Friedrich Christian Delius - Einige Argumente zur Verteidigung der Gemüseesser

  • Autor: Friedrich Christian Delius
    Titel: Einige Argumente zur Verteidigung der Gemüseesser, erschien erstmals 1985
    ISBN: 978-3-880-22306-6


    Der Autor: (von der Autoren-Homepage)
    Friedrich Christian Delius, geboren im Februar 1943 in Rom, aufgewachsen in Wehrda, Kreis Hünfeld, und Korbach in Hessen. Seit 1963 in Berlin, Studium an der Freien und Technischen Universität (Dr. phil. 1970). 1970 bis 1978 Lektor für Literatur in den Verlagen Klaus Wagenbach und Rotbuch. Prozesse, welche die Siemens AG (1972-76) und Helmut Horten (1979-82) gegen ihn führten, erfolgreich überstanden. Seit 1978 freier Schriftsteller, von 1978-80 in Beek bei Nijmegen/NL, von 1980-84 in Bielefeld. Seitdem lebt er wieder in Berlin (von 2001 bis 2013 in Rom und Berlin). Georg-Büchner-Preis 2011. Übersetzungen seiner Bücher in 18 Sprachen. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste Berlin.


    Inhalt:
    Der Autor findet während einer Zugfahrt in einem verlassenen Abteil eine Denkschrift. In betulichem Beamtendeutsch von einem mittlerweile pensionierten EG-Beamten verfasst, appelliert der unbekannte Schreiber an einen „hochverehrten Herrn Präsidenten“ und macht Vorschläge zur „Neuen Hungerpolitik“.
    Gemäß der natürlichen Ordnung, in der es Starke und Schwache gibt, ist es das natürliche Los der Schwachen und Hungernden, von den Starken unterdrückt und ausgenutzt zu werden. Die westliche Politik der Industrieländer verhilft den Hungernden in der Dritten Welt zu einem möglichst schnellen Ende.
    Gerade die deutsche Politik (Anfang der 1980er Jahre) erkenne insbesondere den Fleischgenuss als wirksame Bekämpfung des Hungers in der Welt an. Dabei würden auch Vegetarier ihren Teil zur neuen Hungerpolitik beitragen. Analytisch betrachtet der Pensionär die unterschiedlichen Lösungsansätze, verwirft die blauäugige Wunschvorstellungen, Lebensmittel fair über den Globus verteilen zu können, und befürwortet die optimistische Hungerpolitik, mit der die Starken stärker werden und die Schwachen – naja, jedenfalls nicht mehr werden. Nachdem die Industrie, Banken und die Politik bereits alles tut, dass der Reichtum bei den „Starken“ in der westlichen Welt bleibt, ist es wichtig, dass auch der Einzelne versteht, wie er besonders verarmungsintensive Kampagnen unterstützen kann (bspw Gütesiegel).


    Meinung:
    Hiermit oute ich mich mal als großen Fan von Friedrich Christian Delius: seine Textformen sind originell, die Themen variantenreich und zeitlos, sprachlich bewundernswert in seiner Vielfalt. Er beleuchtet zeitgeschichtliche Stoffe aus einem anderen Blickwinkel, und in einer anderen Form. Das ist zu einem selten bequem, zum anderen können gerade die dokumentarisch angelegten Texte als langweilig erscheinen.
    Ein für seine Satiren typisches Buch, welches wohl zu den vernachlässigten Texten in seinem Werk gehört, ist die Denkschrift „Einige Argumente zur Verteidigung der Gemüseesser“. Unter dem harmlosen Titel verbirgt sich eine ziemlich böse Satire, die das Gegenteil von dem sagt, was sie meint. Delius liefert hier eine deftige Kritik an den Industrieländern, insbesondere dem Exportweltmeister Deutschland, die mit Hilfe ihrer liberalen Freiheitspolitik wirtschaftlichen Kannibalismus zu Lasten der Dritten Welt betreiben.
    Dreissig Jahre alt ist der Text mittlerweile, aber wer sich kritisch mit Freihandelsabkommen und der Entwicklungspolitik auseinander setzt, der wird feststellen, dass diese Denkschrift auch heute noch lesenswert ist – egal, ob man für mehr oder weniger Freihandel und Wirtschaftsregulierungen ist. Diese bissige Satire kritisiert auch generell, wie technokratisch und eigennützig Behörden argumentieren können.