Poppy Adams - Wer die Ruhe stört / The Behaviour of Moths / The Sister

  • Worum es geht
    Die bekannte Schmetterlingsforscherin Virginia Stone führt ein sehr zurückgezogenes Leben auf dem Familienanwesen Bulburrow Court. Seit dem Tod ihrer Eltern bewohnt sie das baufällige Herrenhaus allein, und hat auch ihre Schwester seit deren Auszug vor vierzig Jahren nicht mehr gesehen. Umso erstaunter ist sie, als Vivian ankündigt, wieder nach Hause zurückkehren und ihren Lebensabend gemeinsam mit der Schwester verbringen zu wollen.
    Nach der ersten Wiedersehensfreude fühlt sich Virginia jedoch bald in ihrem wohlgeordneten Alltag gestört, und wird zudem von unerfreulichen Erinnerungen eingeholt. Für die verschrobene Forscherin steht fest, dass die alte Ordnung um jeden Preis wieder hergestellt werden muss.


    Meine Gedanken und Eindrücke
    Die Idee, die der Geschichte zugrunde liegt, fand ich sehr ansprechend, und das Buch hat auch recht verheißungsvoll begonnen. Poppy Adams schreibt sehr flüssig und lässt viel naturwissenschaftliches Detailwissen aus der Schmetterlingskunde einfließen.
    Der Großteil des Romans befasst sich allerdings weder mit der Annäherung der Schwestern nach der langen Trennung oder ihrem Versuch, sich in einem gemeinsamen Leben einzurichten, sondern hauptsächlich mit ihrer Vergangenheit. Das ist sicher ein interessanter Aspekt, hat meiner Meinung nach aber allzu sehr dominiert, sodass sich der aktuelle Handlungsstrang nicht gebührend entwickeln konnte. Es mutet doch allzu befremdlich an, dass die Schwestern nie zu gemeinsamen Mahlzeiten zusammenkommen, sich anscheinend nichts zu erzählen haben, und auch nie darüber reden, wie sie ihren Alltag zu organisieren gedenken. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, sie laufen voreinander weg oder schleichen ziellos im Haus umher, doch kann sich der Leser letzten Endes keinen Reim auf dieses seltsame Verhalten machen.
    Die Protagonistinnen sind leider recht farblose Gestalten geblieben, deren Charaktereigenschaften und Eigenheiten überhaupt nicht ausgearbeitet wurden. Gerade in diesen schrulligen bzw. exzentrischen Figuren hätte ich viel Potential für Originalität und Authentizität vermutet. Stattdessen sieht sich der Leser mit einer arthritischen Person konfrontiert, die hauptsächlich im Bett liegt, Tee kocht oder auf die Schritte ihrer Schwester lauscht, die noch weniger in Erscheinung tritt.
    Zwar werden seitens der Autorin durchaus interessante Gedankengänge entwickelt, aber leider nicht konsequent weiterverfolgt. Vieles bleibt im Unklaren oder ist nicht nachvollziehbar, sodass ich gegen Ende des Romans zunehmend das Gefühl hatte, dass die Geschichte immer mehr zerfasert, anstatt sich zu einer abgerundeten und durchdachten Komposition zusammenzufügen.
    Verständlicherweise gewann im letzten Drittel die Enttäuschung die Oberhand, da sich der Leser um ein zufriedenstellendes Finale betrogen fühlt. Aufgrund des flüssigen und unterhaltenden Stils mit sehr lebendigen Landschaftsbeschreibungen und interessanten Einblicken in das unbekannte Leben der Schmetterlinge möchte ich den Roman dennoch nicht allzu schlecht bewerten.
    Wer aufregende Lektüre sucht, wäre mit diesem Buch allerdings nicht gut beraten, weshalb ich es auch nicht in der Rubrik Krimis/Thriller (wie bei Amazon) vorgestellt habe.