Michaela und Karl Vocelka - Franz Joseph I.

  • Worum es geht
    Im August 1830 als Sohn des österreichischen Erzherzogs Franz Karl und der bayrischen Prinzessin Sophie Friederike geboren, wird der heiß ersehnte Kaiserenkel von Anfang an auf seine Rolle als künftiger Kaiser vorbereitet. Der kleine Franzi ist ein munteres, an allem militärischen sehr interessiertes Knäblein, das schon als 7-jähriger bekennt, dass ihm der liebste Geruch der Pulverdampf sei. Aus dem heiteren Kinde wird ein sehr ernster, streng erzogener Jüngling, der in den Wirren der 1848-er Revolution unter starkem Betreiben seiner Mutter, der ehrgeizigen Erzherzogin Sophie, als Hoffnungsträger der Monarchie auf den Thron gelangt.
    Beinahe 68 Jahre sollte er ihn innehaben, doch nur kurze Zeiten ungetrübten Glücks waren dem Kaiser beschieden. In seiner Ehefrau Elisabeth hatte er keine Stütze für sein schweres Amt gefunden, und auch die politischen Verhältnisse im Vielvölkerstaat waren nicht dazu angetan, sorgenfrei in die Zukunft zu blicken. Die ersten 20 Regierungsjahre des Kaisers waren von blutigen Kriegen im Kampf gegen die italienische Einigung und um die Vorherrschaft in Deutschland geprägt. Bereits 1867 ist mit der Krönung Franz Josephs zum König von Ungarn der politische Höhepunkt seiner Amtszeit erreicht. Die folgenden (fast) 50 Jahre bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 werden vor allem von persönlichen Katastrophen und Schicksalsschlägen des Kaisers bestimmt, während sich der Balkan immer mehr zum Pulverfass der Monarchie entwickelt.
    Als Franz Joseph am 21. November 1916 stirbt und das Hofzeremoniell bei der Beisetzung in der Kapuzinergruft noch einmal seine ganze düstere Pracht entfaltet, wirkt dieses Szenario auf viele Beobachter wie ein Vorzeichen auch des nahenden Endes der Donaumonarchie.


    Wie es mir gefallen hat
    Dass zum 100. Todestag Kaiser Franz Joseph I. eine weitere Biografie erscheinen würde, habe ich fast erwartet, nicht aber, dass sie mir so gut gefallen würde. Schließlich habe ich schon andere Bücher zum Thema gelesen, und mich gefragt, was mich jetzt noch Neues erwarten sollte.
    Neu war zwar nicht die chronologische Schilderung der Ereignisse, doch hat mich die Art und Weise, wie das Autorenteam an diese Aufgabe herangeht, außerordentlich beeindruckt. Dazu gehört einerseits die strenge Orientierung an vorhandenem Quellenmaterial (wobei sich gezeigt hat, dass viele dem Kaiser zugeordnete Aussprüche bei näherer Betrachtung der Überprüfung nicht standhalten), andererseits eine bemerkenswerte Strukturierung dieses langen Herrscherlebens, bei dem stets die Persönlichkeit Franz Josephs im Mittelpunkt steht.
    Die beiden Autoren weisen darauf hin, dass die ersten 18 Lebensjahre des Thronanwärters besonders detailliert geschildert werden, weil die Erziehung auch sein Amtsverständnis entsprechend prägte. Die ersten 20 Jahre der Regierung Franz Josephs sind deshalb einer besonderen Würdigung wert, weil sie von weitaus mehr politischen Ereignissen bestimmt wurden, als die fast 50, die noch folgen sollten.
    Äußerst übersichtlich im Aufbau und verständlich erklärt, wird dem Leser nicht nur die Lebenswelt und das Umfeld des Kaisers vor Augen geführt, sondern auch die Spannungen im Volk. Um soziale Leistungen war es schlecht bestellt, Not und Elend gehörten zum Alltag des Großteils der Bevölkerung, während die Zensur vor allem von Studenten und Intellektuellen als geistige Fessel empfunden wurde.
    Der junge, noch unverheiratete Franz Joseph erscheint im gnadenlosen Vorgehen gegen die Revolutionäre von 1848 als unerbittlich, und kann mit dem später vorherrschenden Bild des milden Kaiservaters kaum in Einklang gebracht werden.
    Intensiv befassen sich die Autoren auch mit dem Charakter des Kaisers, seinem Verständnis vom Gottesgnadentum seines Amtes und seinem Widerwillen einer konstitutionellen Regierungsform gegenüber. Disziplin, Pflichtbewusstsein und die ihm anerzogene Distanz selbst zu ihm nahe stehenden Angehörigen lassen kaum Spielraum für unbeschwerte Erholung im Kreise seiner großen dynastischen Familie. Während Franz Joseph an die Mitglieder des Hauses Habsburg hohe moralische Erwartungen stellt, nimmt er es selber mit der ehelichen Treue wenig genau. Bereits vor der berühmten Katharina Schratt, die verharmlosend als die "Freundin" bezeichnet wird, hatte der Kaiser stets Mätressen, die er auch finanziell oft über viele Jahre versorgte.
    Sehr gut geschildert, weil möglichst objektiv beschrieben, finde ich das Verhalten Franz Josephs im Falle seiner persönlichen Schicksalsschläge, ebenso wie die Darstellung seiner späten Lebensjahre mit der Mühsal des Alters, denen in der Unterzeichnung der Kriegserklärung an Serbien ein trauriger Abschluss beschieden ist.
    Übersichtliche Strukturierungen, verständliche Erklärungen großer politischer Ereignisse, eine möglichst objektive charakterliche Darstellung des Protagonisten, und das alles in einem klaren, schnörkellosen, leicht zu lesenden Stil, sind die Pluspunkte dieser hervorragenden Biografie, der ich viele begeisterte Leser wünsche.

  • Schließlich habe ich schon andere Bücher zum Thema gelesen

    mir scheint, Du liest Dich gerade stark durch die österreichische Geschichte. :wink: Danke für die Rezi :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • mir scheint, Du liest Dich gerade stark durch die österreichische Geschichte.

    @Sylli
    Wenn Du Dich jetzt weiter durch Sophies Nachkommenschaft arbeiten willst, wäre in der übernächsten Generation (nach dem unglückseligen Rudolf) :arrow:Elisabeth Petznek dran.
    Und :arrow: hier hat @Mara etwas über Rudi empfohlen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • "Books are ships which pass through the vast sea of time."
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  • Wenn Du Dich jetzt weiter durch Sophies Nachkommenschaft arbeiten willst

    Ja, komm ich irgendwie gerade nicht los von den Habsburgern. Ohne etwas dazu beizutragen, kommt ein Buch nach dem anderen daher. Deine schöne Rezension zur Elisabeth Petznek habe ich gerade gelesen, und hab mir das Buch schon notiert. Maras Empfehlung habe ich sogar im Regal stehen, und die Sisi-Biografie von der M. Vocelka habe ich in der onleihe gesehen.
    Vielen Dank, bin nun bestens versorgt! :friends:

  • und die Sisi-Biografie von der M. Vocelka habe ich in der onleihe gesehen.

    Ich hatte diese Biographie seinerzeit auch aus der Onleihe.

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  • Ich hatte diese Biographie seinerzeit auch aus der Onleihe.

    Hast Du die Hamann-Biografie von der Elisabeth auch gelesen? Die hat mich schon vor 35 Jahren sehr beeindruckt. Da habe ich überhaupt erst entdeckt, wie furchtbar die Sissi-Filme eigentlich sind, obwohl ich die in jungen Jahren mit großer Begeisterung gesehen habe.

  • Hast Du die Hamann-Biografie von der Elisabeth auch gelesen?

    Ja, die habe ich mir vor Jahren aus der Bücherei ausgeliehen und letztes Jahr dann noch auf dem Flohmarkt für 50 Cent gekauft, damit ich immer mal wieder etwas nachschlagen kann, wenn ich andere Habsburger-Bücher lese.

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  • Und hier hat @Mara etwas über Rudi empfohlen


    Maras Empfehlung habe ich sogar im Regal stehen

    Nun dann weisst du ja, dass ich kein Buch über Rudolf sonder über Johann Orth empfohlen habe. Sehr leicht zu lesen mit einem guten Anhang fand ich dieses:

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • sondern über Johann Orth empfohlen habe

    Hab ich mich geirrt, und bei Deiner Empfehlung an "Die rote Erzherzogin" von Friedrich Weissensteiner gedacht. Die hätte ich schon zu Hause.
    Aber über den Johann Orth wollte ich auch schon längst etwas lesen. In der Franz Joseph-Biografie ist er sehr ausführlich zitiert, mit Beschreibungen der Familientreffen, und über die konnte eben nur ein Aussteiger ganz ohne Maulkorb berichten.