Volker Reinhardt & Arne Karsten - Kardinäle, Künstler, Kurtisanen

  • Worum es geht
    Neunzehn Geschichten erzählen die beiden Historiker vom Leben im frühneuzeitlichen Rom, berichten von wankelmütigen und cholerischen Päpsten, vom oft tödlich endenden Standesdünkel vornehmer Familien, von arrangierten Ehen, die manchmal sogar glücklich werden, von Karrieren und Abstürzen, von Intrigen, Mord und Tod.
    Gesetz ist das Wort des „schrecklichen Greises“ auf der Baustelle von St. Peter, berüchtigt der notorische Totschläger Caravaggio, gefürchtet der „göttliche Bernini“, der seine nicht minder begabten Kollegen zur Weißglut treibt. Papst Gregor XIII. tritt uns als Herr über die christliche Zeit entgegen, während Galilei, der berühmteste Konvertit zum kopernikanischen Glaubensbekenntnis, von einer unbelehrbaren und selbstherrlichen Kirche schuldig gesprochen wird der Erkenntnis, dass die Erde sich um die Sonne drehe.
    Im letzten Abschnitt wird schließlich auch die Welt des kleinen Mannes zum Leben erweckt. Von undisziplinierten Söldnerhaufen ist genauso die Rede wie von würdevollen Kardinälen, die sich höchstpersönlich in Straßenschlachten einbringen.
    Aus dem Jahre 1638 ist ein aufsehenerregender Lebensmittelskandal belegt, enthielten die berühmten Würste aus Norcia doch damals schon unerlaubte „Zusatzstoffe“. Lebensgefährlich wurden sie aber nicht den Konsumenten, sondern vielmehr den Erzeugern der fleischlichen Genüsse.
    Zehn Jahre später steht schließlich der Tod vor den Toren Roms, weil Brot durch Missernten und Misswirtschaft immer teurer wird, und überhaupt mehren sich die bösen Vorzeichen.
    Davon völlig unbeeindruckt baut der Pamphili-Papst zwar keine Türme, dafür aber Brunnen in den Himmel – denn verkehrt ist und bleibt die Welt, wo Wasser bergauf strömt, bis am Ende des 18. Jahrhunderts endlich die Vernunft das Zepter übernimmt.


    Wie es mir gefallen hat
    Wenn ein hochkarätiger Historiker wie Volker Reinhardt und sein jüngerer Fachkollege Arne Karsten Geschichten erzählen, dann darf sich der Leser weder Anekdoten noch Legenden erwarten. Zweifellos ist mit Geschichten aus der Geschichte zu rechnen, genauer gesagt aus der Zeit der Renaissance, akkurat durch hieb- und stichfeste Quellenlage belegt, und der Wahrheit so nahe wie nur irgend möglich.
    „Treffpunkt ist eine Welt, die von uns weiter entfernt ist als die Milchstraße und zugleich ganz nahe scheint, rätselhaft vermischt aus Vertrautheit und Fremdheit“, schreibt Professor Reinhardt in der Einleitung, und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Schließlich waren die Akteure Menschen wie wir, auch wenn sie vor mehr als 400 Jahren lebten, und doch zeigte ihnen die Welt ein ganz anderes Gesicht, beherrschten andere, uns unfassbare Ereignisse ihren Alltag. „Es sind Menschen, die – mit einigen gefährdeten Ausnahmen – daran glauben, dass sich die Sonne um die Erde dreht, dass der Teufel unter ihnen umgeht, dass der Papst die Schlüssel zu Himmel und Hölle besitzt.“
    Die Enttäuschung ihrer Leser, dass es gleich zu Beginn der Lektüre wieder um schon längst bekannte Päpste und Kardinäle geht, um Mitglieder der bekannten und berühmten römischen Familien, die das Leben der Stadt bestimmten, dürften die Autoren vorausgeahnt haben, denn eine Erklärung, die fast wie eine Entschuldigung klingt, folgt auf dem Fuße. Angewiesen auf die vorhandenen Aufzeichnungen, müssen Historiker so gut wie immer feststellen, dass in diesen Berichten meist von den erfolgreichen Zeitgenossen die Rede ist, während die Quellen über diejenigen, die im Kampf um den gesellschaftlichen oder politischen Aufstieg unter die Räder kamen, bald verstummen. Dennoch gelingt es den Autoren, auch einige einst hoffnungsvoll begonnene Karrieren späterer Verlierer zu rekonstruieren, und ihrem Lesepublikum eindrucksvoll vor Augen zu führen.
    Nicht nur das Selbstverständnis der Renaissancepäpste mutet in der heutigen Zeit unwirklich an, auch oftmals tödlich verlaufende Streitigkeiten - etwa wegen eines nicht eingehaltenen Vortrittrechts unter Adeligen - sind vom modernen Leser unmöglich nachzuvollziehen. Umso plausibler daher die Erklärung der Autoren, dass Prioritäten in der gesellschaftlichen Rangliste damals nicht medial geklärt werden konnten. Wer sich durchsetzen wollte, sah sich oftmals gezwungen vom Faustrecht Gebrauch zu machen, und seine Bedeutung auf diese Weise vor aller Augen zu demonstrieren.
    Die frühneuzeitlichen Staaten waren noch schwach und voller innerer Widersprüche, Disziplin keine hervorstechende Eigenschaft der damaligen Gesellschaft. „Das Leben der Menschen war im Vergleich zu späteren Epochen unmittelbarer, weniger kontrolliert, weder durch staatliche Instanzen, noch durch jene Selbstzwänge deren zunehmende Wirksamkeit für den Prozess der Zivilisation kennzeichnend ist“, schreibt Arne Karsten. „Man tat sich einfach keinen Zwang an, oder jedenfalls weit weniger, als das in modernen Industriegesellschaften der Fall zu sein pflegt.“
    Mit Erklärungsansätzen wie diesen sorgt das Autorenduo sicher für erhellende Momente unter seiner Leserschaft, sind doch viele Verhaltensweisen der Menschen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit noch immer schwer genug zu verstehen.
    Besonders gut gefallen hat mir der Abschnitt über die Künstler, lediglich die Kurtisanen sind meiner Meinung nach etwas zu kurz gekommen.
    Beeindruckt vom fachlichen Wissen beider Historiker, hat mich auch der schöne, fast schon poetisch anmutende Stil sehr angesprochen. Ein lesenswertes Buch, das neben unterhaltsamen Momenten auch zum vertiefenden Verständnis einer ohnehin schwer verständlichen Zeit beiträgt.

  • Ich habe das Buch nun zur Hälfte gelesen - und erst einmal zur Seite gelegt. Für mich ist es ein Zwar/aber-Buch. Zwar ist das Ganze gut geschrieben und vor allem mit gaaaanz viel Fachwissen erstellt, aber der Funke springt bei mir nicht über. Ich merke, dass ich nach kurzer Zeit unaufmerksam werde. ich denke aber auch, dass es eher ein Buch für Fachleute und Tifosi ist. Wem die erwähnten Namen nichts sagen, der ist wohl wie ich schnell überfordert. Man braucht eine ganze Menge an Vorwissen, um dieses Buch wirklich genießen zu können. Ich fand das Erwähnte auch oft sehr amüsant, konnte es aber nirgendwo einordnen. Immer wieder musste ich mich fragen, ob es jetzt gleichzeitig oder viel später oder früher spielt als die Geschichte davor. Ist dieser Mensch schon einmal aufgetaucht etc. Das schmälerte meine Lesefreude ungemein.
    Aber eigentlich ist das alles keine Kritik am Buch, sondern eher an mir als Konsumenten. Bin ein kleines bisschen zu dumm dafür.