Nora Bendzko - Wolfssucht

  • Klappentext


    Irina musste als Kind mit ansehen, wie ihre Schwester Leonore ermordet wurde. Nur weil Skandar, der Sohn des Jägers, sie beschützte, ist Irina noch am Leben.
    Selbst als Erwachsene verfolgen sie die Bilder des brutalen Mordes. In ihrem Dorf fühlt sie sich ausgestoßen. Hinter ihrem Rücken nennt man sie verflucht. Allein Skandar will Irina für sich gewinnen. Als er sein Ziel nicht erreicht, schlägt seine Zuneigung in Gewalt um. Irina muss fliehen.
    Doch »es« lauert immer noch da draußen. Im finsteren Wald. Leonores Mörder hat Irina nicht vergessen.
    Ihre erneute Begegnung setzt blutige Ereignisse in Gang, die das ganze Dorf ins Verderben zu reißen drohen …


    Eine dunkelfantastische Novelle zur Zeit des 30-jährigen Krieges, angelehnt an das bekannte Märchen der Brüder Grimm: »Rotkäppchen«.

    Meine Meinung


    Ich bin ja kein großer Fan von "kurzen" Büchern oder Novellen, aber ich probiere gerne aus und an Märchen-Adaptionen komme ich sehr schwer vorbei ...


    Nora Bendzko hat sich hier das Märchen "Rotkäppchen" der Gebrüder Grimm vorgenommen und hat es auf den wenigen Seiten geschafft, mich für ihre Geschichte zu begeistern! Das Schicksal von Irina ist grausam und die Szenen sind trotz oder gerade wegen der kurzen Momentaufnahmen sehr prägend: Der Krieg und die Flucht aus dem Dorf, der Abschied von den Eltern und der Tod von Leonore lassen das Mädchen auch über die Jahre nicht mehr los. Das Vergessen oder auch Verdrängen wollen ihrer Gefühle verwandeln das Mädchen in eine andere, in eine junge Frau, die zwischen den Forderungen und der Glaubensbessenheit des Dorfes steht.


    Es hat mich positiv überrascht, wie sehr ich in die Handlung eintauchen konnte, wie klar die Figuren skizziert waren und vor allem auch, welche überraschenden Wendungen eingebaut waren! Teilweise fast schon verstörend, aber auch sehr einfühlsam gibt es hier keine klare Linie wie im Märchen, sondern zwischen dem Dunkel und dem Licht wandeln viele Schattierungen, die man erst nach und nach erahnt.
    Gerade Irina, die mit ihrer Vergangenheit nie wirklich abgeschlossen hat, findet ihren Frieden auf eine scheinbar schändliche Weise, die aber gerade ihre Sehnsucht zum Ausdruck bringt, ihre Angst und ihre Gefühllosigkeit endlich hinter sich zu lassen.


    Der Schreibstil ist dabei sehr eindrucksvoll und lässt mit wenigen Worten die Bilder und Gefühle entstehen, die mich wie gebannt an die Seiten gefesselt haben. Genauso hat mich die trostlose Atmosphäre gefangen genommen, die die Einsamkeit von Irina unterstreicht. Es gibt nur wenige Augenblicke, die sie sehr intensiv und mit Gewalt aus dieser Isolation ausbrechen lassen und die zum großen Finale führen, das die Geschichte mit einem passenden Ende ausklingen lassen.


    Durch die heftigen Szenen nicht für jeden was, aber wenn man den Sinn dahinter sucht, hinterlässt es einen tiefgreifenden Eindruck!


    Ich werde auf jeden Fall auch das zweite "Galgenmärchen" lesen (Der Kindsräuber)


    Fazit: 4 Sterne


    © Aleshanee
    Weltenwanderer