprangerte. (Klappentext: Suhrkamp)
BEMERKUNGEN :
Im Laufe der Jahre kommt auf seinen Lesereisen ganz schön was zusammen an verfahrenen Kilometern in Deutschlands Zügen, an verbrachten Stunden auf den Bahnhöfen, auf Hotelzimmern (meist mit einem John Beam zur Seite…). Stasiuk beoabochtet, doch systematisch wirkt das nicht : im Plauderton springt er oft auf einer Seite von dieser zu jener Station, reiht kleine Bruchstücke zusammen, die auf manchen Leser beliebig, zusammengewürfelt und sogar ärgerlich wirken können. Denn er schreibt « voller Vorurteile », versteht diesen und jenen Aspekt unseres Landes oder unseres Charakters wohl nicht so, wie wir ihn gerne verstanden wüssten. Das kann unsere Nase sich rümpfen lassen, und einen inneren Protest auslösen, wenn man dazu geneigt ist. Oder aber ein hämisches Einstimmen, wenn man sich eh nicht daheim fühlt bei uns.
Aber : wie weit nimmt sich Stasiuk ernst ? Wie weit führt er uns an der Nase rum und gefällt sich hier in diesem lakonischen Plauderton und einer gewissen Form des Spotts ? Nehmen wir das Buch als eine Form der Satire werden wir es leicht anders einordnen ! Und bei genauerem Hinsehen einfach feststellen, dass auch heute noch ein « Graben » oder ein unterschiedliches Lebensgefühl in Ost und West herrscht. Geht es allein um Deutschland, seine Ordnung, seine Meisterung der Formen, manch Abwesenheit von « Schmutz » und Selbstironie ? Geht es nicht auch um die Fragwürdigkeit unserer Selbstverständlichkeiten ? In dem Sinne könnte, kann man das Buch als eine kleine Analyse des Deutschseins verstehen, gesehen aus der Sichtweise eines Polen. Gleichzeitig zeigt es im Gegenzug auf, wo bei Stasiuk (und mit ihm so vielen slawischen Seelen) Beheimatung liegt : In der Abwesenheit der festen Form, einer Art zugelassenem Chaos und überquellendem Leben, einer gewissen Einfachheit.
In dieser Gegenüberstellung lernen wir vielleicht auch etwas vom Fremdheitsgeühl so mancher Osteuropäer bei uns. Als ob sich Stasiuk manchmal augenreibend fragt : Wo bin ich hier denn gelandet ?
Vielleicht nicht für jeden Leser, aber doch : interessant und vielleicht etwas aufdeckend ! Und das Schmunzeln sollten wir dabei nicht vergessen ?!
AUTOR :
Andrzej Stasiuk, der in Polen als wichtigster jüngerer Gegenwartsautor gilt, wurde 1960 in Warschau geboren, debütierte 1992 mit dem Erzählband "Mury Hebronu" (Die Mauer von Hebron), in dem er über seine Gewalterfahrung im Gefängnis schreibt, denn1980 wurde er zur Armee eingezogen, desertierte nach neun Monaten und verbüßte seine Strafe in Militär- und Zivilgefängnissen. 1986 zog er nach Czarne, ein Bergdorf in den Beskiden. Stasiuk schreibt seit Jahren Kritiken und Essays für die größten polnischen Tageszeitungen Gazeta Wyborcza und Rzeczpospolita, aber auch für den L'espresso und die deutschen Blätter Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er gründete den Verlag Czarne. (Quelle und mehr Infos: http://de.wikipedia.org/wiki/Stasiuk )
Dies ist EINE von mehreren schon erschienen Ausgaben :
Taschenbuch: 92 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 4 (18. August 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3518125664
ISBN-13: 978-3518125663