Sven Beckert - King Cotton / Empire of Cotton: A Gloabal History

  • Der Verlag über das Buch (Quelle C. H. Beck)
    Vor mehr als 250 Jahren wurde das Reich errichtet, in dem King Cotton herrscht. Krieg, Sklaverei und Ausbeutung standen an seiner Wiege. Während fremde Kulturen rücksichtslos zerschlagen wurden, häuften Händler im Zusammenspiel mit der Staatsgewalt enorme Vermögen an. Ein neues ökonomisches Prinzip begann seinen Siegeszug.
    Sven Beckert schildert die Geschichte des Kapitalismus im Spiegel eines Produktes, das heute jeder von uns am Leibe trägt – der Baumwolle. Die Geschichte des Kapitalismus gehört zu den spannendsten Themen der aktuellen Geschichtswissenschaft. Fast immer aber geht es dabei um einzelne Epochen oder Religionen. Sven Beckert wagt in seinem brillanten Buch erstmals eine übergreifende Darstellung, die anhand einer einzigen Ware höchst anschaulich zeigt, wie der Kapitalismus entsteht, sich gleichsam einübt und nach und nach die Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen, ja das Schicksal der Menschen überall auf der Welt seinen Bewegungsgesetzen unterwirft.
    Das Resultat ist ein ebenso verstörendes wie erhellendes Buch darüber, wie unsere globale Welt von heute entstanden ist.


    Der Autor
    Sven Beckert, Jahrgang 1965, geboren in Frankfurt, ist Professor für amerikanische Geschichte an der Harvard Universität.


    Meine Gedanken zum Buch
    In diesem bemerkenswerten Werk nimmt der Autor seine Leser mit auf eine Reise, die vor 5000 Jahren ihren Anfang nahm. Genauer gesagt, hat alles aber schon viel früher begonnen, nämlich vor 10 oder 20 Millionen Jahren, denn solange gedeiht Baumwolle bereits auf dem Indischen Subkontinent, in Afrika, Mittel- und Südamerika.
    Unabhängig voneinander entdeckten die Menschen vor etwa 5000 Jahren, dass man aus den Früchten dieser Pflanze Fasern herstellen konnte, die sich zu angenehm tragbaren Stoffen verarbeiten ließen. Aus Anbau und Verarbeitung im häuslichen Umfeld entwickelte sich über die Jahrtausende schließlich ein dynamischer Handel, der sogar transkontinentale Ausmaße erreichte.
    Europa blieb davon unberührt, wo Baumwolle zwar schon im Römischen Reich als Luxusartikel gegolten hatte, doch erst durch die Ausbreitung des Islam an Bekanntheit gewann. Im 12. Jahrhundert gab es in Norditalien und Süddeutschland Kaufleute, die mit Baumwolle handelten, und auch reich damit wurden, wie etwa Hans Fugger, doch nach dem 30jährigen Krieg war jede wirtschaftliche Grundlage vernichtet.
    Umso erstaunlicher erscheint dem Leser, wie es europäischen Kaufleuten ab etwa 1780 gelingen konnte, sich derart in den seit Jahrtausenden bestehenden transozeanischen Baumwollhandel einzumischen und die Verhältnisse zu verändern, dass daraus letzten Endes unsere moderne Welt entstehen sollte.
    Beeindruckend schildert der Autor in umfassend globaler Sichtweise, wie die Profite des Kriegskapitalismus (Kolonialismus und Sklaverei) die Grundlagen für den Industriekapitalismus schufen. Dieser setzte sich vor allem dort durch, wo starke Staaten bereit waren, Protektionismus auszuüben und die erforderliche Infrastruktur aufzubauen.
    Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt wurden ihrer ursprünglichen Lebensweise auf eigenem Grund und Boden entfremdet, und in die Mühlen der Lohnarbeit gezwungen, die zu Abhängigkeiten, Gewalt, Kinderarbeit und Verelendung in unvorstellbarem Ausmaße führte.
    Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg erfanden sich Baumwollindustrie und -handel abermals neu, und wieder verlagerten sich die Schwerpunkte, diesmal in den globalen Süden. Obwohl es heute offiziell keine Sklaverei mehr gibt, sind die Arbeiter in China oder Indien noch immer nichts anderes als Lohnsklaven einer weltumspannenden unersättlichen Baumwollindustrie. Grundlage dafür ist eine Pflanze, die die Böden auslaugt, und nur mit großen Wassermengen und intensivem Pestizideinsatz in ausreichenden Mengen produziert werden kann. Dennoch wäre unsere moderne Welt ohne sie undenkbar.
    Schwungvoll erzählt, mit vielen Zahlen und Fakten untermauert, aber auch mit menschlicher Anteilnahme schildert Sven Beckert die Geschichte der Entstehung des Kapitalismus am Beispiel der Baumwolle. Vortrefflich entwirrt er für den wirtschaftlichen Laien die Netzwerke des globalen Handels vor allem der letzten 300 Jahre, erklärt, wie sich dessen Beziehungen veränderten, welche Rolle Staaten im Tanz um das „weiße Gold“ spielten, wie Baumwolle die Landwirtschaft umgestaltete, Millionen Leben zerstörte, für unermesslichen Reichtum sorgte, Gewalt und Ausbeutung produzierte. Doch entstanden im Kampf gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen auch die sozialen Grundlagen für unsere moderne Arbeitswelt.
    Kein anderes Buch zum Thema Wirtschaft und Kapitalismus hat mir die Welt, in der wir leben, verständlicher, facettenreicher, umfassender und spannender erklärt. Neue Sichtweisen und Zusammenhänge haben sich mir durch dieses kleine Meisterwerk eröffnet, das nicht nur für seine fachliche Kompetenz, sondern auch für die klare, schnörkellose und dennoch empathische Darstellungsweise die volle Punktezahl und eine unbedingte Leseempfehlung erhält.