Thomas M. Disch - Camp Concentration

  • Der Autor (Wikipedia.de und Phantastik-Couch): Der US-amerikanische Science-Fiction-Autor und Dichter Thomas Michael Disch wurde am 2. Februar 1940 als Sohn eines Handelsreisenden in Des Moines, Iowa, geboren. Nach dem Highschool-Abschluss im Jahre 1957 zog er nach Manhattan und begann, sich beruflich zu orientieren. Er arbeitete als Statist für die Metropolitan Opera, danach für einen Buchladen und eine Zeitung. Mit 18 Jahren wurde er zur Armee einberufen, wurde aber nach einem knapp dreimonatigen Aufenthalt in einem Krankenhaus für psychisch Kranke entlassen. Anschließend kehrte er nach New York zurück. Es folgten ein Job an der Garderobe eines Theaters, einer bei einer Versicherung und zusätzlich der Besuch eines Abendstudiums (ursprünglich der Architektur) an der Universität New York, wo Unterricht im Schreiben von Novellen und utopischer Fiktion seinen Geschmack für die gängigen Formen und Themen der Science-Fiction formte. Im Mai 1962 entschloss Disch sich dazu, statt fürs Semester zu lernen, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Nach Abschluß seines Geschichtsstudiums an der Universität von New York arbeitete er zunächst in der Werbung, bevor er freier Schriftsteller wurde. Seit 1968 war Dischs Homosexualität offiziell bekannt. Dass er mehrere Gedichtbände verfasst, blieb dagegen bis 1989 nahezu unbekannt.


    Er wurde mehrmals für den Hugo Award und den Nebula Award nominiert und gewann 1999 den Hugo Award für sein Sachbuch „The Dreams Our Stuff Is Made Of“, einen ironischen Blick auf das Thema Science Fiction. Disch war vor allem für sein großes Repertoire bekannt. Sein Stil reichte von kurz zu ausschweifend, ätzend bis fröhlich, boshaft bis romantisch und modern bis altmodisch. Durch seine oft grundsätzlich verschiedenen Werke hat er die Science Fiction in den 35 Jahren seines Schaffens um viele neue Gedanken bereichert.


    Disch starb am 4. Juli 2008 in New York im Alter von 68 Jahren durch Suizid. Seit dem Tod seines langjährigen Lebensgefährten im Jahr 2004 litt er an Depressionen.


    Werkauswahl: Einige Romane verfasste Disch auch unter den Pseudonymen Victor Hastings und Leonie Hargrave, einige zusammen mit Charles Naylor oder John Sladek, mit letzterem unter den gemeinsamen Pseudonymen Cassandra Knye oder Thom Demijohn.

    • The Genocides, (1965, dt. Die Feuerteufel)
    • The Puppies of Terra / Mankind Under the Leash (1966, dt. Die Herrschaft der Fremden)
    • Echo Round His Bones (1967, dt. Die Duplikate)
    • Black Alice (1968 mit John Sladek, dt. Alice im Negerland)
    • Camp Concentration (1968, Camp Concentration)
    • 334 (1972, dt. Angoulême)
    • On Wings of Song (1979, dt. Auf Flügeln des Gesangs)
    • The Businessman: A Tale of Terror (1984, dt. Das Geschäft mit dem Grauen)
    • The M. D.: A Horror Story (1991, dt. Der Merkurstab)

    Klappentext (des Heyne-SF-Buchs Nr. 3405 von 1974): Die USA in nur allzu naher Zukunft: Trotz des Einsatzes von Atomwaffen zieht sich der sinnlose Krieg in Asien hin. Der Widerstand der Intellektuellen im eigenen Lager wächst, aber die Regierung ist entschlossen, diesen Widerstand brutal zu brechen. Sie sperrt die Widerspenstigen in unterirdische Konzentrationslager – nicht nur, um sie „umzuerziehen“, sondern auch, um sie zum Vorteil der Nation auszubeuten. Grausame biomedizinische Versuche werden an den Häftlingen durchgeführt: eine Abart des Syphiliserregers bewirkt eine ungeahnte Steigerung der geistigen Fähigkeiten; der tragische Nebeneffekt, die Verkürzung der Lebenserwartung auf ein paar Wochen, interessiert die Wissenschaftler im Dienste der Regierung wenig. Eifersüchtig, zynisch und misstrauisch verfolgen sie die Reaktion ihrer „Patienten“, die – fast irrsinnig angesichts des Todes – im Rückgriff auf Techniken des Mittelalters einen Ausweg aus der Hölle suchen – und finden.


    Der Roman erschien 1968 bei Hart-Davis in Großbritannien und 1969 bei Doubleday in den USA, nachdem er 1967 bereits in Fortsetzungen im britischen Science-Fiction-Magazin "New Worlds" veröffentlicht wurde. 1971 erschien die deutsche Übersetzung von Gertrud Baruch im Lichtenberg Verlag. Die ungekürzte Taschenbuchausgabe kam 1974 im Wilhelm Heyne-Verlag heraus. Diese Ausgabe umfasst 187 Seiten.


    In einem alternativen Amerika der 1970er-Jahre landet ein Kriegsdienstverweigerer während eines Krieges, der auch mittels bakteriologischer Waffen gefochten wird, im Gefängnis. Wegen seiner philosphischen und literarischen Bildung wird er für geeignet befunden, an einem geheimen Experiment teilzunehmen, dem er gewissermaßen als Beobachter beiwohnen soll. Bestimmten Gefangenen, denen bis auf die Freiheit möglichst jeder Wunsch erfüllt wird, werden im unterirdischen Camp Archimedes mit einer bestimmten Form des Syphiliserregers infiziert, die ihre Intelligenz in die Höhe schnellen lässt - zu Lasten der Lebenskraft: Nach etwa neun Monaten des Dahinsiechens sterben die Probanden. Nachdem eine Wissenschaftlerin spurlos verschwunden ist, kommt ein liebloser, naturwissenschaftlich verbildeter Bürokrat zum Team, der sich aus ultimativem Erkenntnisinteresse selber den Erreger spritzen lässt. Doch im Grunde ist seine Absicht, den besten Weg zur völligen Vernichtung der Weltbevölkerung zu finden. Derweil scheinen die sterbenskranken, auffällig an Alchimie interessierten Intelligenzbestien einen Weg gefunden zu haben, Freiheit und Gesundheit zu erlangen, während die Gesellschaft von einer Seuche dahingerafft wird …


    Der New-Wave-Science-Fiction-Roman in Form des Tagebuchs der immer mehr darbenden Hauptperson ist sehr faszinierend, aber dann und wann recht schwer verständlich, an allen Ecken und Enden aufgeladen mit Anspielungen auf den legendären Dr. Faustus sowie auf Thomas von Aquin, Arthur Koestler, Dante Alighieri, Rainer Maria Rilke, Johann Wolfgang von Goethe, Christopher Marlowe, Thomas Mann, Fjodor Dostojewski, Jean Genet und Kirchenvater Augustinus. Ein dichtes Gemenge schwieriger Fragen über Religion und Forschergeist, das Aufopfern für eine Idee, sei es Gott, Satan und der Mensch, das manchmal die Beteiligung des Leser an einer spannenden Handlung verhindert. Es ist kein Roman über ein dystopisches Amerika, in dem Andersdenkende in Konzentrationslager gesteckt werden, wie es der Klappentext nahelegt und wie es oberflächliche Leser leichtfertig missdeuten mögen – auch wenn Ankläge darin natürlich vorhanden sind; dazu scheinen mir die Inhaftierten zu neutral, zu wenig als Opposition gezeichnet. Die Doppelbedeutung von Konzentration als Bündelung und Zuspitzung, in diesem Fall von Intelligenz, steckt sicherlich nicht ohne Bedacht im Titel. :-k Stattdessen ist es eine Annäherung an „faustische“ Themen, die zeigt, was Menschen bereit sind, anderen anzutun. Es geht um Größenwahn, Unfreiheit, die Unmenschlichkeit von Staat, Gesellschaft und Wissenschaft, letztlich um Machbarkeit ohne moralische Grenzen und um die Ausbeutung des Menschen als Ressource. Bei aller Gedankenschwere recht leichtgängig zu lesen, niemals langweilig, wenn auch nicht immer spannend. Vielleicht kommt das Ende zu plötzlich, vielleicht sind manche Gegenüberstellungen nicht eindeutig genug, manche Wendung zu verrätselt, um einen Leser wirklich durchzurütteln bzw. an den Grundfesten (des Glaubens, der Weltsicht) zu rütteln, was bei so einem Buch ja doch schön gewesen wäre. Dennoch ist der Roman immer noch wirklich außergewöhnlicher Lesestoff voller kluger Anregungen und erschreckender Szenen. :thumleft:
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    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


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    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Eine englische Ausgabe 1999 bei Vintage Books erschienen.

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  • Eine französische Übersetzung von Marcel Battin 1970 als "Camp de concentration" erschienen.

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