Clara Henriette Sophie Westhoff ist 17 Jahre jung und möchte unbedingt nach München. Um 1900 gilt München neben Paris als führende Kunststadt Europas. Aber weiß Clara, welche Widerstände ihr begegnen werden? Auch wenn die Eltern ihre Liebe zur Malerei gefördert haben, Malerinnen sind in der Unterzahl. Noch dazu solche, die ihr Geld damit verdienen können. Das können die Herren der Schöpfung nicht zulassen.
Zitat von Marina Bohlmann-ModersohnIst ihr bewusst, wie groß die männliche Konkurrenz ist, wie verschworen die Bünde der Meistermaler, die malende junge Frauen als Dilettantinnen verhöhnen und ihnen das Tor zu einem Akademiestudium immer noch verschlossen halten? Kann sie sich ein Bild machen, wie schwierig die Lebensbedingungen speziell für Künstlerinnen sind und schließlich: Wie kaum vereinbar Leben und Kunst?
Doch solche Fragen stellt sich die 17-Jährige noch nicht. Und so packt sie im Oktober 1895 ihre Koffer.
München lockt nicht nur Maler. Auch Musiker, Meister der Lebenskunst und Schriftsteller lassen sich hier nieder. Der junge Thomas Mann arbeitet für Albert Langen als Lektor und schreibt an seinem „Buddenbrooks“.
Clara besucht hier die private Malschule von Friedrich Fehr und Ludwig Schmid-Reutte in der Theresienstr. 71. In Briefen nach Hause äußert sie sich abschätzig über Frauen, die nur für den Hausgebrauch malen wollen. Und sie erkennt schnell diejenigen, die eine künstlerische Karriere beabsichtigen.
Nach mehr als zwei Jahren kann sie dem Vater, der ihr Studium finanziert, noch nichts vorweisen. Nichts scheint ihr gut genug, um es ihm zu zeigen. Aber es zieht sie nun von München nach Worpswede.
Hier wird die mittlerweile 20-jährige Clara im Frühjahr 1898 Schülerin von Fritz Mackensen. Und ihr Berufswunsch malt sich hier ab: Bildhauer möchte sie werden.
Auf Paula Becker, die ebenfalls in Worpswede ist, macht Clara großen Eindruck:
Zitat von Marina Bohlmann-ModersohnDa ging mir heute ein Licht auf bei Fräulein Westhoff. Die hat jetzt eine alte Frau modelliert, innig, intim. Ich bewundere das Mädel, wie sie neben ihrer Büste stand und sie antönte. Die möchte ich zur Freundin haben. Groß und prachtvoll anzusehen ist sie und so ist sie als Mensch und so ist sie als Künstler.
Die beiden Frauen haben früh den Aufbruch gewagt, haben studiert und wollen sich gegen alle Vorurteile und Widerstände in der Kunstwelt behaupten, wollen die Kunst zu ihrem Beruf machen.
Aus Briefausschnitten, die die Autorin für das Buch verwendet hat, erfahren wir, wie sehr die Frauen damals kreativ sein wollten, lernen wollten, etwas schaffen wollten. Sie gingen auf Reisen, zu Ausstellungen. Im Reisegepäck das Tagebuch der Marie Bashkirtseff, eine russische Malerin, deren Gemälde in Frankreich entstanden sind.
Sie versuchten, nebenher Geld zu verdienen, um sich weiterzubilden. Auch wenn das bedeutete, Auftragsarbeiten zu erledigen.
1900 kommt Rilke nach Worpswede. Er ist unglücklich, da ihn seine Liebe Lou Andreas-Salomé verlassen hat. Hier lernt er Paula Becker und Clara Westhoff kennen. Er besucht Ausstellungen, die Hamburger Kunsthalle. „Mir ist, ich lerne jetzt erst Bilder schauen“, schreibt er in sein Tagebuch. Und er beschließt, in Worpswede zu bleiben.
Die Biografie ist sehr interessant geschrieben. Besonders aufgewertet wird sie durch die vielen Briefzitate. Die geben einen ganz privaten Einblick in das Leben der Künstler, die hier auftauchen. Ob es nun die Freundschaft zwischen Clara Westhoff und Paula Becker betrifft oder die jeweiligen Ehen der Frauen mit ihren Männern, die so ganz unterschiedlich verlaufen. Paula ist finanziell abgesichert durch ihren Mann, kann sich also ganz ihrer Kunst hingeben. Die Freundschaft zu Clara bekommt einen Riss, als diese Rainer Maria Rilke heiratete und Mutter wurde. Von Rilke erfahren wir, wie schwer er es mit seiner Familie hat. Weder er noch Clara haben Arbeit. Er möchte aber, dass sie beide in ihrer jeweiligen Kunst tätig sein können.
Wird es ihnen gelingen? Oder bleibt es für sie zu Lebzeiten eine brotlose Kunst? Das lest selbst.