"So, und jetzt kommst du" sagt der Vater des Ich-Erzählers (der, wie ich angesichts von kleinen versteckten Hinweisen im Romantext vermute, denselben Namen trägt wie der Autor) immer dann, wenn er sein Gegenüber sprachlos gemacht hat mit dem neuesten cleveren Trick, den er auf seinem Weg zum Reichtum angewendet hat. Jürgen Frank will nämlich mehr, als mit Frau und Kindern in einer beschaulichen Vorortsiedlung in der Nähe von Kaiserslautern zu leben. Er will Geld, Erfolg, Protz und Prunk und arbeitet mit den verschiedensten Geschäftsideen emsig an seinem Aufstieg.
Dass das nicht so einfach ist, wie er sich und anderen gerne vormacht, will er sich nicht eingestehen und ignoriert geflissentlich die unaufhörlich eintrudelnden Mahnungen und Behördenbriefe, bis schließlich die Polizei an der Tür klingelt und die Familie bei Nacht und Nebel aufbricht, nach Frankreich, wo der Vater geboren ist und wo alles noch viel, viel besser werden soll als in Deutschland. Das wird es auch ... vorerst.
Es ist eine schier unglaubliche Geschichte, die uns Arno Frank hier präsentiert und die, wenn man der Presse Glauben schenken darf, auf seiner eigenen Familiengeschichte basiert: die Geschichte eines unverbesserlichen Hochstaplers, der völlig frei von Skrupeln lügt und betrügt, immer abhaut, wenn es brenzlig wird, und dabei seiner Familie Unvorstellbares zumutet.
Was der Vater genau macht, erfahren wir nicht, denn das weiß der Erzähler als am Ende dreizehn- oder vierzehnjähriger Junge selbst nicht so genau. Er beschreibt nur das, was er selbst erlebt, ein Leben, das in einer völlig durchschnittlichen deutschen Mittelklassefamilie beginnt und später das komplette Spektrum von verschwenderischem Dolce vita an der Côte d'Azur bis zu versifften Bruchbudenunterkünften und Höllenfahrten in klapprigen Uraltautos abdeckt. Die Mutter bleibt bei alledem passiv, klinkt sich schnell aus, wenn es ihr zuviel wird, so dass die drei Kinder größtenteils sich selbst überlassen sind.
Frank erzählt ungeschminkt, drastisch, auch manchmal unflätig von der mehrjährigen Odyssee der Familie, den Spannungen untereinander, den Freiheiten, die die Kinder genießen, der ständigen unterschwelligen Angst vor dem Auffliegen und auch dem belastenden Halbwissen über das, was der Vater da so treibt. Das ist so absurd, dass es schon wieder vorstellbar ist und auf eine eigenartige Weise spannend.
Stilistisch gelingt es ihm nicht immer, den Ton eines Jungen im Alter des Erzählers zu treffen - er findet ungewöhnliche Metaphern und verwendet eher wenig gebräuchliche Fremdwörter, was diesbezüglich etwas unglaubwürdig wirkt, und die oft falschen französischen Einsprengsel sind auch grundsätzlich verzichtbar. Der Spannungsbogen und die Entwicklung der Charaktere sind aber bei aller Skurrilität des Geschehens glaubhaft und gelungen bis hin zum überzeugenden Schluss, und die 80er Jahre als Hintergrundkulisse sorgen für einen netten Nostalgiefaktor.
Übrigens: Wer sich beim Anblick des faden 80er-Jahre-Schutzumschlags gruselt, sollte ihn abnehmen. Die auf dem Cover eingeprägte Auto-Tankanzeige, deren Zeiger Richtung "Reserve" deutet, passt viel besser zum Buch als das langweilige Polaroidfoto.