Michael Collins (d.i. Dennis Lynds) - Aus lauter Angst / Letzter Ausweg Mord / Act of Fear

  • Der Autor (Wikipedia, Krimi-Couch und kaliber.38): Der am 15. Januar 1924 in St. Louis/Missouri als Kind eines britischen Schauspielerpaares geborene Dennis Lynds war ein US amerikanischer Schriftsteller, der unter verschiedenen Pseudonymen (William Arden, Michael Collins, Mark Sadler, John Crowe, Carl Dekker, Maxwell Grant, Nick Carter) mehr als 60 Romane und unzählige Kurzgeschichten diverser Genres veröffentlichte. Er starb im Alter von 81 Jahren am 19. August 2005 in San Francisco.
    Er studierte Chemie in New York und Journalismus in Syracuse. Im Zweiten Weltkrieg war er mit der US-Infanterie in Europa und wurde mehrfach für Tapferkeit ausgezeichnet. Nach dem Krieg arbeitete er als Chemiker und war als Redakteur für wissenschaftliche Magazine tätig. Außerdem verfasste er Kurzgeschichten für verschiedene Magazine und war unter Verlagspseudonym als Ghostwriter für einige Serien wie „The Shadow“ und „Nick Carter“ tätig. Seit 1969 lebte er als freier Autor in Kalifornien. Seit 1986 war er mit der Thriller-Autorin Gayle Lynds (aka Gayle Stone) verheiratet, die u.a. einige Robert-Ludlum-Manuskripte vollendete.
    Als Michael Collins schrieb er zwei Science-Fiction-Romane und die 19-bändige Krimireihe (bis Band 13 auch auf Deutsch erhältlich) um den Privatdetektiv Dan Fortune (1967-1993), den er aus seiner Kurzgeschichtenfigur „Slot Machine Kelly“ entwickelte. Unter dem Namen William Arden verfasste er u.a. die Kane-Jackson-Reihe, die sich mit Industriespionage befasst, und vierzehn Bücher für die Jugendkrimiserie "The Three Investigators" („Die drei ???“). Als John Crowe verfasste er die Buena-Costa-County-Serie, deren Gemeinsamkeit keine wiederkehrende Figur, sondern der Schauplatz ist.
    1988 erhielt er gemeinsam mit Wade Miller den Preis „THE EYE“ der Vereinigung der „Private Eye Writers of America“ für sein literarisches Lebenswerk.


    Der Roman „Act of Fear“ erschien 1967 bei Dodd, Mead & Company in New York. Diese Ausgabe umfasst 218 Seiten. Für den Roman erhielt Dennis Lynds 1968 den Edgar Allan Poe Award der „Mystery Writers of America“ als bester Erstlingsroman eines amerikanischen Autors. Die deutsche Übersetzung von Dr. Hansheinz Werner erschien 1970 als Ullstein Krimi 1311 unter dem Titel „Aus lauter Angst“ in Frankfurt am Main. Diese Ausgabe umfasst 155 engbedruckte Seiten. 1987 wurde ein Sammelband der ersten drei Dan-Fortune-Krimis als Ullstein Krimi 10391 veröffentlicht. 1997 wurde die Ullstein-Übersetzung vom Wunderlich Verlag in Reinbek bei Hamburg unter dem lahmen Titel „Letzter Ausweg Mord“ wiederveröffentlicht. Diese Ausgabe umfasst 249 Seiten.


    Klappentext (Ullstein Krimi 10391): „Er war eine gewalttätige Bestie, die nur auf eine Art sicher gehen konnte – indem sie jeden tötete, der ihr schaden konnte. Es war ein Killergehirn, das Gehirn aller Killer. Sie töten, um der Gefahr zu entgehen, die letzten Endes nicht halb so groß ist wie eine Mordanklage. Sie töten, komplizieren die Sache und ruinieren sich selbst.“ Vor allem, wenn Dan Fortune, der einarmige Privatdetektiv aus New York unterwegs ist, um dem mörderischen Kreislauf Einhalt zu gebieten.


    Klappentext (Wunderlich): Ein Streifenpolizist in New York wird brutal überfallen und ausgeraubt. Kurz darauf bekommt Dan Fortune, der einarmige Privatdetektiv, Besuch von einem jungen Mechaniker. Der Mann bittet ihn, einen Freund zu finden, der einen Tag nach dem Überfall auf den Cop verschwunden ist. Ein unbedeutender Zufall? Die Morde an zwei Prostituierten lassen Fortune bald daran zweifeln. Der chronische Melancholiker bekommt es mit einem Mann zu tun, der zu allem bereit ist …



    Der Roman ist der erste Band der langlaufenden Hardboiled-Serie um den einarmigen Privatdetektiv Dan Fortune, Spross der polnischen Einwandererfamilie Fortunowski, der eine kleinkriminelle Teenagerzeit verlebte, die ihm seinen Arm kostete - worauf er "ehrlich" wurde. Ein Krimi aus der ersten Generation nach Ross Macdonald – und dieser erste Roman der Serie legt nahe, dass Dennis Lynds neben dem Schwergewicht wahrlich keine schlechte Figur macht. :applause: Auf den letzten Seiten noch hochgejuxt auf 4,5 Sterne! :D


    Eine Vermisstengeschichte, bei der erst einmal geklärt werden muss, wie (und ob!) einige Verbrechen im Umfeld des Verschwundenen nun eigentlich mit seinem Verschwinden in Verbindung stehen. Ist er Zeuge, Täter oder Opfer? Oder schon längst tot? Mehr und mehr drängt sich das organisierte Verbrechen ins Spiel und das selbstsüchtige Treiben einer sozial und moralisch abgehängten Familie lässt mir als Leser die Zornesröte ins Gesicht treiben: Wird der moralisch integre Außenseiter geopfert, um die verdorbene Mehrheit zu schützen?


    Die Geschichte ist auf übersichtliche Weise sehr verwickelt. Man wird als Leser zwischendurch immer wieder über die Ermittlungsfortschritte informiert. Wenn es auch oftmals heißt: einen Schritt vor und zwei Schritte zurück. Die Charakterzeichnung ist vortrefflich – und vermeidet vor allem schnelle Schuldzuweisungen: Selbst über das Verhalten der widerlichsten Schweinehunde wird nicht gerichtet, wenn nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Wer sagt, dass man nicht selber so handeln würde? Dan Fortune ist kein rüpeliger Brocken, sondern feinfühlig und mit sozialem Gewissen geschlagen. Er weiß um seine Fehler – und sieht die Fehler anderer und der Gesellschaft dadurch umso klarer.


    Der Tonfall des Romans ist erste Sahne, niemals aufgesetzt und niemals nur die Kopie alter Klischees, die mit der Gegenwart schon nichts mehr zu tun haben. Hier will kein lahmer Schriftsteller einen auf harten Hund machen. Eine harte Geschichte braucht harte Worte, um eine harte Gegenwart anzuspucken. Ein Detektiv mit sozialem Gewissen, fast psychologischer Menschenkenntnis und großem Überlebenswillen - für sich, seine Liebste und seine Freunde. Und ein Schriftsteller mit Haltung und Stilbewusstsein, dem auf diese Weise viele Sätze voll wahrer Lebensweisheiten gelingen, die nicht beeindrucken sollen, sondern eine noire Weltsicht zum Ausdruck bringen.


    Und wenn, nachdem schon dem Familienzusammenhalt jede Selbstlosigkeit abgesprochen wurde, auch noch der Freundschaft der hehre Schein vom Gesicht gewischt wird, somit zwei etablierte Garanten für Sicherheit als Witz und bloße Fassade entlarvt wurden (auf Staat und Polizei mag man sich ja sowieso kaum noch verlassen), dann ist endgültig genug Tragik und Niedertracht vor dem Leser ausgebreitet, um aufs Vortrefflichste zu bebildern, dass der Ehrliche mal wieder der Dumme ist, dass Arroganz und falsche Sehnsüchte ins Verderben führen und dass die niederen Chargen sich niemals sicher fühlen können, wenn es ihnen die Herrschenden nicht zugestehen – was meint, ihre eigenen Schäfchen nicht zu gefährden. Mein noires Krimiherz schlägt vor Freude schneller. Dass dieser vor allem in Deutschland eher unter „ferner liefen“ veröffentlichte Roman so gut ist, konnte doch keiner ahnen! :thumleft:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

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    Everett "Die Bäume" (214/365)


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  • Eine englischsprachige Ausgabe unter dem Originaltitel "Act of Fear" 1989 bei der No Exit Press erschienen. Auf dem Umschlag prangt ein Ross-Macdonald-Zitat: "A notable writing talent". Immerhin! :)

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  • Eine spanische Übersetzung gibt es auch: "Acto de terror", 1973 in Buenos Aires erschienen, übertragen von Jordi Arbonès.

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