Virginia Macgregor - Der Junge, der mit dem Herzen sah / What Milo saw

  • Klappentext

    Eine große Geschichte über einen kleinen Jungen mit einem ganz besonderen Blick auf die Welt...


    Der neunjährige Milo leidet unter Retinitis pigmentosa: Sein Sehvermögen lässt immer stärker nach, und irgendwann wird er vollständig erblinden. Aber noch sieht er die Welt – wenn auch nur wie durch ein Nadelöhr. Doch so bemerkt er Kleinigkeiten, die anderen entgehen. Als seine 92-jährige Großmutter dement wird und in ein Altersheim umziehen muss, fallen Milo dort seltsame Vorgänge auf. Die Erwachsenen interessieren sich für Milos Erkenntnisse nicht, und so bleiben ihm nur der Koch Tripi und sein Ferkel Hamlet, um ihm bei seiner Mission zu helfen. Milo ist nämlich entschlossen, seine Großmutter wieder nach Hause zu holen, die Machenschaften der Heimleiterin offenzulegen und – vielleicht – seine Eltern zu versöhnen.


    Erster Satz
    Milo saß an seinem Computer beim Treppenabsatz und horchte nach dem Schschsch-schschsch des Feuerwehrschlauchs in der Auffahrt.


    Meine Meinung
    An was denkt man zuerst, wenn man den Titel liest? Richtig, an ein Zitat aus "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry:


    Man sieht nur mit dem Herzen gut.
    Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.


    Für dieses Buch hier, passt dieser Spruch auch wie die bekannte Faust aufs Auge. Denn Milo wird mit seinen Augen bald nichts mehr sehen können. Er ist neun Jahre alt und erblindet Tag für Tag ein bisschen mehr. Es ist also kein Wunder, dass er eher auf sein Herz, als auf seine (fast) nutzlosen Augen vertraut.


    Erzählt wird die Geschichte immer wieder wechselnd aus vier Sichten. Milo, seine Mutter Sandy, seine demente Gran Lou (die eigentlich die Oma seines Vaters ist) und Tripi, dem illegalen Flüchtling, der als Koch im Altersheim arbeitet. Außerdem besitzt Milo ein kleines Schweinchen namens Hamlet.
    Oft sind solche Perspektivwechsel eher störend und wirken nicht selten abschreckend - hier fügen sie sich aber unglaublich gut in das Buch ein und hindern den Lesefluss auf keinen Fall. Der Schreibstil ist flüssig und man kommt schnell voran.


    Auf den 411 Seiten ist ordentlich was los. Die Geschichte beginnt damit, dass Lou, die bei Milo und Sandy lebt, für ein Feuer in der Küche verantwortlich ist. Das ist der ausschlaggebende Punkt für Sandy ein Altersheim zu suchen. Milo, der unglaublich an seiner Gran hängt, will das allerdings nicht akzeptieren und versucht alles um sie wieder nach Hause zu holen. Seiner Mutter Sandy, die kurz vor der Arbeitslosigkeit steht und mit allem heillos überfordert ist, passt dies natürlich gar nicht. Ihr ist ganz klar: Die Horrorgeschichten, die Milo über das Altersheim erzählt, müssen erfunden sein. Aber ist das wirklich so? Und warum hängt Milo immer öfter mit dem erwachsenen Tripi rum, der seine Schwester sucht, die er auf der Flucht verloren hat? Was hat das mit den Nacktfotos auf sich, die Milo bei dem neuen Untermieter findet? Das muss ein perverser Sittenstrolch sein. Oder etwa doch nicht? Und wann hört der Nachbar von gegenüber endlich auf zu pfeifen?


    Die Botschaft dieses Buches ist ganz klar: Guckt genauer hin, hinterfragt Dinge die euch komisch vorkommen und kümmert euch um die alten Menschen, die sich nicht selber helfen können!


    Die einzelnen Geschichten reichen von witzig, überraschend zu berührend und bis zu einem tränenreichen Ende. Allerdings waren es mir persönlich viel zu viele Geschichten. Jede hat so ihren Platz und die einzelnen Handlungsstränge laufen alle irgendwie schlüssig ineinander, aber dafür blieb so manche Sache etwas oberflächlich auf der Strecke, weil einfach keine Seiten mehr übrig zu sein schienen. Etwas weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen. Während manche eher unwichtigen Dinge auf einigen Seiten zelebriert wurden, gingen wichtigere Handlungen nicht tief genug.


    Etwas unrealistisch empfand ich auch die ganze Verantwortung, die auf Milo liegt. Für einen Neunjährigen, der noch dazu körperlich beeinträchtigt ist, lief es alles viel zu glatt und auch Milo selbst ist nicht altersgemäß. Kein Junge in dem Alter würde so reagieren, wie er es stellenweise tut. Außerdem war er stellenweise stundenlang weg und es hat niemanden interessiert.
    Nervig fand ich auch, dass die neue Frau des Vaters immer "die Schlampe" genannt wurde. Das hat einfach nicht in die Geschichte gepasst.


    Fazit
    Ein Buch, dessen Geschichte berührt und eine deutliche Botschaft vermittelt.
    Allerdings an manchen Stellen unrealistisch und zu vollgepackt, was es hier und da etwas zu oberflächlich macht.


    Eine schöne Geschichte für zwischendurch.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Autorin: Virginia Macgregor
    Titel: Der Junge, der mit dem Herzen sah
    Seiten: 413
    ISBN: 978-3-54749-4
    Verlag: Manhattan
    Übersetzerin: Wibke Kuhn


    Autorin:
    Virginia Macgregor ist in England, Deutschland und Frankreich aufgewachsen, studierte nach der Schule in Oxford. Neben ihren Beruf als Englisch-Dozentin und Hauslehrerin begann sie regelmäßig zu schreiben. "Der Junge, der mit dem Herzen sah", ist ihr erstes Buch. Inzwischen sind weitere Romane erschienen, die in verschiedenen Sprachen übersetzt wurden. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berkshire.


    Inhalt:
    Der neunjährige Milo leidet unter Retinitis pigmentosa: Sein sehvermögen lässt immer stärker nach, irgendwann wird er vollständig erblinden. Noch aber sieht er die Welt - wenn auch nur wie durch ein Nadelöhr. Doch so bemerkt er Kleinigkeiten, die anderen entgehen. Als seine 92-jährige Urgroßmutter dement wird und in ein Altenheim umziehen muss, fallen Milo dort seltsame vorgänge auf. Die Erwachsenen interessieren sich für Milos Erkenntnisse nicht, und so bleiben ihm nur der Koch Tripi und sein Ferkel Hamlet, um ihm bei seiner Mission zu helfen. Milo ist nämlich entschlossen, seine "Gran" wieder nach Hause zu holen, die Machenschaften der Heimleiterin offenzulegen und -vielleicht- seine Eltern zu versöhnen. (Klappentext)


    Rezension:
    Besondere Schicksale fördern besondere Begabungen und Geschichten. So auch die Krankheit Retinitis pigmentosa. Weitgehend unbekannt, da selten, handelt es sich um eine Netzhautdegeneration, bei der die Photorezeptoren absterben. Meist im Kindesalter mit den ersten Symptomen auftretend wird das Augenlicht immer weniger, bis der Betroffene schließlich vollständig erblindet. Selten genug ist dies, so dass man hieraus eine spannende Geschichte hätte schreiben können. Virginia Macgregor legt hier uns jedoch "Der Junge, der mit dem Herzen sah", vor.


    Der im deutschsprachigen Raum, im Manhattan-Verlag, erschienene Roman, ist so weichgespült, wie das bonbonblaue Cover vermuten lässt, gleichwohl man aus der Gestaltung heraus ja nie Schlüsse über die Geschichte ziehen sollte. Tatsächlich ein schöner Schreibstil, der Hauptprotagonist einfach nur niedlich, ist die Handlung jedoch so vorhersehbar, dass es kaum Spaß macht, diese zu verfolgen. Die Protagonisten, im ersten Drittel sehr nervtötend, sind entweder zu kindisch oder im Falle des neunjährigen Milos, zu erwachsen handelnd. Man darf zwar annehmen, dass Kinder in manchen Situationen schneller lernen müssen, wie Erwachsene zu funktionieren und bestimmte Abläufe einfach abspulen können, aber bitte nicht so, in diesem Übermaß.


    Dekoriert mit einer Schicht Zucker erzählt die Autorin ein Krankheitsdrama, über die Auswirkungen falscher Berufswahl, den Pflegenotstand, Flüchtlingsdrama, Scheidungs- und Armutsgeschichte, und das ist einfach zu viel des Guten. Als wollte man den Leser unbedingt darauf stoßen, unbeding die eine oder andere Träne zu vergießen. Das funktioniert so nicht. Die Handlungsstränge, einzeln für sich, hätten allesamt Stoff für eine gute Erzählung gegeben, in dieser Form jedoch passt das nicht zusammen. Vor allem nicht, wenn man die Verantwortung auf die Schultern eines Kindes ablädt, der sowie so schon gestraft genug ist.


    Die kurzgehaltenen Kapitel und der Schreibstil sind angenehm zu lesen, die Erzählstränge irgendwie logisch, kommen aber in dieser Form und Bündelung kaum beim Leser ein. Insgesamt zu viel des Guten. Zwei drie Handlungsstränge weniger und hundert Seiten mehr, hätten diesen Roman zu etwas ganz Besonderen machen können, wie das Krankheitsbild etwas Besonderes ist. So aber bleibt eine Geschichte, die an der Oberfläche bleibt und mit Ausnahme der Liebe eines Kindes zu seinen Mitmenschen, nicht tiefschürfender wird.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: , allerhöchstens und einen davon für das Cover.