Eka Kurniawan - Schönheit ist eine Wunde / Cantik Itu Luka

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    Einundzwanzig Jahre nach ihrem Tod erhebt sich Dewi Ayu aus ihrem Grab. Die einstmals beliebteste Prostituierte Halimundas findet, es sei an der Zeit, ihre jüngste Tochter kennenzulernen. Wieder in der Welt der Lebenden muss sie feststellen, dass ihre Töchter grausame Schicksale erdulden müssen. Alle, bis auf die jüngste – denn die ist mit unsagbarer Hässlichkeit gesegnet. Dewi Ayu begibt sich auf die Suche nach der Ursache für den Fluch, der auf ihrer Familie lastet. Eine Suche, die im zweiten Weltkrieg beginnt, über einen despotischen Herrscher führt und dem Aufstreben einer jungen Nation beiwohnt. Zwischen fliegenden Frauen, rachsüchtigen Geistern und besessenen Totengräbern spinnt sich ein Netz der Wahrheit, das die Geschichte einer Familie und eines ganzen Landes einfängt.


    Über den Autoren/amazon.de:


    Eka Kurniawan wurde 1975 in der Nähe von Tasikmalaya in Westjava, Indonesien, geboren. Er studierte Philosophie an der Gadjah Mada Universität in Yogyakarta. Sein Studium schloss er mit einer Arbeit über Pramoedya Ananta Toer und den sozialistischen Realismus ab. Neben Romanen und Kurzgeschichten schreibt er Drehbücher und Essays, zudem bloggt er, zeichnet Comics und beschäftigt sich mit Grafik-Design. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Für seinen Roman Tigermann wurde er 2016 für den Man Booker International Prize nominiert.


    Eigene Beurteilung:


    Es beginnt in der Kolonialzeit, als die Niederländer in Indonesien sitzen. Eine der Familien, die dort mit ihren eingeborenen Angestellten lebt ist die Familie Stammler. Diese hat es ganz gut fern der holländischen Heimat und entwickelt schnell all die Gewohnheiten und Ansichten über die eigentli-che Bevölkerung des Lands, die sich in solchen Familien zu entwickeln scheinen. Wie zum Beispiel, dass sie den Tieren in vielerlei Hinsicht näher sind, als den „richtigen“ Menschen, wie ihnen selbst. Das hält aber in der Regel die männlichen Kolonisatoren nicht davon ab, sexuellen Kontakt mit den Indonesierinnen zu suchen, sei es in Bordellen, als Mätressen oder als sexuelle missbrauchte Ange-stellte. Und hin und wieder hatten solche Kontakte auch greifbare Ergebnisse.


    Eines dieser Ergebnisse ist Dewi Ayu, die im Hause der Stammler als Tochter angenommen wird – sehr zum Leidwesen der Ehefrau Herrn Stammlers, und die in der Folge in der Familie aufwächst, wohl wissend, dass sie trotzdem nie ganz dazu gehören wird – genauso wenig, wie zu den Indonesiern um sie herum. Sie ist einfach ein Exot für beide Seiten. Und auch ein Grund für Schuldgefühle und die damit verbundenen Ressentiments, was ihr ein ziemlich dickes Fell und einen sehr klaren Blick auf die Realität verleiht.


    Es gibt in der Presse viele Vergleiche mit anderen Autoren und zumindest was die Anlehnung an den magischen Realismus angeht, scheine diese nachvollziehbar, obwohl die indonesische und chinesische Literatur solche Elemente schon vor den entsprechenden Entwicklungen der südamerikanischen Kultur aufzuweisen hatten. Ich verweise dabei nur auf die im asiatischen Raum sehr beliebte Wuxia-Literatur, die immer entsprechende Elemente enthalten hat.


    In diesem Buch zeigen sich diese Elemente neben dem Fluch durch vergewaltigende Hunde, mit den Menschen direkt kommunizierenden Geistern, diversen Wiederauferstehung – zu Beginn des Buchs etwa erschreckt Dewi Ayu ihre Mitmenschen, indem sie nach einundzwanzig Jahren wieder aus ihrem Grab aufersteht.


    Das Buch liest sich im Großen und Ganzen wie eine Episodensammlung aus verschiedenen Gesichtspunkten, so dass ein Ereignis öfters mal in verschiedenen Zusammenhängen neu erzählt werden, wobei es durch Zusatzinformationen oder durch Perspektivenverschiebungen immer mal wieder zu alternativen Realitätsbetrachtungen kommt - oder auch zu richtigen Widersprüchen, wobei man dann entscheiden muss, ob dies wohl so gewollt gewesen ist, oder aber ein Kontinuitätsfehler, der Autor und Lektor durchgegangen ist. Auf jeden Fall ist die Struktur ein wenig gewöhnungsbedürftig.


    Woran man sich nicht gewöhnen kann, sind die ständigen Vergewaltigungen und die extremen Gewaltdarstellungen, die historisch sicherlich ihre Berechtigung haben, aber nach einiger Zeit – ähnlich den Darstellungen in den Werken de Sades – einfach nur noch ermüdend wirken. Man ist irgendwann froh über jede Seite, auf der nicht über Sex oder Gewalt geschrieben wird. Ähnliches hat man auch schon bei einigen Werken aktueller chinesischer Autoren, wie etwa Mo Yan gesehen. [-(

  • Danke für Deine Eindrücke, Klaus!


    Ich bin gerade derzeit auf der Suche nach indonesischer Literatur, die sich aus IHRER Sicht mit den Folgen, bzw der Realität der Kolonisation auseinandersetzt. Natürlich stösst man da auf den grossen, von Dir auch zitierten, Pramoedya Ananta Toer. Schade, dass dieses Buch wohl nicht zu passen scheint: ich suche es für einen älteren Holländer.