Lily King - Vater des Regens/Father of the Rain

  • Daley ist elf, als ihre Mutter sie und ihre Koffer ins Auto lädt und das große, herrschaftliche Haus mit dem Pool im Garten hinter sich lässt. Und den Mann, den sie nicht mehr ertragen kann. Gardiner Amory ist laut, selbstherrlich, rassistisch, unbeherrscht - und Alkoholiker.


    Doch für Daley ist er zuallererst ihr Dad, ihr Held, ihr Kumpel, den sie regelrecht verehrt. Seine peinlichen und seine dunklen Seiten kennt sie sehr wohl, doch sie liebt ihn trotzdem über alles, kehrt nach der Trennung immer wieder zu ihm und seiner neuen Frau Catherine zurück ins Elternhaus, obwohl sie sich bei diesen Besuchen nie wohlfühlt und die Atmosphäre von ständigen Streitereien vergiftet ist.


    Selbst als erwachsener Frau gelingt es Daley nicht, sich von diesen unguten Familienbanden zu lösen. Sie opfert ihre eigenen Lebensträume dem Versuch, ihren Vater zum Alkoholentzug zu bewegen, und glaubt, dass nur sie ihn retten kann.


    Sehr direkt und deutlich schildert Lily King aus Daleys Perspektive das Leben mit diesem unberechenbaren Pulverfass von Mann, voller reaktionärer Ansichten und unbestimmter Wut und zuviel Alkohol. Fassunglos und machtlos sieht man beim Lesen zunächst zu, was Gardiner den Menschen um sich herum alles antut und später, wie die erwachsene Daley immer tiefer in eine Co-Abhängigkeit hineinschlittert und dabei sehenden Auges auf einen Abgrund zusteuert, in dem sie sich selbst gänzlich zu verlieren droht, obwohl sie die besten Chancen auf eine erfolgreiche akademische Laufbahn hätte.


    Die Handlung spielt sich in drei zeitlich weit auseinanderliegenden Abschnitten ab, doch King wählt das Präsens als Erzählzeit, so dass man unmittelbar und ungeschönt ins Geschehen hineingerissen wird. Wie mit dem harten Strahl einer Neonlampe beleuchtet sie genau das, was nach außen hin verborgen bleibt, das Schwere, das Hässliche, die heftigen Empfindungen, die Abhängigkeiten. Ein kleiner Störfaktor ist dabei die Art, wie die Autorin nackte Körper beschreibt, nämlich fast immer auf unattraktive, beinahe abstoßende Art, als wolle sie da ganz besonders authentisch und unverblümt erscheinen, die ich insbesondere in Daleys Kindheitskapiteln befremdlich fand.


    Eine gemütliche kleine Familiengeschichte ist "Vater des Regens" sicher nicht, dafür aber ein scharfsichtiges und bei aller ungeschminkten Direktheit auch sensibles Buch über das ständige Hin- und Hergerissensein - zwischen zwei verfeindeten Elternteilen, zwischen Liebe zum Vater und Hass auf ihn, zwischen der eigenen Selbstverwirklichung und dem Verantwortungsgefühl gegenüber dem alkoholkranken Elternteil. Lesenswert, aber keine leichte Kost.