Hans Bankl - Kolumbus brachte nicht nur die Tomaten

  • Worum es geht
    Der Pathologe Hans Bankl (Jahrgang 1940) präsentiert in seinem Buch ein Sammelsurium interessanter „Geschichten hinter der Geschichte“ von der Neuzeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts.
    Nicht nur Mais, Kartoffeln, Tomaten und Tabak brachte Kolumbus von der Neuen in die Alte Welt, sondern auch eine Geschlechtskrankheit, die„venerische“ Seuche, die sich rasend schnell in Europa ausbreitete, und die Menschheit bis weit ins 19. Jahrhundert hinein geisseln sollte.
    Während von der Syphilis alle Bevölkerungsschichten betroffen waren, galt die Gicht hauptsächlich als Krankheit der Reichen, die sich maßloser kulinarischer Genüsse hingaben. Aber auch Tuberkulose, Cholera und Milzbrand rafften Tausende dahin, ehe der Landarzt Robert Koch am Horizont erschien, und unter primitivsten Bedingungen die Grundlagen der modernen Mikrobiologie legte.
    Hans Bankl beschränkt sich in seinen Geschichten aber nicht allein auf solche mit medizinhistorischem Hintergrund, sondern greift wahllos die unterschiedlichsten Biografien auf. Der Leser trifft, um nur einige Vertreter zu nennen, auf den Erfinder des Struwwelpeters, auf Gustav Mahler, Charles Lindbergh, Winston Churchill, Karl Marx und Friedrich Engels. Er begleitet Sigmund Freud auf seinem langen Leidensweg, lernt Arthur Conan Doyle, den Schöpfer des berühmten Meisterdetektivs als obskuren Spiritisten kennen, begegnet Götz von Berlichingen, und erhält in diesem Zusammenhang auch einen Abriss der spätmittelalterlichen Ständegesellschaft.
    Ins Visier genommen werden aber auch sonderbare und tragische Familien wie die Manns oder die Hemingways, wobei Hans Bankl nicht darauf hinzuweisen vergisst, wie schwer es die Kinder berühmter Väter oftmals hatten. Mozarts Sohn etwa, der nie in die Fußstapfen des genialen Vaters treten konnte, oder August Goethe, dessen Ehefrau Ottilie ihrem verehrten Schwiegervater weit mehr zugetan war als ihrem Gatten.
    Ernstes, Heiteres, Skurriles und Makabres reiht Hans Bankl im bunten Wechsel aneinander, und überlässt seine Leser keinen Augenblick der Langeweile.


    Wie es mir gefallen hat
    Beim Lesen der Information über den Autor habe ich mich zuallererst gefragt, wie ein Pathologe auf die Idee kommt, sich mit einem völlig fremden Fachgebiet zu befassen. Bereits im Vorwort erhält man die Antwort, ist Hans Bankl doch zurecht der Meinung, dass es um die Allgemeinbildung im allgemeinen schlecht bestellt ist. Seiner Ansicht nach hat sich der Wandel vom Menschen, der von „allem“ erstaunlich viel wusste, zu einem, der von „wenig“ erstaunlich viel weiß, in unserer Gesellschaft längst vollzogen. Schauen wir also mit unserem Pathologen über den imaginären Tellerrand, und lassen uns von seiner Begeisterung und Neugierde inspirieren.
    Gut gefallen hat mir der Aufbau des Buches, in dem jedes Kapitel mit einem kleinen Quizspiel eingeleitet wird. Der Leser erhält Informationen zur Person, um die sich die Geschichte dreht, worauf er deren Identität erraten sollte. In den meisten Fällen wird dies auch gelingen.
    Es ist wahrlich ein illustrer Reigen, der uns hier entgegentritt und sich weder chronologisch noch thematisch einer Ordnung unterwirft. Wir erhalten Einblick in die Krankengeschichten berühmter Patienten, erfahren, wer an Leberzirrhose oder Syphilis starb, und am „Zipperlein“ litt.
    Im Pathologisch-Anatomischen Bundesmuseum in Wien soll auch heute noch ein menschliches Stopfpräparat zu sehen sein, waren solche Ausstellungsstücke im 19. Jahrhundert doch keine Seltenheit. Jedenfalls wurde einigen Farbigen, die das Schicksal nach Europa verschlagen hatte, dieser pietätlose Umgang nach dem Tod zuteil.
    Der staunende Leser erfährt aber auch, warum Jean-Paul Marat in den Wirren der Französischen Revolution ausgerechnet im Bad ermordet wurde, und welche Bedeutung sein weißer Kopfputz hatte.
    Ein medizinisches Phänomen war Winston Churchill, der den Ratschlägen seiner Ärzte niemals Folge leistete, Raubbau mit seiner Gesundheit trieb, und dennoch über 90 Jahre alt wurde.
    J. F. Kennedys Gesundheitszustand hingegen war von Jugend an miserabel, doch hinderte ihn seine Krankheit weder am Militärdienst, noch an einer politischen Karriere. Von seiner Tablettenabhängigkeit und dem Stützkorsett, mit dem er sich aufrecht hielt, durfte die Öffentlichkeit allerdings nichts erfahren.
    Die Ringparabel findet ebenso Aufnahme in Hans Bankls Betrachtungen, wie interessante Details zur Entstehung des Freimaurertums.
    Viel Raum widmet der Autor aber auch der Entwicklung der Raumfahrt und der Zeit der ersten Herztransplantationen. Damit nicht genug, nehmen wir zu guter letzt an einer mythologischen und medizinischen Geschichte des Herzens teil.
    Dass das Herz des Pathologen auch für die Sprache schlägt, hat er in seinem Buch auf rund 285 Seiten hinreichend bewiesen. Hans Bankl weiß mitreißend und spannend zu erzählen, und hat mich sowohl mit seinem dynamischen Stil als auch seinem großen Wissensschatz gleichermaßen zu begeistern vermocht. Besonders interessant fand ich jene Kapitel, die auch einen medizinischen Hintergrund haben.
    Anzumerken bleibt nur, dass ich mir ein ganz klein wenig mehr System gewünscht hätte, sei es hinsichtlich der zeitlichen als auch der thematischen Auswahl. Diesem unbedeutenden Kritikpunkt ist auch der Abzug :bewertungHalb: geschuldet.