Klappentext:
In einer rasant erzählten, ebenso komischen wie furchtlosen Familiensaga verleiht Irene Dische ihrer Großmutter eine ganz eigene Stimme. Die gute Katholikin Elisabeth Rother kennt kein Tabu, ganz egal, ob es sich um ihr Ehebett, um die Juden, um den Lieben Gott oder um die Gestapo handelt. Allerdings gibt es keine Katastrophe, nicht einmal die Flucht nach Amerika oder der Zweite Weltkrieg, die sie so sehr beschäftigt wie ihr weitverzweigter Clan.
Irene Dische löst auf virtuose Weise ein ewiges Problem der Literatur: Das der Autobiographie. Bekanntlich verstrickt sich jeder in ein Lügenknäuel, der sein eigenes Leben beschreiben will. Aus diesem Dilemma befreit sich die Autorin, indem sie sich dem gnadenlosen Blick ihrer überlebensgroßen Großmama aussetzt. – Amazon
Zur Autorin:
Irene Dische wurde im »Vierten Reich«, einem deutsch-jüdischen Emigrantenviertel in New York City, geboren. Deutsch ist ihre Muttersprache. Ihr Vater, ein renommierter Wissenschaftler, stammt aus Galizien; ihre Mutter, 1939 aus Deutschland immigiert, war während der frühen sechziger Jahre Stellvertretende Obergerichtsmedizinerin von New York.
Irene Dische studierte in Harvard und lebt seit den achtziger Jahren vorwiegend ohne Aufenthaltserlaubnis in Berlin sowie in Rhinebeck/USA; ihr Antrag auf einen deutschen Pass ist vom Berliner Innenministerium zweimal abgelehnt worden. 1986 drehte sie den Dokumentarfilm ›Zacharias‹ über das Leben ihres Vaters. Von Hans Magnus Enzensberger entdeckt, veröffentlichte Irene Dische 1989 ihr literarisches Debüt, den Erzählungsband ›Fromme Lügen‹, der von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Es folgten zahlreiche Romane und Erzählungsbände. – Amazon
Zur Sprecherin:
Hannelore Erika Hoger (* 20. August 1942 in Hamburg) ist eine deutsche Theater- und Filmschauspielerin und Theaterregisseurin. Bekannt geworden ist sie durch ihre Zusammenarbeit mit dem Regisseur Alexander Kluge und durch ihre Darstellung von resoluten wie mitfühlenden Charakteren wie der Fernsehkommissarin Bella Block, als die sie seit 1994 im ZDF auftritt. – Wikipedia
Allgemeine Informationen:
Ich-Erzählung der Großmama
Gekürzte Lesung
8 CDs
Hörzeit: 606 Minuten
Persönliche Meinung:
Ein Einstieg der Extraklasse: "Dass meine Enkeltochter so schwierig ist, hängt vor allem mit Carls geringer Spermiendichte zusammen. Er hat seine kleinen Männer durch Heldenhaftigkeit ermordet. Davon später mehr." Wer würde hier nicht weiterlesen?
Ich hatte einen Riesenspaß mit Elisabeth Rother! Eine Dame – sie „Frau“ zu nennen, würde ihr nicht gerecht – aus der besseren Gesellschaft, sehr katholisch, sehr von sich überzeugt, respektlos gegenüber ihren Mitmenschen, kompromisslos, bigott-gläubig. Wer von ihr geliebt wird, den überzieht sie zwar mit Nörgelei und Kritik, aber sie steht bedingungslos hinter ihm. Sie legt sich mit der Gestapo an, mit Verwandten, den Lehrern ihrer Kinder, sie ist schonungslos mit ihren Urteilen und schätzt nur wenige Leute außerhalb ihrer Familie. Sie ist rassistisch, antisemitisch (trotz ihrer Heirat mit einem Juden) und klassenbewusst. Sogar der eigene Tod bringt sie nicht zum Schweigen.
Irene Dische schafft es, ihre Großmutter gleichzeitig übertrieben und authentisch darzustellen. Eigentlich ist Großmama eine, mit der man am liebsten nichts zu tun hätte, zugleich bewundert man ihre Durchsetzungsfähigkeit, ihren Mut und ihren Lebens- und Überlebenswillen. „Tragikomödie“ – selten trifft ein Begriff so gut.
Ich habe mir das Printbuch inzwischen auch gekauft, weil mich natürlich jetzt das gesamte Werk interessiert, obwohl einige Abschnitte schon im Hörbuch Längen enthalten und zwar in den Passagen über Irenes Lehr- und Wanderjahre, also der Zeit, in der Oma in Amerika hockt und auf Nachrichten der Enkelin wartet, wenn also der Blick des Lesers weg von der interessanten alten Dame zur autobiographischen Globetrotterin wandert.
Hannelore Hoger liest, als wäre ihr das Buch auf den Leib geschneidert. Mit Eleganz, Ruhe und Überheblichkeit, dabei distanziert und vermeintlich sachlich. Großartig! Ich habe jede einzelne Minute der 606 genossen und bedauert, dass es irgendwann zu Ende war.