Über die Autorin (lt. Klappentext):
Hanya Yanagihara, 1975 geboren, ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin. Sie ist Redakteurin beim Stilmagazin T der New York Times.
Über den Übersetzer (lt. Klappentext):
Stephan Kleiner, geboren 1975, lebt als freier Lektor und Übersetzer in München. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen T.C. Boyle, Keith Gessen, Chad Harbach, Michel Houellebecq, Marlon James, Tao Lin, Hilary Mantel, Josh Weil und Meg Wolitzer
Über das Buch:
Eine Herzenssache von mir ist es eine Trigger Warnung vorneweg zu geben. Die entsprechend Gewarnten werden wissen, was es zu heißen hat.
In dem Buch geht es um die Freundschaft vierer Männer, die sich im College kennenlernen und ein Zimmer teilen. Da wäre Malcolm, der als Architekt versucht Fuß zu fassen. Dann JB, der als Künstler seinen Weg gehen wird. Er wird wunderbare und sehr erfolgreiche Bilder von seinen Freunden malen. Willem, der Schauspieler ist. Und die wichtigste Person im Buch ist der charismatische Jude St. Francis, der als Anwalt Erfolg haben wird. Die Geschichte spielt hauptsächlich in New York.
Meine Meinung:
Meine Neugierde wurde gepackt als der Hanser Verlag ziemlich begeistert dieses Buch ankündigte. Man spürte regelrecht wie sie am liebsten jedem das Buch in die Hände drücken wollten und ich fragte mich, was da eigentlich dran sein soll.
Ich ging erst recht kritisch an das Buch heran. Warum sollte ich mich für vier sehr erfolgreiche junge Männer interessieren? Das klang doch eher anfänglich, wie die Lebensgeschichten von Yuppies. Und da bekomme ich das große Gähnen. Im Laufe der Lektüre wurde ich allerdings mitgerissen. Man erfuhr so vieles über die vier, vor allem über Jude, was einem schier die Luft wegnahm. Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus den Händen legen, weil ich unbedingt wissen wollte wie es weitergeht. Was da noch alles passiert. Und wie es endet.
Ein Teil warum die Lektüre funktioniert ist, dass Yanagihara sehr bewusst den Leser manipuliert. Dagegen kann man sich sperren, aber auch einfach nur darauf einlassen. Und dann erlebt man ein richtig gut gemachtes Buch, das den Leser in allen Höhen, aber auch unglaubliche Tiefen mitnimmt. Denn es geht auch um Missbrauch, den Jude in seiner Kindheit erfahren musste. Im Laufe des Lesens werden langsam immer mehr Informationen darüber gegeben. Klar wird damit eindeutig mit den Gefühlen des Lesers gespielt, aber ich konnte nicht anders, ich litt mit.
Die Freundschaft der vier Männer berührte mich sehr. Ich litt mit ihnen, ich lachte mit ihnen, ich lebte fast mit ihnen. Was ich dann noch alles über Jude erfahren hatte, ließ mich dann teilweise auf Unverständnis stoßen, bis ich langsam hinter seine Denkweise kam. Wer bin ich, ihn zu verurteilen?
Ja, mich hat das Buch begeistert. Ich habe es verschlungen und wäre tatsächlich froh gewesen, wenn ich während der Lektüre meine Gedanken hätte mit jemand teilen können.
Noch etwas, ich habe während des Lesens noch nicht einmal darüber nachgedacht, dass es auch um Homosexualität gegangen ist, einfach weil es mir absolut egal ist, ob jemand Homosexuell oder Hetero ist. Wie ich durch die Nachfrage von einer Userin hier gelernt habe, wurde das zu einem Kritikpunkt an dem Buch. O.k., mir wäre es entgangen. Ich habe ein Buch über Freundschaft, Liebe und Missbrauch gelesen. Über das was man mal war und was man ist, was Freundschaft leisten mag und wo ihre Grenzen sind. Über die Frage, wer man ist und wo der Sinn darin besteht zu leben. Ein hinreißendes Buch, das polarisieren wird.
Noch ein paar Worte zu dem Cover. Ich erlaube mir von der Seite des Verlages zu zitieren, da es recht viel ist spoiler ich dann lieber:
Zu intim? Zu herausfordernd? Hanya Yanagihara über das Covermotiv ihres Romans
“Ich wünschte, ich könnte behaupten, ich hätte von Beginn an die Vision – oder den Weitblick – gehabt, Peter Hujars Fotografie »Orgasmic Man« als das richtige Motiv für den Umschlag meines Buches zu erkennen. Ich kannte natürlich Hujars Werk; ich erinnere mich bis heute daran, wie ich als Teenager seinem Porträt der kleinen Tochter eines Freundes begegnete, eines weißblonden Mädchens, das auf einem Sofa sitzt und einen Ball hüpfen lässt, ihr Gesicht und das Bild selbst erfüllt von jener Mischung aus Gravität und Würde, die allen Arbeiten Hujars zu eigen ist. Doch erst, als mein bester Freund – der zugleich mein erster Leser und Lektor ist; so viel von dem Buch, von seiner Philosophie bis zu seinem Erscheinungsbild, ist von seinem Einfluss geprägt – dieses bestimmte Bild vorschlug, wusste ich, dass es so sein sollte.”
Niemand wusste am Anfang so richtig, wie man dieses Buch vermarkten sollte. Das vorherrschende Gefühl war, dass eine sanfte Täuschung angebracht sein könnte. Mein amerikanischer Verlag wollte das Buch als ein Exemplar des beliebten Genres des zeitgenössischen New Yorker Bildungsromans präsentieren. (Zu meinem Entsetzen hatte mein Lektor die Idee, es als »Kreuzung aus Friends und Marcel Proust« zu beschreiben.) Vor diesem Hintergrund war es vielleicht nicht überraschend, dass Hujars Fotografie von allen abgelehnt wurde: den Marketingleuten, den Verlagsvertretern, den Buchhändlern. Das Bild schien zu übergriffig zu sein, zu intim, zu herausfordernd.
Sie hatten nicht Unrecht. Und doch sind es genau diese Eigenschaften, derentwegen ich das Bild liebe. Es schien mir die denkbar aufrichtigste Werbung für das Buch zu sein. Empfindet der Mann Schmerzen oder Lust? Ist er ekstatisch oder tief verzweifelt? Man hat das Gefühl, dass man Zeuge eines fast unerträglich intimen Moments wird, dass man etwas sieht, was man eigentlich nicht sehen sollte. Wir verstehen, dass wir Eindringlinge sind, und doch können wir nicht wegschauen. Auf diese Weise, das ist meine Hoffnung, enthält das Cover ein Echo der Lektüre des Buches selbst, der Art, wie man hin- und hergerissen ist zwischen Hinschauen und Wegschauen, zwischen Widerwille und Zuneigung. (Übrigens findet das Rätsel des Ausdrucks des Mannes seinen Widerhall im Rätsel des Mannes selbst: Man weiß, dass er Dutch Anderson hieß, doch es gibt keinerlei Hinweise darauf, wo oder ob er heute lebt.)
Die Veröffentlichung von Ein wenig Leben hat mir viele unerwartet beglückende Momente gebracht. Eines der Dinge, die mich am meisten freuen, ist die Wiederentdeckung von Hujars Werk durch eine neue Generation von Liebhabern. Er war gerade 53 Jahre geworden, als er an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung starb. Mein Buch ist natürlich nicht ausschließlich oder auch nur hauptsächlich für diese Wiederentdeckung verantwortlich, aber wenn es einige Leser auf Hujar und seine großartige Kunst gebracht hat, wäre mir das eine große Ehre: Kunst ist immer im Dialog mit anderer Kunst, ob bewusst oder unbewusst, und wann immer ein Künstler diesem Dialog eine Zeile hinzufügt, ist das eine wunderbare Erfahrung.
Ich gestehe, dass ich das Bild erst ziemlich unpassend fand. Das änderte sich allerdings im Laufe meiner Lektüre.