A. F. Th. van der Heijden - Der Widerborst / Weerborstels

  • Autor: Adrianus Franciscus Theodorus van der Heijden
    Titel: Der Widerborst, aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen
    Originaltitel: Weerborstels, erschien erstmals 1992 als "Buchwochengeschenk"
    Seiten: 117, unterteilt in neun Kapitel
    Verlag: Suhrkamp
    ISBN: 9783518405604


    Der Autor:
    Adrianus Franciscus Theodorus van der Heijden, geboren 1951 in Geldrop bei Eindhoven, zählt zu den bedeutendsten niederländischen Schriftstellern der Gegenwart. Sein 1979 mit dem niederländischen Literaturpreis als bestes Erstlingswerk ausgezeichneter Roman "Eine Gondel in der Herrengracht" veröffentlichte er zunächst unter dem Pseudonym Patrizio Canaponi.
    Mit seinem Romanzyklus Die zahnlose Zeit beschreibt van der Heijden die Gesellschaft in den Niederlanden in der Zeit der 1950er bis in die 80er Jahre, anhand seines autobiographisch geprägten Protagonisten Albert Egberts. Die einzelnen Romane sind auch im Original in nicht chronologischer Reihenfolge erschienen. Da die Teile aber in sich abgeschlossen sind, kann man sie scheinbar in beliebiger Reihenfolge lesen


    Inhalt (Klappentext):
    Widerborstig sind bei Robert, genannt Robby, Egbert nicht nur die Haare, sondern sein ganzes Verhalten. Diese Widerständigkeit resultiert aus einem Gefühl der Minderwertigkeit, dem Robby von klein auf entfliehen will. Und da sein Vater als Radrennfahrer eine kleine Karriere gemacht hat, ist es naheliegend, das Robby ebenfalls als Radrennfahrer seinen Platz in der Gesellschaft zu finden hofft. Die Geschwindigkeit wird ihm zu einer Heilserwartung: Er erwartet sich von ihr die Loslösung aus dem Alltag, das Hinüberspringen aus dem Gewöhnlichen in eine freie Existenz. Doch wenn man den Rausch der immer grösseren Geschwindigkeit benötigt, muß man auf schnellere Gefährte umsteigen. Motorräder und frisierte Autos aber kosten Geld, das sich Robby durch kleine Gaunereien zu verschaffen sucht. Es ist also nicht verwunderlich, daß er nachts eine Polizeikontrolle durchbricht und in der sich anschließenden Verfolgungsjagd mit höchster Geschwindigkeit gegen einen Baum rast.


    Meinung:
    Van der Heijdens großer Gesellschafts- und Zeitzyklus Die zahnlose Zeit umfasst mittlerweile knapp 4.000 Seiten und weitere Bücher sind angekündigt. Um mal in diese Welt hinein zu schnuppern, habe ich mir die mit 117 Seiten deutlich kürzeste Geschichte herausgesucht. Als „Intermezzo“ eher ein „Satellitenroman“ in diesem Zyklus, zumal hier nicht Albert Egberts im Mittelpunkt steht, sondern der fünf Jahre jüngere Vetter Robby. Allerdings wird dessen Leben in neun Kapiteln / Anekdoten aus Sicht des Albert erzählt. Ein allzu inniges Verhältnis haben die Beiden nicht; zwischen ihren Begegnungen liegen stets ein paar Jahre Abstand. Von gemeinsamen Fernsehtagen über die heimlich gerauchten Zigaretten, vom Anfeuern der Radrennfahrer bis hin zu ersten kriminellen Handlungen, bekommt der Leser einen kurzweiligen Umriss des Heranwachsenden.
    Was die Novelle von Massenware abhebt, sind die teils philosophischen Überlegungen zur Geschwindigkeit, die Beschleunigung mit dem Ziel eines nahtlosen Übergangs in eine andere Welt, und das Gefühl des „lichter“ Werdens. Auch das letzte Kapitel, welches die Reflektion einer abgetrennten Radkappe nutzt, um die Momente nach dem Unfall zu schildern, ist erstaunlich ungewöhnlich.
    Dieses knappe Büchlein hat mich jedenfalls überzeugt und bei Gelegenheit werde ich weitere Romane von diesem Autoren lesen.