Bernadette Németh - Der Rest der Zeit

  • "Die Schuld ist wie ein Rucksack, der ständig weitergegeben wird, nichts ist leichter, als sie dem Kind umzuhängen, anstatt sich selbst mit seinen Bedürfnissen zu beschäftigen."
    Als die Ärztin Tünde an der Halswirbelsäule operiert werden soll, steht sie vor ihrer größten Entscheidung des Lebens. Und so beginnt sie eine Rückblende ihres Lebens, das mit so viel Freude und Sehnsüchten begann, die schlussendlich nicht alle erfüllt wurden. Bei ihrem größten Wunsch Ärztin zu werden, kommt sie immer mehr an ihre Grenzen. Viel zu viele negative Erfahrungen musste sie als Turnusärztin erleben. Doch auch ihr Bruder Adam Professor für Theologie, plagt eine unerfüllte Liebe, bis er vor den Trümmern seiner Ehe steht. Auch Melinda ihre Schwester hat Sehnsüchte, den in Gedanken betrügt sie ihren Mann jeden Tag mit einem anderen. Derweil wollten sie nie so werden wie ihre Eltern, den schon diese hatten eine unerfüllte und belastende Vergangenheit. Tamás, Tündes Vater musste damals, während des Aufstands nach Österreich flüchten, diese damaligen Erlebnisse plagten ihn noch Jahre später in Alpträumen. Auch Erika ihre Mutter hatte kein erfülltes Leben, sie hatte mit vielen Entbehrungen zu kämpfen und einem Unglück. Irgendwann entdeckt dann Adam ein bitteres Geheimnis seiner Mutter, das sie immer mit sich herumtrug.


    Meine Meinung:
    Ein literarisch sehr gutes Werk, das mich Seite für Seite immer mehr in den Bann zog, bis ich es am Ende kaum mehr weglegen konnte. Schon bei ihrem letzten Buch "Der zweite Blick" hat mich die Schreibweise der Autorin fasziniert. Auch dieses Werk ist wieder sehr anspruchsvoll, mit viel Emotionen, und Wahrheiten gespickt. Was mir lediglich fehlte, war im Anhang die Erklärung für manche Fremdwörter und österr. Redewendungen. Ich habe mich in manchen Szenen doch tatsächlich auch wiedererkannt, den ich denke, welcher Mensch hat schon ein hundertprozentig erfülltes Leben? Wie ich von der Autorin erfahren habe, ist in diesem Buch auch einiges aus ihrem Leben verarbeitet worden. Auch sie hat wie Tünde als Ärztin gearbeitet und so manches erlebt. Ich denke das sie sich in einigen Situationen gefragt hat: "Was würdest du tun, mit dem Rest der Zeit, wenn du nur noch ein paar Monate zu leben hättest?" Ich jedenfalls kann dieses Buch nur weiterempfehlen, den es wird bei einigen die Augen öffnen, viele zu Tränen rühren und manchen vielleicht den Weg weisen. Für mich jedenfalls war es ein literarisches Meisterwerk, das mich sicher noch länger beschäftigen wird deshalb auch 5 von 5 Sterne. :thumleft::applause::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Hier gibt es doch genug Österreicher, frag doch einfach. :wink:

    Na dann kann ich ja gleich googeln, was ich ja auch gemacht habe. Trotzdem sollte das nicht sein das man immer wieder was nachschauen muss, da wäre so ein Anhang schon besser gewesen.

  • :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Als frühere Spitalsärztin mit schockierenden Grenzerfahrungen stellt Bernadette die brennende Frage: Wie nützt du deine kurze Lebenszeit in Todesnähe? Mit eindringlichem Röntgenblick und empathischem Feingefühl werden Lebensabschnitte dreier Geschwister erzählt und reflektiert. Gefangen in den Zwängen ihres Familiensystems suchen diese nach der Sinnhaftigkeit ihrer ungelösten Probleme angesichts ständiger Lebensbedrohungen. Mühsam finden sie zu Entscheidungsfreude und stimmigen Einsichten.
    Mit meisterlicher Ausdruckskraft und urweiblicher Vernetzungskunst entwirft die Autorin sehr lebensechte Psychogramme, sodass der Leser darin sein ähnliches Schicksal erkennen kann. Die permanente Lust an Psychodramen und bisweilen arge Schocktherapie durch das brutal offene Benennen intimer Erotik und medizinischen Ekels mag kranke oder sehr sensible Leserinnen verstören, aber mehr Humor würde wohl nicht zur sehr ersthaften Todesthematik passen. Diese wichtige Lektüre macht nicht Lebensweise, kann aber hilfreiche und tröstliche Denkanstöße geben.