Royce Scott Buckingham - Kaltgestellt / Impasse

  • Trip ohne Widerkehr?
    :bewertung1von5::bewertung1von5:
    Am Anfang war ich von dem Buch sehr angetan - mir gefiel der böse, leicht schräge Humor und der arme gescheiterte Anwalt Stuart "Stu" Stark war mir sympathisch und tat mir leid. Ich freute mich auf einen spannenden Thriller, in dem der scheinbar besiegte Underdog sich gegen seine Widersacher durchsetzt und den Tag rettet, und der Klappentext versprach darüber hinaus den elementarsten aller Kämpfe: moderner Mensch gegen archaische Natur.


    Leider kommt hier ein Aber. Ein dickes Aber.


    Aber mehr und mehr gewann ich den Eindruck, dass "Kaltgestellt" eigentlich gar kein Thriller ist, sondern bestenfalls ein humorvoller Roman mit sparsam eingestreuten Thriller-Elementen. Das möchte ich jetzt natürlich noch begründen:


    Von einem Thriller erwarte ich eine ganz bestimmte Art von Hochspannung, sozusagen psychologische Daumenschrauben, gekrönt von einem unerwarteten und dennoch schlüssigen Ende.


    Die Hochspannung wollte sich für mich jedoch nicht so recht aufbauen. Das Buch beginnt relativ langsam mit Stuarts Hintergrundgeschichte, und danach geht es in einem Großteil der Kapitel um seinen Überlebenskampf in der Wildnis (während Frau und Partner zuhause ausnutzen, dass er nicht da ist). Das liest sich zwar interessant, aber eher wie eine Selbstfindungsgeschichte als ein Thriller, und nach ~100 Seiten Selbstfindung hatte ich auch genug davon. Der Klappentext suggeriert, Stuart würde verbissen trainieren, um sich an denen zu rächen, die ihn verraten haben, aber tatsächlich ist ihm bis fast zum Schluss gar nicht bewusst, dass er verraten wurde, denn er glaubt an ein Versehen!


    In meinen Augen noch fataler: die Auflösung ist unglaublich vorhersehbar. Dermaßen vorhersehbar sogar, dass ich erst davon ausging, das müsse zum perfiden Masterplan des Autors gehören. Die Spannung würde schon noch daraus entstehen, dass der Leser zuschaut, wie auch Stuart dahinterkommt und zum Gegenschlag ausholt - aber Fehlanzeige. Sogar, wenn er sozusagen mit der Nase darauf gestoßen wird, bleibt Stuart blind und taub, bis es wirklich absolut nicht mehr anders geht - und dann wurden die Geschehnisse meines Erachtens ein bisschen absurd.


    Stuarts Entwicklung war für mich einfach nicht glaubhaft. Die körperliche Entwicklung vom verweichlichten Anwalt zum gestählten Wildnisexperten fand ich ja noch plausibel, denn diese erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Die mentale Entwicklung vom allzu gutgläubigen, naiven Softie zum knallharten Alphatier kam mir dann jedoch zu plötzlich.


    Abgesehen von Stuart spielen sein Partner Clay und seine Frau Kate die wichtigsten Rollen. Aber Clay war für mich ein sehr eindimensionaler Charakter, der sich im Laufe des Buches nicht großartig weiterentwickelte, und Kates Entwicklung bestand daraus, dass sie sich mehr und mehr Clays Lebenseinstellung annäherte - und das erstaunlich schnell und unreflektiert. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, die fehlende Spannung solle mit verruchtem Sex kaschiert werden, was für mich allerdings nicht funktionierte...


    Der Schreibstil hat mir an sich gut gefallen. Wie anfangs schon gesagt, mir gefiel der Humor, und auch die Formulierungen und der Sprachrhythmus kamen mir gelungen vor.


    Fazit:
    In den ersten Kapiteln war ich noch begeistert, doch dann folgte der Absturz... Spannung baute sich für mich kaum auf, das Ende fand ich unsäglich vorhersehbar, und auch die Charaktere konnten mich nur wenig überzeugen. denn die blieben entweder flach oder entwickelten sich allzu abrupt und unglaubwürdig. Wirklich schade, denn Schreibstil und Humor sprechen mich eigentlich sehr an!

  • Der Klappentext dazu:
    Als Staatsanwalt Stu Stark den wichtigsten Fall seiner Karriere verliert, wird er fristlos entlassen. Um sein angeschlagenes Ego aufzupolieren, lässt er sich auf einen Trip durch Alaskas Wildnis ein. Was wie ein Abenteuer beginnt, entwickelt sich schnell zum Albtraum – denn nach einer Woche wird er nicht am vereinbarten Treffpunkt abgeholt. Man hat ihn im eisigen Polarklima zurückgelassen, wo ihm schon bald der Tod droht. Seine einzige Rettung ist ein alter Jäger, der ihn über den Winter bei sich aufnimmt. Für den ehemaligen Anwalt beginnt ein beinhartes Überlebenstraining, das er nutzen will, um sich an denjenigen zu rächen, die ihn verraten haben ... - Amazon

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)