David Goodis - Am Ende der Nacht / The Burglar

  • Der Autor (nach Wikipedia, einem Porträt von James Sallis und dem Nachwort von André Simonoviescz): Der am 2. März 1917 in Philadelphia geborene David Loeb Goodis war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor.
    Goodis wuchs in Philadelphia auf und studierte Journalismus. 1938 siedelte er nach New York über und schrieb, auch unter verschiedenen Pseudonymen, für Zeitschriftenmagazine. In dieser Zeit erschien sein erster Roman Retreat from Oblivion. In den folgenden Jahren schrieb Goodis vor allem Hörspielserien für das Radio. Nachdem anfangs einige seiner Kurzgeschichten auf kein Interesse bei Filmproduzenten stießen, wurde sein zunächst als Fortsetzungsroman veröffentlichtes Werk "Dark Passage" ein großer Erfolg und 1947 mit Humphrey Bogart und Laureen Bacall in den Hauptrollen verfilmt. Etliche seiner Romane wurden zu Filmen verarbeitet. Goodis gilt als einer der wichtigsten Autoren des Film noir. Nach seinem Tod wurden seine Werke in den USA kaum noch gedruckt, dafür stieß seine Literatur vor allem in Frankreich auf Interesse. Sein Leben lang war Goodis seinen Eltern und seiner Heimatstadt sehr verbunden. Nachdem sein Vater 1963 starb, ging es mit Goodis, der den Ruf eines starken Trinkers und Schlägers hatte, mental rapide bergab. Nach dem Tod seiner Mutter ließ er sich in eine psychiatrische Anstalt einweisen. Goodis starb im Alter von 49 Jahren am 7. Januar 1967 in Philadephia an einem Schlaganfall.


    Werke (mit deutscher Übersetzung):

    • Dark Passage (1946, dt. Die schwarze Natter)
    • Nightfall (1947, dt. Die Nacht bricht an)
    • Of Missing Persons (1947, dt. Die Täuschung)
    • Behold This Woman (1950, dt. Messer im Blick)
    • Cassidy's Girl (1951, dt. Cassidys Mädchen)
    • Street of the Lost (1952, dt. Straße der Barbaren)
    • The Burglar (1953, dt. Am Ende der Nacht)
    • The Moon in the Gutter (1953, dt. Der Mond in der Gosse
    • Black Friday (1954, dt. Schwarzer Freitag / Begräbnis auf besonderen Wunsch)
    • Street of No Return (1954, dt. Straße ohne Wiederkehr)
    • Down There (1956, dt. Schießen Sie auf den Pianisten / Schüsse auf den Pianisten)
    • Fire in the Flesh (1957, dt. Feuer in der Nacht)
    • Night Squad (1961, dt. Wenn die Nacht vergeht)



    Klappentext: Ein Leben voller Schmutz und Schatten – und doch kann sich Nat Harbin kein anderes Dasein vorstellen. Seit achtzehn Jahren schlägt er sich als Einbrecher durch, und nie wurde er gefasst. Die Coups mit seiner Bande sind Maßarbeit, selbst bei größter Gefagr. Doch von einem Moment auf den anderen steigt Nat aus: Er ist Della begegnet, der betörend schönen, rätselhaften Frau, die wie ein grelles Licht in sein dunkles Leben fällt. Die haltlose Liebe zu ihr bringt ihn fast um den Verstand, Doch bald beginnt er zu ahnen, dass Della ihn verraten wird … oder sogar töten. David Goodis, der Poet der Verlorenen, hat den lakonischen Kriminalroman geprägt wie kein anderer. "Am Ende der Nacht" (Originaltitel: "The Burgler") wurde gleich zweimal verfilmt: zunächst in den USA mit Jayne Mansfield und Dan Duryea, später in Frankreich von Henri Verneuil mit Jean-Paul Belmondo.


    Der Roman erschien 1953 unter dem englischen Titel „The Burglar“ bei Lion Books und als Paperback Original in der Reihe Gold Medal Books der Fawcett Publications und wurde unter anderem 1991 von Black Lizard nachgedruckt. Die deutsche Übersetzung von Reinhard Rohn erschien unter dem Titel „Am Ende der Nacht“ 1990 in der „Schwarzen Serie“ im Bastei-Lübbe-Verlag mit einem Nachwort und einer ausgewählten Filmografie von André Simonoviescz. Diese Ausgabe umfasst 207 Seiten. Die französische Ausgabe erschien dagegen schon 1954 bei Gallimard in Paris unter dem Titel „Le casse“, übersetzt von Laurette Brunius. Auf Spanisch kann man den Roman unter dem Titel „El ladron“ dank der Übersetzung von Eduardo Lizalde schon seit 1957 lesen.



    „Der leere Raum schaute auf ihn zurück.“ Danke dem kurzen Nachwort der deutschen Ausgabe, dass es mir dieses Goodis-Zitat mitgegeben hat. Das Nichts blickt auf Menschen, die ihre Identität und ihren Antrieb verloren haben. Totale Vereinzelung, irgendwo am Rande des Gesichtsfeldes rudern andere Menschen hilflos mit den Armen im Nebel. Verschlossene Menschen, deren Inneres unter Dampf zu stehen scheint. An der Seite der Frau zu sterben, die zu lieben man sich mit Mühen einreden kann, erscheint solchen Menschen fast wie eine glückliche Fügung.


    Eine Ansammlung trauriger Menschen wird von einem erbarmungslosen Autor auf dem dramaturgischen Schachbrett herumgeschoben. Figuren, die darunter leiden, dass sie nichts haben, wohin sie zurückkehren können und nichts, worauf sie sich freuen können, außer einfach immer wieder und noch einmal das zu tun, was sie so gut können: Einbrechen und stehlen – und dabei rechtschaffen bleiben. Ihnen bleibt nur, eine mit Schuld und Trauer belastete Vergangenheit durch eine Gegenwart ohne Zukunft tragen. Doch alles nützt nichts, je mehr man sich müht, desto stärker reitet man sich und andere ins Verderben - dadurch dass man sich nicht eingesteht, was man fühlt, aber auch gerade dadurch, dass man es sich eingesteht. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Figuren, die es müde sind, ebendas in sich zurückzuhalten, was sie fühlen.


    Au Backe, ist dieser Roman gut – unglaublich treffsichere, erstaunlich klischeefreie Dialoge, in denen sich die Figuren nichts schenken, und eine sehr dichte Handlung, deren böse Fallstricke sich um die Figuren und um den Leser unerbittlich zusammenziehen. Gerade der Hyperrealismus des Geschehens und der Schilderungen des Geschehens scheint die Außenseiterfiguren der Geschichte immer weiter fort von der Wirklichkeit zu tragen, so dass ihr enttäuschter Blick keinen Grund mehr wahrnimmt, die schon fast traumartige Halbwelt, in der sie leben, zu verlassen. Aus Weltekel wird Selbstekel und Selbstzerstörung. Ein Verbrecherroman über Loyalität und Pflichtbewusstsein, aber auch über uneingestandene Gefühle, Trauer und eine übergroße Lebensunlust, vielleicht auch: die Unfähigkeit zu fühlen oder sich selbst zu begreifen. Eine eisige Kälte durchweht diesen Roman, unter dessen Oberfläche das Elend des menschlichen Daseins laut, aber ungehört aufschreit. Eine dünne Schicht aus Antriebslosigkeit trennt das Grauen von der Erkenntnis. Nach so depressiver Hard-Boiled-Literatur muss man lange suchen und braucht überzeugte Verleger. David Goodis, der große Runterzieher, hat es wieder getan: Höchstwertung – auch und gerade für das hochgradig bittere, aber überaus stimmige Ende! :applause:
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Als Einführung in Leben und Werk von David Goodis empfehle ich den Essay "David Goodis: Leben in Schwarz und Weiß" von Krimiautor James Sallis, der übersetzt von Olaf Möller enthalten ist in: Martin Compart (Hg.) Noir 2000 - Ein Reader, Köln 2000 (=DuMont Noir 22). Im Original erschien "David Goodis: A Life in Black and White" im Krimimagazin "The Armchair Detective" im Frühjahr 1993 im Verlag Mysterious Press.

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  • Die englische Wiederveröffentlichung aus dem Jahr 1991 unter dem Originaltitel "The Burglar" umfasst mehr als genug 154 Seiten.

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  • Die französische Übersetzung, als "Le casse" 1969 bei Gallimard erschienen.

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  • Mir ist gerade noch ein Aspekt eingefallen, den ich eigentlich unbedingt in meiner Rezension anführen wollte, aber dann vergessen habe. #-o Es ist sicherlich kein Zufall, dass wenn Personen im Laufe der Handlung mittels Handfeuerwaffen getötet werden, mit schöner Regelmäßigkeit beschrieben wird, dass die Schüsse den Opfern das halbe Gesicht bis zur Unkenntlichkeit weggeschossen hatten. Jede Identität zerfällt und wird zerstört in der traurigen Welt des Protagonisten. Man kann noch nicht einmal dem trauen, was man ist oder glaubt zu sein. Und das Gegenüber ist entweder auch unkenntlich oder austauschbar und drängt nach der Vernichtung des eigenen Selbst. :(

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