Gabriel García Márquez - Zwölf Geschichten aus der Fremde / Doce cuentos peregrinos

  • Autor: Gabriel García Márquez
    Titel: Zwölf Geschichten aus der Fremde, aus dem Spanischen übersetzt von Dagmar Ploetz und Dieter E. Zimmer
    Originaltitel: Doce cuentos peregrinos, erschien erstmals 1992
    Seiten: 224
    Verlag: Fischer Taschenbuch
    ISBN: 9783596162628


    Der Autor: (von der Verlagsseite)
    Gabriel García Márquez, geboren 1927 in Aracataca, Kolumbien, gilt als einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Schriftsteller der Welt. 1982 erhielt er den Nobelpreis für Literatur für seine Werke, »in denen sich das Phantastische und das Realistische […] vereinen, die Leben und Konflikt eines Kontinents widerspiegeln«. Gabriel García Márquez hat ein umfangreiches erzählerisches und journalistisches Werk vorgelegt. Er starb am 17. April 2014 in Mexiko City.


    Inhalt:
    Wie der Titel vermuten lässt, enthält der Band 12 Kurzgeschichten. Ihnen gemeinsam ist lediglich, dass sich die stets lateinamerikanischen Protagonisten im fremden Europa zurechtfinden müssen. Im Prolog erwähnt Marquez, dass er Ideen für seine Geschichten und Romane in einem Schulheft sammelte. Wenn er etwas Interessantes träumte, oder einen Zeitungsbeitrag las, der ausgebaut werden konnte, dann trug er diese Skizzen in sein Notizbuch. 64 Themen hat er dadurch gesammelt, die ihm ausreichend Stoff zum Erzählen gegeben hätte. Dummerweise ging dieses Schulheft aber verloren, und mühsam konnte er wenigstens einen Teil rekonstruieren:


    Gute Reise, Herr Präsident (34 Seiten, geschrieben Juni 1979)
    Der ins Exil geflüchtete Präsident eines lateinamerikanischen Landes lässt sich in einem Genfer Krankenhaus behandeln. Der Krankenpfleger, ein Landsmann, erkennt ihn und möchte am vermeintlichen Reichtum des Flüchtlings teilhaben. Der charismatische Politiker benötigt allerdings selbst Unterstützung… Meiner Ansicht nach die beste Geschichte in dieser Sammlung :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Die Heilige (20 Seiten, geschrieben August 1981)
    Ein kleines Mädchen in Kolumbien stirbt, verwest aber nicht. Der Vater macht sich mit der Leiche auf den Weg nach Rom, um für die Heiligsprechung seiner Tochter einzutreten. Die bürokratischen Hürden, die Untersuchung, vielleicht auch das fehlende Interesse des Vatikan führen dazu, dass die Angelegenheit etwas länger dauert – der Ich-Erzähler trifft den Vater nach 22 Jahren in Rom wieder…
    Etwas schwächer als die erste Geschichte, aber noch interessant :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Dornröschens Flugzeug (10 Seiten, geschrieben Juni 1982)
    Auf dem Flug von Paris nach New York verbringt der Ich-Erzähler den Flug neben einer schlafenden Schönheit. Während er sich diverse Gedanken macht, beachtet sie ihn auch beim Aussteigen nicht. Eine unterhaltsame Anekdote :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    Ich vermiete mich zum Träumen (12 Seiten, geschrieben März 1980)
    Eine Hellseherin verdient ihren Unterhalt mit Träumen, in denen sie die Zukunft anderer Leute vorhersieht. Die Erzählungen werden immer schwächer und die hierin enthaltenen „magischen Elemente“ nehmen Überhand :bewertung1von5::bewertung1von5:


    „Ich bin nur zum Telefonieren gekommen“ (22 Seiten, geschrieben April 1978)
    Eine Frau hat irgendwo eine Autopanne und sucht in einem nahen gelegenen Kloster nach Hilfe. Aufgrund ihres Auftretens wird sie in das darin untergebrachte Krankenhaus für Geisteskranke eingeliefert. Der eifersüchtige Ehemann ist keine grosse Hilfe
    Eine ziemlich vorhersehbare Geschichte :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Augustspuk (6 Seiten, geschrieben Oktober 1980)
    Der Ich-Erzähler übernachtet mit seiner Frau in einem angeblichen Spukschloss – und wacht am nächsten Morgen in einem anderen Zimmer auf.
    Leider überhaupt nicht spannend :bewertung1von5::bewertungHalb:


    Mario dos Prazeres (20 Seiten, geschrieben Mai 1979)
    Eine gealterte Prostituierte (bzw. Hure, wie sie häufig in Marquez Romanen bezeichnet werden) bereitet sich auf ihren baldigen Tod vor, als sie plötzlich doch noch einen Mann trifft, mit dem sie leben könnte. Ich konnte mich nicht in die Protagonistin hineinversetzen oder sonst wie Interesse am Fortgang der Geschichte entwickeln :bewertung1von5::bewertung1von5:


    Siebzehn vergiftete Engländer (18 Seiten, geschrieben April 1980)
    Eine Franziskanerin auf Pilgerfahrt übernachtet in einem Hotel. Weil sie lieber in einem anderen Restaurant zu Abend isst, entkommt sie einer Lebensmittelvergiftung.
    Traurig, aber der dazugehörige Zeitungsbericht wäre sicherlich lesenswerter gewesen :bewertung1von5::bewertungHalb:


    Tramontana (10 Seiten, geschrieben Januar 1982)
    Der Landwind Tramontana lässt die Menschen altern. Bei einem starken Sturm sterben zwei Personen. Leider weder magisch noch phantastisch, sondern abstrus :bewertung1von5::bewertungHalb:


    Der glückliche Sommer der Frau Forbes (18 Seiten, geschrieben 1976)
    Frau Forbes ist das unerwünschte Kindermädchen auf einer Kreuzfahrt. Ihr glücklicher Sommer währt nicht ewig :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    Das Licht ist wie das Wasser (6 Seiten, Dezember 1978)
    Das ist dann reine Fantasy: Zwei Kinder bekommen ein Boot geschenkt. Das nächste Gewässer ist weit entfernt, aber mit Hilfe ihrer Phantasie schwimmen sie auf dem Licht, welches aus den Glühbirnen strömt. Eine nette Kindergeschichte, die vielleicht mit Illustrationen in einem Bilderbuch besser aufgehoben wäre. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Die Spur deines Blutes im Schnee (27 Seiten, geschrieben 1976)
    Während einer Hochzeitsreise verblutet die Braut: sie hat sich am Brautstrauß in den Finger gestochen.
    Ich kann mir ja vorstellen, dass diese Geschichte mal unter Kurioses in einer Zeitung stand. Ich sehe aber keinen Mehrwert, diese Schlagzeile auf fast dreissig Seiten auszubauen – leider ohne Spannung, einer bösen Hexe oder wissenschaftlicher Betrachtung. Ganz klar keine Erzählungen für mich :bewertung1von5::bewertungHalb:


    Meinung:
    Der Magische Realismus vermischt Mythen und Aberglauben mit der Realität. Phantastische Elemente (Wunder, Vorhersehung, Geister, religiöse Aspekte) werden in alltägliche Szenen eingebettet, sodass es sich bei den Erzählungen nicht um reine Fantasy handelt, aber doch etwas „Magisches“, Verwunderliches in die ansonsten gewöhnlichen, realitätsnahen Geschichten bringen. Gabriel García Márquez war ein wesentlicher Vertreter für den Magischen Realismus in der lateinamerikanischen Literatur.
    Ich muss gestehen, dass ich mit den meisten Geschichten nichts anfangen konnte. Ich bevorzuge wohl reine Phantasiegeschichten, oder eben realistische Erzählungen. Vielleicht lag es aber auch an der Kürze einiger Texte, weshalb ich nicht in die „magische Welt“ eintauchen konnte. Je kürzer und unrealistischer eine Erzählung war, desto schlechter gefiel sie mir. Daher finden wahrscheinlich andere Leser die Geschichten aus ebendiesen Gründen für besonders geeignet.
    Meine erste Lektüre von Marquez war „Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt“ – eine hervorragende Novelle ohne übernatürliche Elemente; daher aber auch etwas untypisch für den Autoren. Diese Kurzgeschichten sind wohl repräsentativer für seinen Schreibstil, weshalb ich jetzt gar nicht weiss, ob ich Marquez nun gut finden soll, oder weitere Bücher von ihm ignorieren kann.
    Ansonsten lese ich sehr gerne Kurzgeschichten, wenn der Autor auf wenigen Seiten eine spannende Geschichte zu erzählen hat: Eine überraschende Wendung, meinetwegen eine moralische Botschaft, ein paar Emotionen, Spannung, Szenen mit Wiedererkennungswert, irgendetwas. Aber bis auf die ersten zwei, drei Geschichten waren die restlichen Texte zum Vergessen. Etwas böse formuliert kann ich auch behaupten, dass es mich nicht wundert, wenn die Erzählungen erst 15 Jahre nach ihrem Entstehen veröffentlicht wurden – ich vermute mal, es sind nicht gerade Marquez‘ Meisterwerke.

  • Danke, @Nungesser, Du hast mir eins meiner vergessenen Bücher ins Gedächtnis gerufen. ("Vergessene Bücher" heißt, dass ich erst durch den Kasten "Besitzer des Buches" darauf komme, dass ich das vorgestellte Buch auch habe.)


    Wenn ich ... - Achtung! :) jetzt kommt das hierzulande übliche Jammern: nicht Rezensionexemplare, Büchereibücher und privat geliehene hier hätte ... dann würde ich es hervorkramen und schauen, ob wir einer Meinung sind. Auf jeden Fall habe ich schon nachgesehen, auf welchem Regalbrett es steht. :-,

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Deine Meinung zu Marquez würde mich generell interessieren @Marie! Ich habe gesehen, dass Du gut ein halbes Dutzend ungelesener Bücher von ihm im BT-Regal hast (und nur ein gelesenes?). Da kannst Du mir nicht zufällig ein Buch von ihm empfehlen, das ich lesen sollte, um meine Meinung über ihn zu festigen?

  • Ich bin zwar nicht @Marie (könnte dir) kann dir, einige Bücher von Marquez empfehlen, jedoch um nicht grad mit "grossem Geschütz" :wink: aufzufahren lies das angefügte. Auch wenn ich die Bücher nicht (mehr) in meiner Bibliothek habe,(nein, ich habe nicht die Methode Marie Kondo angewandt, ich bin glücklich wenn meine Bücher andere Leser finden somit gehen sie auf Reisen) die Bücher dieses Autors habe ich gelesen. :wink:
    Ebenfalls eine weitere Empfehlung "Von der Liebe und andern Dämonen"
    Dann wenn du schon etwas "gefestigt" bist "Erinnerung an meine traurigen Huren", denn ich habe geschrieben "Ich bin mir nicht sicher ist sie wirklich so lesenswert dass ich sie weiterempfehlen kann. Vielleicht denjenigen Lesern welche schon Werke von Gabriel Garcia Marquez gelesen haben und seinen oftmals „unglaublichen“ Geschichten gefolgt sind."


    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ich denke mit "dem grossen Geschütz" meinst Du Hundert Jahre Einsamkeit?

    Dieses Buch, das darf man sicher sagen ist eine Herausforderung. Hat zwar nur 470 Seiten (Habe es rasch aus dem Regal gekramt, meine Ausgabe ist von 1988) jedoch auf diesen wird in einer dichten, oftmals sehr eigentümlich anmutenden zwischen Realismus und Mystik "schwankenden" Sprache die Geschichte des Dorfes (welches es tasächlich gab) und dessen Aufstieg und Niedergang geschildert. Somit wenn man sich nicht in die Geschichte "hineinfallen" lassen kann ist man sicherlich nach der Hälfte des Buches heillos überfordert indem man die Übersicht verloren hat.
    Allerdings, der Satz mit dem der Roman beginnt ist genial.
    Viele Jahre später sollte der Oberst Aureliano Buendía sich vor dem Erschiessungskommando an jenen fernen Nachmittag erinnern, an dem sein Vater ihn mitnahm, um das Eis kennen zu lernen.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter