Graham Swift - Ein Festtag / Mothering Sunday

  • Die Geschichte beginnt mit dem Dienstmädchen Jane, dass in dem Bett ihres Liebhabers Paul liegt. Paul ist der Sohn einer angesehenen Familie und wird in Kürze heiraten. Die beiden verbinden einige Momente der geheimen Zweisamkeit, doch in den 20ern des 19. Jahrhunderts, darf solch eine Liebe nicht sein. Als Paul sich auf den Weg zu seiner Verlobten macht, bleibt Jane allein im Haus zurück. Nackt bleibt sie zunächst in seinem Bett, streift dann jedoch durchs Haus und hängt ihren Gedanken nach. Sie spinnt Szenen. Szenen, wie Paul sein Zuspätkommen erklärt. Szenen, wie seine Verlobte darauf reagiert.


    "Ich kenne weder meinen Vater noch meine Mutter. Auch meinen wirklichen Namen nicht. Falls ich je einen hatte. Und das schien mir die beste Voraussetzung für den Beruf des Schriftstellers - besonders für einen Geschichtenerzähler. Ohne Empfehlung zu kommen. Ein leeres Blatt zu sein. Ein Niemand. Wie soll man ein Jemand werden, wenn man nicht erst ein niemand war?" (S. 95)




    Im groben ist dies bereits die Handlung von "Ein Festtag". Doch die Geschichte geht viel tiefer. Der Leser erhält Einblicke in Janes früheres sowie in Janes späteres Leben. Als Waisenkind aufgewachsen, später als Schriftstellerin gefeiert. Wir erfahren, wie der Schicksalsschlag, der in dem Klappentext angekündigt wird Jane und deren Leben nachhaltig verändert. Wir verfolgen ihre Gedanken zu der Sprache, ihre Gedanken zu ihrer Herkunft und zugleich entwirft Graham Swift ein treffendes und genaues Bild der damaligen Gesellschaft.


    "Die Dienenden dienten und die Bedienten lebten. Aber manchmal schien es ehrlich gesagt genau andersherum zu sein. Das Dienstpersonal hatte ein Leben, und das war hart, während die Bedienten oft nicht zu wissen schienen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollten." (S. 98)


    Insbesondere die Gedanken der Protagonistin Jane und deren Entwürfe von Szenen konnten mich begeistern. Ebenso der Schreibstil des Autors Graham Swift, der so leicht und direkt und dennoch voller Intensität ist. Die Poesie seiner Sprache, steigert Graham Swift im Laufe des Buches und so intensivieren wundervolle Gedankenkonstrukte und atmosphärische Beschreibungen die vorliegende Geschichte.


    "Und wenn Waisenkinder jetzt tatsächlich Weißenkinder genannt wurden? Und der Himmel Erde hieß. Und wenn Bäume Osterglocken hießen. Würde das an der Natur der Dinge etwas ändern? Oder an ihrem Geheimnis?" (S. 105)




    "Wir sind alle Brennstoff. Wir werden geboren, und wir brennen, manche schneller als andere. nd es gibt unterschiedliche Zündstoffe. Aber nicht zu brennen, nie zu entflammen, das wäre wahrhaftig ein trauriges Leben." (S. 112)




    Fazit: "Ein Festtag" hat mir in vielerlei Hinsicht gefallen. Die anderen Werke von Graham Swift werden von mir nicht unbeachtet bleiben!

  • Quer durch Feuilleton und Blogs nur Lob und Applaus für das Buch, bei Amazon eine ganze Zeit nur rühmende Sätze. Anscheinend habe ich also wieder einmal eine verkehrte Wahrnehmung, denn ich stimme nicht ein.
    Dabei kann man eigentlich nur Gutes sagen. Leichte, poetische Sprache. Perfekter Einsatz von Zeitdehnung (Pauls Haus) und –raffung (Janes weiteres Leben). Nachvollziehbare Darstellung des Wendepunktes, also des Ereignisses, an dem sich ein Leben dreht und in eine völlig neue Richtung läuft.


    Das Buch ist ganz eng an der Protagonistin angelegt, so eng wie es sonst nur einem Ich-Erzähler zukommt. Man erfährt, dass Jane nach ihrer Dienstmädchenzeit als Buchhändlerin arbeitet, dass sie kinderlos verheiratet ist und ihr Mann nach 12-jähriger Ehe stirbt, dass sie 19 Bücher schreibt, dass sie weit über 90 Jahre alt wird.
    Diese Fakten werden dem Leser zum Teil über den Umweg eines Interviews mitgeteilt, in dem die bekannte Autorin Jane Fairchild über ihr Leben und Schreiben spricht – unter Auslassung jeder Episode, die in Pauls Bett und Haus begann.


    Ich finde das Buch ziemlich konfus, und es gelang mir nicht, einen Zugang zur Protagonistin und ihrer Geschichte zu finden.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)