Greg Egan - Diaspora

  • Inhalt
    Der Roman beginnt Ende des 3. Jahrtausends. Während ein Teil der Menschheit noch in körperlicher Form (wenn auch mitunter modifiziert) auf der Erde lebt, existiert der andere in Form von Software, die ein Bewusstsein für sich selbst besitzt. Zunächst erlebt der Leser die Entstehung eines solchen "virtuellen Menschen". Dabei handelt es sich um den seltenen Fall eines Waisenkinds, d.h. es gibt keine Eltern, die Parameter für seine Persönlichkeitsentwicklung festlegen, sondern diese werden mehr oder weniger zufällig von einem Programm ausgewählt, um neue Möglichkeiten auszuloten. Er ist also eine Art Experiment - wobei statt "er" eigentlich "hie" der korrekte Begriff ist, denn ein Geschlecht hat das Waisenkind nicht. „Yatima“, wie es sich schließlich nach seiner Bewusstheitsfindung nennt, lernt und forscht und unternimmt mit einem Freund schließlich eine Reise zu den Körperlichen, für die sie sich in zwei alte Roboter transferieren. Der Kontakt fällt recht positiv aus, doch für Yatima bleibt es nur eine Episode ohne größere Bedeutung, während sein Freund beim Abschied zu kämpfen hat. Später müssen sie sich noch einmal dorthin aufmachen, um die Erdbewohner vor einer kosmischen Katastrophe zu warnen, die zu deren Auslöschung führen kann, wenn sie sich nicht umwandeln lassen. Doch wie kam es zu der Katastrophe und wie wird es mit der Menschheit weitergehen? Auf der Suche nach Antworten und vielleicht einer neuen Heimat beginnen die virtuellen Menschen neue Raumfahrttechnologien zu entwickeln und die Galaxis zu erforschen...


    Autor
    Greg Egan (* 1961) ist ein australischer Schriftsteller. Er hat Mathematik studiert und als Programmierer gearbeitet. Zunächst schrieb er v.a. Fantasy-Kurzgeschichten, bevor er mit SF-Romanen seinen Durchbruch hatte. Er wurde mehrfach ausgezeichnet (u.a. Hugo-Award, Kurd-Laßwitz-Preis).


    Rezension
    Für jemanden, der sich für virtuelle Realtitäten interessiert, ist dieser Roman eine wahre Fundgrube an inspirierenden Details und Problemstellungen. Der Autor gibt einem von Anfang an das Gefühl, dass er sehr genau weiß, wovon er schreibt und dass das hier wirklich eine mögliche Zukunft der Menschheit sein könnte, so verrückt sie auch klingen mag. Diese Stärke, nämlich sein ausgeprägtes Wissen über physikalische, mathematische und astronomische Zusammenhänge, ist aber gleichzeitig auch eine Schwäche. Denn selbst wenn man sich als Leser schnell damit abfindet, nicht _alles_ zu verstehen, wird man ab der Mitte des Buches mitunter derart mit wissenschaftlichen Theorien überhäuft, dass es doch etwas zu viel wird und man anfängt, einiges zu überlesen. Auch fand ich es schade, dass die Person „Yatima“ zwar großartig eingeführt wird, aber über weite Strecken dann andere Charaktere im Mittelpunkt stehen. Wobei auch sie im Grunde nur Beiwerk sind bzw. Beispiele dafür, wie so ein virtuelles Leben aussehen kann und welche sozialen Probleme sich ergeben können.


    Nichtsdestotrotz gab es immer wieder Aspekte, die mich fasziniert und bei der Stange gehalten haben. Neben Yatimas Bewusstseinsfindung war das z.B. die Problematik des Clonens, das von den Bewohnern ziemlich exzessiv eingesetzt wird, um sich bei ihren Raumfahrten weit verstreuen zu können. Eine weitere Fähigkeit der virtuellen Menschen ist es, ihre individuelle Zeit-Empfindung zu beeinflussen, was natürlich auch zu einigen seltsamen Konstellationen führt. Überhaupt werden Zeit und Raum hier in Größenordnungen behandelt, die einem mitunter den Atem rauben. Eine Frage blieb für mich jedoch nach der Lektüre offen: was machen eigentlich virtuelle Menschen, die kein Interesse an Wissenschaft und Forschung haben? Aber vielleicht werden solche abwegigen Persönlichkeiten dann gar nicht mehr in die Welt gesetzt :wink:


    Fazit: für Freunde des Genres auf jeden Fall lesenswert.