Martin Prinz - Die letzte Prinzessin

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    Als Elisabeth Petznek 1963 in Wien stirbt, werden auch die scharfen Schäferhunde in ihrem Bett ruhig. Knapp 80 Jahre ist sie geworden. Jähzornig, verletzlich, unbeherrscht, offenherzig, schroff und eigensinnig. Eine Frau, die ihr ganzes Leben weder in die ihr zugedachten noch in die von ihr ersehnten Rollen gepasst hatte. Anlässlich ihrer Geburt im Jahr 1883 wurde sie als Enkelin Kaiser Franz Josephs noch mit Geschützsalven, Fackelzügen und Aufmärschen gefeiert, 80 Jahre später ko¨nnte sich die Situation nicht sta¨rker von jener des imperialen Pomp unterscheiden. Sie hatte mit allem gebrochen, was ihre Herkunft einmal bedeutete. 1948 hatte sie zum zweiten Mal geheiratet: Leopold Petznek, ihren langjährigen Lebensgefährten, einen Lehrer und sozialdemokratischen Politiker; der erste Mann, der nicht vor ihr kapitulierte.
    Der Roman erzählt die Lebensgeschichte einer verwöhnten Enkelin, Habsburgerin und Sozialistin, einer vierfachen Mutter und Salondame, die ebenso großherzig und charmant wie eigensinnig sein konnte.


    Autor (Quelle: amazon)
    Martin Prinz, geboren 1973, aufgewachsen in Lilienfeld (Niederösterreich), studierte Theaterwissenschaft und Germanistik und lebt als Schriftsteller in Wien.


    Allgemeines
    Erschienen am 11.September 2016 im Insel Verlag, HC mit 340 Seiten
    Gliederung: Drei Hauptteile mit insgesamt 16 Kapiteln
    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive Elisabeths
    Handlungsorte und -zeit: verschiedene Orte in Österreich und anderen Ländern, 1880er Jahre bis 1963


    Zum Inhalt
    Der biographische Roman erzählt aus dem Leben der „roten Erzherzogin“ Elisabeth Petznek, geboren 1883 als Erzherzogin Elisabeth Marie Henriette Stephanie Gisela von Österreich, Enkelin von Kaiser Franz Joseph I und Tochter des unglücklichen Kronprinzen Rudolf, der sich 1889 das Leben nahm.
    In Elisabeths Kindheit spielt der Tod des Vaters, an dem sie sehr gehangen hat, eine große Rolle, zumal ihre Beziehung zu ihrer Mutter Stephanie eher kühl und distanzier ist. Eine wichtigere Bezugsperson ist für sie ihr Großvater, der Kaiser. Dieser liebt und verwöhnt seine Enkelin und gibt ihr auch nach, als sie sich mit 18 Jahren mit dem oberflächlichen, vergnügungssüchtigen Otto zu Windisch-Graetz einen Mann aussucht, der nicht zu ihr passt. Die Ehe wird schnell zur Enttäuschung und ist von beiderseitigem Ehebruch geprägt. Obwohl das Paar vier gemeinsame Kinder hat, lebt es schon bald getrennt, eine Scheidung ist jedoch zu dieser Zeit nicht einfach zu erwirken. Nach einem langen gerichtlichen Sorgerechtsstreit gelingt es Elisabeth jedoch, den Verbleib der Kinder bei ihr zu erreichen.
    Nachdem Elisabeth in ihren jungen Jahren auch eher oberflächlich aus dem Vollen (ihrem Reichtum) geschöpft hat, viel herumgereist ist und sich mit der Ausstattung diverser Wohnsitze befasst hat, schlägt sie – veranlasst durch die Erlebnisse des Ersten Weltkriegs – eine neue Richtung ein. Erstmalig blickt sie über ihren kaiserlichen Tellerrand und nimmt die Härten im Leben der einfachen Leute wahr. Als die Lebensmittel immer weiter rationiert werden, unterstützt sie die Arbeiter/innen benachbarter Fabriken, sie abonniert die "Arbeiter-Zeitung" und wird zur Sozialdemokratin. Den endgültigen Untergang der Monarchie erlebt sie ohne Bedauern. In dem Lehrer und sozialdemokratischen niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Leopold Petznek findet sie einen mit ihrer ausgeprägten Persönlichkeit harmonierenden Lebensgefährten und (nach der endlich erfolgten Scheidung von Windisch-Graetz) Ehemann.


    Beurteilung
    Der Roman verrät eine große Sachkenntnis des Autors, nicht nur im Hinblick auf die Persönlichkeit der „letzten Prinzessin“, sondern auch hinsichtlich der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der Zeit. Da ein Großteil der (nicht-österreichischen) Leserschaft sich vermutlich nur in groben Zügen mit dieser Thematik auskennt, ist das Fehlen eines Personenverzeichnisses als Manko zu bewerten. Die Mitglieder der Familie Habsburg mögen vielen Lesern ein Begriff sein, mit den zahllosen genannten österreichischen Politikern des frühen 20. Jahrhunderts dürften die meisten Leser überfordert sein.
    Auch der Aufbau der Erzählung erschwert das schnelle Vorankommen. Zunächst wird aus der Perspektive des Pförtners Mesli über die letzten Lebensjahre Elisabeths, die diese nach einem Schlaganfall zurückgezogen in ihrer Villa in Wien verbringt, berichtet. Diese Szenen über Elisabeths Tod und die Wochen unmittelbar danach wechseln sich völlig unvermittelt und ohne deutlich abgrenzende Kennzeichnung mit Rückblicken in die Vergangenheit ab. Erst ab dem zweiten Teil wird durchgängig aus Elisabeths Perspektive berichtet. Da diese Erzählung nicht neutral und ausschließlich auf Fakten ausgerichtet, sondern sehr von Elisabeths Anschauung dominiert ist, handelt es sich eher um einen Roman als um eine Biographie.
    Der Text enthält kursiv gedruckte Passagen, bei denen es sich um Zitate aus der „Arbeiter-Zeitung“ und aus den Scheidungsklageschriften des Ehepaares Windisch-Graetz zu handeln scheint. Zu diesen Passagen fehlt leider eine eindeutige Quellenangabe, handelt es sich wirklich um Zitate?
    Der eigenartige Erzählduktus ist bedauerlich, da er die inhaltlich hochinteressante Lektüre unnötig erschwert. Dennoch ist der Roman durchaus lesenswert, Zusatzrecherchen sind allerdings empfehlenswert.


    Fazit
    Ein lesenswerter biographischer Roman über eine eigenwillige Persönlichkeit und eine interessante Epoche der österreichischen Geschichte, der leider einen etwas „sperrigen“ Erzählstil aufweist.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ein lesenswerter biographischer Roman über eine eigenwillige Persönlichkeit und eine interessante Epoche der österreichischen Geschichte, der leider einen etwas „sperrigen“ Erzählstil aufweist.

    Vielleicht solltest du die etwas ältere Biographie von Weissensteiner lesen, die hat mir damals sehr gut gefallen.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Vielleicht solltest du die etwas ältere Biographie von Weissensteiner lesen, die hat mir damals sehr gut gefallen.

    Danke, die habe ich schon ewig auf der Wuli. Leider scheint es kein E-Book zu geben.
    Du als Österreicherin hättest wahrscheinlich auch kein größeres Problem mit "Die letzte Prinzessin", da Ihr wahrscheinlich das Meiste im Geschichtsunterricht behandelt habt.
    Ich habe schon zwei Bücher von Weissensteiner gelesen, die mir gut gefallen haben.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich habe schon zwei Bücher von Weissensteiner gelesen, die mir gut gefallen haben.

    Wenn du den Johann Orth von ihm noch nicht gelesen hast, den kann ich sehr empfehlen

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker: