Thomas Stein - Grenzterror

  • Thomas Stein, „Grenzterror“, ist unter der ISBN: 9783741284199, Verlag BoD Norderstedt, im Buchhandel erhältlIm Unrechtsstaat DDR hätte dieses Buch niemals gedruckt werden können. Im Rechtsstaat BRD besteht die Möglichkeit,
    es auf Antrag von Dr. Merkel, Dr. Gysi oder Dr. de Maiziere, im Wege der Einstweiligen Anordnung verbieten zu lassen.


    Im Zentrum des Buches steht die 4½ jährige DDR Haft des Thomas S. Eine sehr persönliche Geschichte.
    1972 versucht er mit 15 in den Westen abzuhauen, wird zu Jugendhaus verurteilt und im Gefängnis vergewaltigt.
    1976 sperrt ihn die Stasi wegen Republikflucht und Grenzterror ein. Auf GRENZTERROR stand in der DDR die Todesstrafe!


    In der fiktiven Rahmenhandlung erregt sich der Autor über die „GEZ-Abzocke“. Ab 2013 ist jeder Bürger verpflichtet den Beitrag zu zahlen, selbst wenn er Funk und Fernsehen verweigert. Ist das nicht so, als müssten alle Hundesteuer entrichten, auch diejenigen, die keinen Vierbeiner besitzen?
    Er taucht in die Nacht des 13.10.1977 ein. Beamte finden in Stammheim Jan Karl Raspe auf dem Bett, röchelnden an die Wand gelehnt. Selbstmord?
    War die Pfarrerstochter aus der Uckermark 2002 wirklich ein „Buschzäpfchen“, oder einfach nur ziemlich clever? „Wir ziehen an der Seite der USA in den Krieg, indem wir den trügerischen Frieden der Gegenwart durch einen Krieg in einen wirklichen Frieden der Zukunft verwandeln“. Nach Meinung des Autors spielte der „Auftritt Angies“ in den Medien der USA Kanzler Schröder mehr in die Hände, als die Flutkatastrophe.


    Blättern sie in diesem Buch mit dem Bischof von Jerusalem die Bibel durch und wundern sie sich über einige ihrer Widersprüche. Erfahren sie mehr über den Antijudaisten Luther und wie man eine Ehe katholisch wirksam annulliert. Löst die Künstliche Intelligenz den Menschen als Krone der Schöpfung ab? Sind dann nicht mehr Gene, sondern Programme wahres Leben, dessen Substrat der Siliziumchip und nicht die Aminosäure ist?


    Ein spannend zu lesendes, manchmal bis an die Grenze des Erträglichen reichendes Zeitzeugen Dokument. Die 620 Seiten, 200.280 Worte, 93 Ablichtungen, sind Autobiographie und Roman in einem.

  • Weitere 14 Tage gingen ins Land. Das Essen blieb schlecht, obwohl der Teller mit den fauligen Kartoffeln eine Ausnahme war. Dann passierte innerhalb von zwei Tagen alles auf einmal. Nach einer gründlichen ärztlichen Untersuchung bekamen wir in der Kammer unsere Zivilsachen und ein Major des MfS übergab jedem die Urkunde, mit der die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR wirksam wurde. Meine Urkunde war schon vor einer Woche ausgefertigt worden. Des Weiteren bekam jeder einen Entlassungsschein mit Passfoto. Der Major ermahnte mich, mit den Dokumenten pfleglich umzugehen, da ich über keine weiteren Personaldokumente verfüge.
    Auf der Zelle durchsuchte ich meine Jacke so sorgfältig wie nur möglich, aber auch nach gründlichster Untersuchung des Kleidungsstückes stand leider fest, dass Etikett mit der Aufschrift MfS war verschwunden. Scheiß der Hund drauf! Die letzte Nacht im Osten schlief kaum einer von uns. Nach dem Frühstück vergingen noch einmal drei Stunden und dann hörte ich das letzte Mal in einer Haftanstalt des MfS das Wort: Kommen sie!
    Über zwei Treppen wurden wir in den Gefängnishof vor der Schleuse geführt. Ich hatte nur meine dünne Jacke an und fröstelte ein wenig. Der Himmel war bewölkt und die Temperatur betrug höchstens 12 Grad. Auf dem Hof stand bereits ein Bus von Magirus Deutz, älteren Baujahres. Das Fahrzeug hatte ein Ostkennzeichen. Wahrscheinlich war ich außer dem Agenten, der mir zuzwinkerte, als ich mir das Nummernschild einprägte, der Einzige, der darauf achtgab. Der Fahrer erklärte mir später in Gießen, wo sich am Bus seltsamerweise ein Westkennzeichen befand, dass ich das Ostnummernschild eigentlich gar nicht hätte sehen dürfen, weil es nach der Einfahrt in das Gefängnis über eine Hebelanlage umgedreht wird. Er hatte es vergessen und vom MfS war es auch übersehen worden. Irgendwann wird irgendetwas immer mal vergessen oder übersehen.
    Wesentlich moderner erschien mir dagegen der fette Mercedes Benz, der vor dem Bus stand. Er war so geparkt, dass ich die Kennzeichen nicht erkennen konnte. Daraus entstieg ein älterer Herr, im Loden-mantel, westlich gekleidet, der sich mit Dr. Vogel vorstellte. In der Tür des Busses hielt er eine kurze Ansprache: Meine Herren, was hinter Ihnen liegt, war bestimmt nicht einfach, aber enthalten Sie sich drüben bitte jeglicher Äußerungen gegenüber der West Presse, geben Sie am besten keine Interviews und verfassen Sie keine Hetzartikel. Schweigen Sie über alles, was sie hier gesehen haben, dies liegt im Interesse derer, die noch darauf warten in den Westen übersiedeln zu können. Vergessen Sie möglichst rasch was Sie erleben mussten und fangen Sie ein neues Leben an. Es werden jetzt gleich die Frauen in den Bus steigen. Auch wenn sie sich jahrelang nicht, oder nur besuchsweise sehen durften, heben Sie sich die Freude des Wiedersehens bis nach dem Grenzübertritt auf. Wenn der Bus durch die Grenzübergangsstelle fährt, bleiben Sie bitte auf ihren Plätzen sitzen und enthalten Sie sich jeglicher Provokationen. Es ist schon vorgekommen, dass ein Bus angehalten und zurückgeschickt worden ist. Die Fahrt dauert etwa 2½ Stunden, verhalten sie sich ruhig!
    Der Osten war nicht gerade Farbenfroh, sondern eher grau, wie die Landschaft um diese Jahreszeit. Die Wiesen und Felder zeigten Ende April, in der Mitte des Frühlings, aber schon grüne Knospen. In einigen Wochen würde alles grün sein und blühen. Wenige Kilometer noch und ich war der Hölle entronnen. Diese Fahrt würde immer die schönste meines Lebens bleiben. Die Freiheit war zum Greifen nah. Ein Blick zum Himmel verhieß nichts Gutes. Die Wolken wurden dichter und obwohl es noch nicht nach Niederschlag aussah dachte ich: Hoffentlich regnet es jetzt nicht. Was hätte wohl Leutnant K. gesagt, wenn es jetzt wie aus Kübeln schüttet: Sehen sie, Strafgefangener Stein, sie verlassen die Deutsche Demokratische Republik, und sogar der Himmel weint! Ich saß in einem Reisebus, den Entlassungsschein in der Tasche, der Osten lag beinahe hinter mir, und Leutnant K. fuhr in meinem Kopf mit. Würde ich ihn jemals loswerden? Ich wusste es nicht, aber ich hätte ihm in Brandenburg mit den Worten meines alten Lehrmeisters geantwortet: Ja, Herr Leutnant, Freudentränen!

  • Ich stelle hier mal ein Kapitel aus meinem Buch Grenzterror (ein autobiographischer Roman mit fiktiver Rahmenhandlung) rein. Bitte nicht kaufen, ich überarbeite es gerade. Kritik ist willkommen. Ich bin kein Schriftgelehrter und hätte ich einen Lektor gehabt, das Geschreibsel wäre wohl ganz anders ausgefallen.
    Am 4. August war dann das Maß voll. Es sollte ein „heißer Tag“ werden, obwohl draußen nur gefühlte 20 Grad herrschten. Dieser August machte dem Hochsommer keine Ehre. Der Hofposten, in seiner dünnen Sommerbluse, der auf dem Laufgitter über den Mauern der Schweinebuchten fröstelnd seine Runden drehte, überwachte die Freistunde und ich sang ihm vor: Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt `ne kleine Wanze… Sie kamen zu viert, legten mir Knebelketten an und schleiften mich ziemlich brutal in den Keller. Ein Tritt in den Hintern beförderte mich in die Gummizelle. Hier brauchte ich nicht zu schreien, denn der Raum war absolut schalldicht. Wände und Fußboden, die ganze Zelle mit einer Größe von etwa acht Quadratmetern, hatten sie komplett mit Gummi verkleidet. In der Decke, hinter Panzerglas, befand sich eine kleine schwache Funzel, deren trübes Licht kaum ausreichte um die Klappe in der Tür zu erkennen, die auch nahtlos mit Gummi überzogen war. Ich lief auf und ab, sprang hoch und auch gegen die Wände und verlor bereits nach gefühlten zehn Minuten, wer weiß schon ohne Uhr wie lang 10 oder 20 Minuten sind, die Lust an der sportlichen Übung. Nach ein oder zwei Stunden ging die Klappe auf und ich konnte an den Schulterstücken sehen, dass ein Leutnant vor der Tür stand.
    Aufgrund Verstoßes gegen die Hausordnung wurden Sie mit zehn Tagen Einzelarrest bestraft. Die nächsten zehn Tage verbringen Sie hier, lassen sie es sich gut gehen. Bevor ich ihn beschimpfen konnte, schloss er die Klappe wieder. Jetzt hatte ich eine ungefähre Ahnung davon, wie es meinen Vorgängern in diesem Raum ergangen war. Dunkel, eng, bedrückend, zum Verrücktwerden. Eine Fluchthelferin, die vorher oft aus dem Fenster brüllte und die Posten beschimpfte, weil sie ihr beim Waschen zusahen, war hinterher lammfromm. Zehn Tage in der Gummizelle, das wäre die Hölle und da wollte sie nicht mehr rein. Weichei, hatte ich gedacht. Nach drei oder vier Stunden wusste ich, dass diese Frau viel härter war als ich. Sie hatte es geschafft und zehn Tage in diesem Grab ausgehalten. Ich würde es nicht schaffen, aber das brauchte ich ja auch nicht. Das Lachen aus meinem Mund klang selbst für mich, als mein eigener Zuhörer, etwas irre und ich dachte einen Moment lang, ob die hier wohl ein Tonband mitlaufen lassen. An den imaginären Zuhörer gewandt sagte ich: Dies bitte alles Prof. Szewczyk vorspielen, es wird für das Gutachten benötigt! Aber warum sollte hier ein Mikrofon installiert sein? Ich war doch der Einzige, der laut mit sich selbst sprach und mir hörte bestimmt kein anderer zu. Ich zog meinen Hausschuh aus und brauchte in dem diffusen Licht ein paar Minuten, bis ich die halbe Rasierklinge aus der Sohle herausgefriemelt hatte. Dann machte ich mich ans Werk. Es war gar nicht so einfach, einen kleinen Schlitz in das harte Gummi zu schneiden ohne die Klinge abzubrechen. Als mein Zeigefinger etwas blutete, hielt ich die Klinge mit dem Ärmel der Trainingsjacke fest und arbeitete weiter. Es war hier unten ziemlich warm, viel wärmer als draußen oder in der Zelle oben, so dass mir schon bald der Schweiß den Rücken herunterlief.
    Aller Anfang ist schwer! Als ich aber mit beiden Händen in den Schlitz greifen und ihn erweitern konnte, waren nur noch Kraft und Ausdauer erforderlich. Ich riss das Gummi etwa zwei Meter auf und darunter kam Steinwolle zu Vorschein, die auf der Haut juckte. Hinter der Steinwolle befand sich eine graue Wand. Der Haufen Steinwolle hinter mir wurde immer größer. Ein kleiner Schnitt in vertikaler Richtung und schon konnte ich unter zur Hilfenahme der Füße die Gummizelle weiter entkernen. Ich weiß nicht, wie lange ich gearbeitet hatte, aber als ich mir mein Werk besah, wurde mir angst und bange. Die Zelle war völlig ruiniert. Wenn der Leutnant wiederkäme, irgendwann würden sie mir hier ja auch mal was zu essen bringen, dann rettete mich nichts mehr. Keine Mutter würde im Türrahmen stehen und schreien. Aber wenn ich mir jetzt die Pulsadern aufschneide, quer natürlich, ich wollte ja nicht verbluten, dann könnte die Prügel vielleicht nicht so heftig ausfallen, weil der Leutnant keine Lust auf Blut an seiner Uniform haben würde. Ein Versuch war es jedenfalls wert. Es ist nicht einfach sich den Arm mit einer durch das Gummi stumpf gewordenen Rasierklingenhälfte aufzuschneiden. Ich quälte mich recht ordentlich und glaube, dass eine Tracht Prügel, selbst wenn ich dabei meine Zähne eingebüßt hätte, auch nicht schmerzhafter gewesen wäre. Aber dann hatte ich es geschafft und aus der Wunde floss Blut. Ich fing es mit der rechten Hand auf und strich mir dir rote klebrige Flüssigkeit über das Gesicht und den Hals. Jetzt musste ich wieder laut lachen. Was würden die denken, wenn sie mich so sahen? Nach meinem „Selbstmordversuch“ versteckte ich die halbe Rasierklinge hinter der verbliebenen Gummierung in der Steinwolle. Die sollten sie nie finden. Aus dem Arm tropfte es noch, als der Spion zur Seite geschoben wurde.
    Dann ging alles ganz schnell. Ein Oberleutnant schloss die Tür auf und brüllte nach draußen: Sani, schnell! Drei Posten stürmten in die Zelle, verdrehten mir die Arme auf den Rücken und brachten mich raus. Dabei wurden ihre Uniformen blutig. Der Sani untersuchte mich und sagte zu dem Oberleutnant: Ist nicht so schlimm wie es aussieht, nur das linke Handgelenk. Der Oberleutnant fragte mich, wie ich das angestellt hätte und ich erwiderte, dass ich eine Rasierklinge besitze, die Sie aber niemals finden werden. Nachdem der Sani mir einen Verband um das linke Handgelenk angelegt hatte, musste ich mich nackend ausziehen. Selbst die Mundhöhle und der Arsch wurden inspiziert und dann bekam ich einen anderen Trainingsanzug und neue Hausschuhe.
    Mit Handschellen versehen wartete ich in einer leeren Zelle auf dem Hocker sitzend und von einem Soldaten und einem Unteroffizier bewacht. Ich versuchte die beiden in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie antworteten nicht. Auch meine Frage, ob sie nicht sprechen könnten oder dürften wurde ignoriert. Ich weiß nicht wie lange es dauerte, aber es müssen wohl Stunden vergangen sein, als mir der Oberleutnant einen Becher Tee und zwei Brötchen, eins mit Wurst und eins mit Käse belegt, brachte. Wie lange hatte ich so etwas Leckeres schon nicht mehr gegessen. Ich ließ es mir schmecken und die Posten sahen mir zu. Wahrscheinlich hätten sie die Brötchen auch gerne verspeist. Man muss sich nur die Pulsadern aufschneiden, dann gibt es Brötchen, ist das hier immer so, fragte ich sie, aber die beiden taten so, als wäre ich nicht mit ihnen im gleichen Raum. Da ich mir unsicher war, was passiert, wenn ich jetzt einfach aufstehe, blieb ich besser sitzen. Mein Bedarf an Aufregung war für diesen Tag gedeckt. Irgendwann betrat der Oberleutnant die Zelle und vermeldete, dass man die eine Hälfte der Rasierklinge gefunden habe und wollte nun wissen, wo die andere Hälfte sei.
    Habe ich irgendwo versteckt, kann mich jetzt wirklich nicht mehr daran erinnern wo. Sie haben mir zwei Brötchen gebracht, ich würde es Ihnen sagen, wenn ich es wüsste. Es verging wieder eine Stunde oder länger als der Oberleutnant und die beiden Posten mich auf den Hof brachten. Dort stand schon die graue Minna. Die Zivilisten gehörten nicht zu dem Transportkommando, soviel stand fest. Der eine tat sich schwer damit, die Stufe zum Einsteigen herunterzuklappen. Vielleicht kannte er sich mit dem Fahrzeug nicht aus? Draußen war es schon dunkel. Möglicherweise hatte das richtige Transportkommando ja schon Feierabend. Rein, keine Belehrung über die Anwendung der Schusswaffe, einfach nur der Befehl: Rein! Das hatte ich bisher noch nicht erlebt.
    Wo würden sie mich hinbringen?

  • Im B 1000 saß schon einer, der auch keine Uniform trug. Vielleicht ein Arzt? War ich etwa für die Staatssicherheit nicht mehr zumutbar? Möglicherweise brachten sie mich ja jetzt in ein Krankenhaus? Natürlich würde ich bei der erstbesten Gelegenheit abhauen. Oder nach Waldheim? In der Schleuse konnte ich hören wie die Waffen ausgegeben wurden und einer sagte: Die kommt nach vorn! Wer kommt nach vorn, was kommt nach vorn? Es ist sehr schwer in einem kleinen Kasten, höchstens 50 x 40 cm groß, stockdunkel, wahrscheinlich hatten sie vergessen das Licht einzuschalten, oder wussten nicht, wo sich der Schalter befand, zu erahnen, was draußen vor sich geht. Die Orientierung erfolgte nur über Geräusche, die an das Ohr drangen. Der Barkas B 1000 fuhr aus der Schleuse heraus und bog rechts ab. Spätestens nach der 4. oder 5. Richtungsänderung war es unmöglich auch nur zu raten, wo man sich befand. Zumindest schien das Fahrziel nicht in unmittelbarer Nähe zu liegen, denn an der zunehmenden Geschwindigkeit war zu merken, dass wir auf einer Landstraße oder Autobahn fuhren. Der verbundene Arm pochte und die Handschelle war ziemlich fest um den Verband geschlossen. Wohin ging die Reise? Garantiert nicht zurück in die Gummizelle. Der Barkas wurde langsamer und bog in eine unwegsame Straße ein. Zweige klatschten auf das Dach und Äste schabten an den Seiten des Aufbaus. Der Wagen schaukelte hin und her wie ein Schiff bei Seegang, wir befanden uns also vermutlich auf einer Waldstraße. Der Barkas hielt an. Türen wurden geöffnet wieder zugeschlagen und schließlich ging auch meine Tür auf. Raus! Wenn man so lange mit angezogenen Beinen im Auto sitzt, dann wird der Körper steif und die Bewegungen sind verlangsamt. Los, das geht schneller! Der Zivilist, der mich aufgefordert hatte aus dem Fahrzeug zu steigen trug eine Nietenhose, die billige Ostimitation einer Jeans und eine Blouson, unter der sich seine Pistolentasche deutlich abzeichnete. Draußen sah ich die beiden anderen Zivilisten. Einer hielt eine Kalaschnikow mit eingeklappter Schulterstütze in der Hand. Gesicht zum Fahrzeug! Ich drehte mich mit dem Kopf, von mir aus gesehen links von der Tür zum B 1000 und hatte die Nase fast an dem Blech des Aufbaus. Die Zivilisten flüsterten miteinander und langsam wurde mir mulmig. Hier war kein Krankenhaus, keine Haftanstalt oder irgendein Geheimlager von dem am Fenster öfter die Rede gewesen war, hier gab es nur Wald. Ein metallisches Geräusch ließ mich zusammenzucken. Die Maschinenpistole wurde durchgeladen. Dieses Geräusch, das ich bereits als Kind gehört hatte, wenn die Grenzposten ihre Waffen durchluden, ist unvergleichlich. Es gibt da keine Missverständnisse mehr. Jeder weiß, dass die Maschinenpistole nun jeden Augenblick abgefeuert werden kann. In einigen DDR Filmen, deren Handlung in der Nazizeit spielte, hatte ich diese Szene schon oft gesehen. Die GeStaPo fährt den Kommunisten in den Wald und dann kommt das Kommando: Lauf! Kurz darauf fallen die Schüsse und im Protokoll heißt es: Auf der Flucht erschossen. Hatte ich es übertrieben? War ich mit der Zerstörung der Gummizelle zu weit gegangen? Klar, sie waren so nett, mir ein gutes Abendbrot zu gegeben, aber das war vielleicht nur die Henkersmahlzeit? Ich wollte unter allen Umständen der Todesstrafe entgehen und jetzt schießen sie mich hier über den Haufen. Solche und ähnliche Gedanken schossen mir durch den Kopf. Pinkelpause, ich hörte das Wort nur wie durch Watte. Ich musste nicht pinkeln, konnte aber auch nichts sagen. Meine Kehle war zugeschnürt. Ich stand nur da und rührte mich nicht, keinen Millimeter. Los, wieder rein! Ich bewegte mich immer noch nicht. Erst als ich am Arm und im Genick gepackt wurde und eine Stimme befahl: Wird`s bald, stieg ich mit weichen Knien in den B 1000. Die Tür wurde geschlossen und nun hatte ich auch Licht in der kleinen Zelle. Die Tränen liefen mir über das Gesicht und ich wischte sie mit dem Ärmel des Trainingsanzuges weg. Sie haben mich nicht erschossen! Nach einer längeren Fahrt, mein Zeitgefühl war nun vollständig weg und ich beschäftigte mich in meinen Gedanken nur noch damit, dass ich auch ohne Gerichtsurteil abgeknallt werden könnte und mir in Zukunft besser überlegen musste, was ich tat oder besser unterlassen sollte, da hielt der Gefangenentransporter nach einigen hundert Metern, die er über holpriges Kopfsteinpflaster gefahren war, wieder an. Ein Tor wurde geöffnet und es war sonnenklar, dass wir nicht zurück nach Pankow gefahren waren. Das Geräusch der Schleuse dort kannte ich inzwischen. Nach kurzer Zeit, höchstens ein bis zwei Minuten, kam der Wagen erneut zum Stehen. Schleusentore, fuhren auseinander und nachdem der B 1000 hineingefahren war, schlossen sie sich geräuschvoll. Zumindest waren wir jetzt angekommen, aber ich konnte nicht hören, dass die Waffen abgegeben wurden. Außerdem hallte es kaum. Wir befanden uns also nicht in einem geschlossenen Schleusenraum. Metall schabte über Metall und ein weiteres Tor fuhr beiseite. Der B 1000 ruckte an und die Fahrt ging auf einer glatten Straße ein kurzes Stück geradeaus weiter, dann links, wieder rechts und schließlich hielt der Barkas nach einer scharfen Rechtskurve ruckartig. Noch ein Schleusentor wurde geöffnet und als es sich hinter dem Fahrzeug schloss, klang es so, wie es in einer Schleuse klingen musste. Der Schleusenraum war ziemlich klein und als ich aus dem Fahrzeug stieg konnte ich nur sehen, dass sich vor mir eine Tür befand und an der Decke Kameras. Ich war in einem Neubau. Die Gänge hatten weiße Markierungsstriche auf dem Boden und wurden durch Neonlampen taghell er-leuchtet. Ein Hauptmann, in Begleitung von zwei Unteroffizieren, brachte mich in einem Raum, in dem ein Zivilist auf dem Rand eines Schreibtisches saß. Keiner nahm mir die Handschellen ab. Der Zivilist, 45-50 Jahre alt, mit einem Anzug bekleidet, offenes Hemd, kein Schlips, hatte eine klare Kommandostimme. Er war bestimmt ein höherer Offizier oder sogar der Anstaltsleiter. Diese Einrichtung steht auf drei Pfeilern. Sicherheit, Disziplin und absolute Ruhe!
    Das Essen ist hier ziemlich gut und Sie können sich sattessen. Er machte eine Pause um zu sehen, wie seine Worte auf mich wirkten. Natürlich haben wir auch eine Beruhigungszelle oder ich stecke sie gleich in die Zwangsjacke. Wählen Sie! Da gab es nichts zu wählen, die Pinkelpause hatte mich gelehrt, das MfS nicht mehr um jeden Preis zu provozieren. Das konnte unter Umständen tödlich sein. Also lächelte ich ihn an und sagte: Ich esse!

  • Ich finde die ausgewählten Abschnitte mühsam zu lesen und habe nach ein paar Sätzen aufgegeben, weil Du keine Absätze gemacht, bzw. nicht eingerückt hast. Wenn Du leserfreundlicher formatieren würdest, bekämst Du vermutlich auch Meinungen zu Inhalt und Sprache.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Beiträge an den bestehenden Thread angehängt :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Grenzerfahrung Berlin Mitte als 15 Jähriger Schüler der 8. Klasse POS:


    Die S-Bahn Richtung Bahnhof Zoo, in der die bereits kontrollierten und für reisewürdig befundenen Menschen saßen um in das NSA, das „Nicht Sozialistische Ausland“, also in diesem Fall nach Westberlin zu reisen, fuhr dann über die Brücke am ehemaligen Schiffbauerdamm. Die Strecke führte kurvig weiter, neigte sich zudem stark nach rechts und die Geschwindigkeit wurde auf Schritttempo heruntergefahren. Auf einer Signalanlage mit Laufsteg stand ein Postenhaus, in dem zwei Grenzsoldaten die Gleise beobachteten, aber bei Nebel konnten die, trotz ihrer Ferngläser, nicht allzu weit sehen. Die Hoftür durfte man nur mit einem kräftigen Stoß öffnen, sonst quietschte sie ziemlich laut. In der Aufregung hatte Norbert das vergessen und so gab es beim Verlassen des Hofes etwas Lärm, der bestimmt nicht unbemerkt geblieben war. Richtig problematisch gestaltete sich der Leitertransport. Wir wollten in dem Hausflur kein Licht machen und im Dunkeln mit der Leiter nirgendwo anzuecken war schwierig. Die Zeit wurde knapp, aber wir schafften es. Im Laufschritt hetzten wir mit der schweren Holzleiter bis zu unserem Hausflur. Die Hoftür quietschte so furchtbar, dass ich dachte, das ganze Haus wacht auf. Nun gab es kein Zurück. Es machte auch keinen Sinn mehr Geräusche zu vermeiden. Ich richtete die Leiter auf und es zeigte sich, dass sie zu kurz war. Da stand ich nun mit offenem Mund, die Leiter hilflos in beiden Händen haltend, schaute ungläubig vom Ende der Leiter zum Stalinrasen hinauf und war wie gelähmt, vollkommen unfähig etwas zu tun. Das einzige was mir einfiel, war die Leiter anzuheben, um dann festzustellen, dass nur 40-50 cm fehlten.. Das war`s, wollte ich gerade zu Norbert sagen, doch der bugsierte bereits, leider auch nicht besonders geräuscharm, eine Mülltonne in die Hofecke und klappte den Deckel auf. Sie war randvoll. Gemeinsam hoben wir die Leiter in die Tonne. Eine recht wacklige Angelegenheit. Dann rückten wir die Tonne so zurecht, dass die Leiter am Stalinrasen anlag….An der Hauswand vorbei konnten wir die Kurve Richtung Bahnhof Friedrichstraße einsehen. Viel zu sehen war da witterungsbedingt nicht. Wenn wir anstatt nur zum Bahnhof Friedrichstraße auch in die andere Richtung geschaut hätten, dann wäre uns die Doppelstreife der Transportpolizei, beide mit Maschinenpistolen bewaffnet, wohl eher aufgefallen. Es war Norbert der sie zuerst sah und ziemlich laut rief: Weg hier! Aber wohin? Zurück über den Zaun? Unmöglich! Also liefen wir in Richtung S-Bahnhof und damit leider auch auf die Signalanlage mit dem Postenhaus in dem sich die Grenzsoldaten befanden zu, immer an der Brandmauer des Hauses entlang. Von rechts kam die Transportpolizei, die ihre Kalaschnikows inzwischen von den Schultern genommen hatten und auf uns zu rannten. Halt, stehenbleiben! Riefen sie abwechselnd. Nun tat sich auch was in dem Postenhaus auf der Signalanlage. Auch von dort wurde nun „Stehenbleiben“ gerufen und dann krachte es mehrfach so laut, dass ich nicht mehr in der Lage war, mich zu rühren. Geschosse schlugen in die Hauswand ein und der Putz flog mir in die Haare und in den Nacken.


    Vorstehender Fluchtversuch endete in der UHA II, Berlin Keibelstraße

    Ist es Erinnerungskultur, ehemalige Gefangene von den Stätten ihrer Haft fern zu halten?


    Erst eingesperrt, dann Ausgesperrt

    Auszug aus einem Offener Brief an Frau Birgit Marzinka, Leiterin "Lernort Keibelstraße"

    Agentur für Bildung - Geschichte, Politik und Medien e.V., Dieffenbachstraße 76, 10967 Berlin:


    Guten Tag Frau Gefängnisdiretrice!


    Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat entschieden, der Agentur für Bildung - Geschichte, Politik und Medien e.V. und damit Ihnen, als deren Leiterin, die ehemalige UHA II des MdI Keibelstraße anzuvertrauen. Lernen aus der Geschichte sollte dort praktiziert werden.

    Vor über 9 Monaten habe ich bei Ihnen angefragt, ob es vielleicht möglich wäre, dort, am historischen Ort, mal eine Lesung aus meinem Buch „Grenzterror“ zu halten, in dem ich u.a. auch meinen Aufenthalt in der Keibelstraße 1972 beschreibe. Es erging ein ablehnender Bescheid. Was lerne ich aus dieser Geschichte?

    Sie, Frau Marzinka, verdienen recht gut daran, dass Gefangene in der Keibelstraße gelitten haben und Sie setzen die Tradition dieses Ortes würdig fort, indem Sie auch heute noch Menschen quälen. Warten, das ist im Gefängnis (und nicht nur dort) immer quälend. Mich 9 Monate auf eine zweizeilige Absage warten zu lassen, zeugt von einer zweifelhaften Vortrefflichkeit Ihrer Person. Ihnen fehlt es an Einfühlungsvermögen und die Kompetenz, die UHA II historisch korrekt darzustellen, spreche ich Ihnen auch ab. Nicht einmal an dem Keibelstraßenlied „Es steht ein Haus in Ostberlin, ein Haus weit ab vom Recht….“ Zeigten Sie Interesse.

    In meinen Augen sind Sie eine subalterne Erinnerungskulturgewinnlerin, die nichts so sehr fürchtet, als mit Ohren- und Augenzeugen der damaligen Zeit konfrontiert zu werden. Denn dann müssten Sie zugeben, dass Sie eigentlich nichts wissen.


    Unterschrift verweigert!

  • „Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben.

    Es wird ihm nur ein einziges Mal gegeben,

    und nutzen soll man es so,

    dass einen die Schande einer niederträchtigen und kleinlichen

    Vergangenheit nicht brennt, und dass man sterbend sagen kann:

    Mein ganzes Leben, meine ganze Kraft habe ich dem Herrlichsten

    in der Welt, dem Kampf um die Befreiung der Menschheit gewidmet.“

    Dieses Zitat von Nikolai Ostrowski bekam jeder „DDR-Geborene“

    meiner Generation in rotem Einband und goldenem Staatswappen

    mit auf seinen Lebensweg.

    Von den 21 Jahren meiner „DDR“ Staatsbürgerschaft verbrachte ich 4½ Jahre in elf Gefängnissen. Ich habe mich während dieser Zeit nicht so sehr um „die Befreiung der Menschheit“ gekümmert.

    Mit nunmehr 59 Jahren stimme ich dem ersten Absatz des Zitats von Nicolai Ostrowski zu.

    Dem zweiten Teil des Zitates folge ich jedoch nicht.

    Ich bin kein Kämpfer, der sein Leben für die Befreiung der Menschheit einsetzt. Das ist mir zu groß.

    Ich möchte sterbend sagen können, dass ich, wenn auch zugegeben viel zu spät, mein ganzes Leben, meine ganze Kraft dem Herrlichsten in der Welt, der Suche nach Gott gewidmet habe.

    „Ihr werdet mich suchen und werdet mich finden.

    Denn wenn ihr mich von Herzen sucht,

    werde ich mich von euch finden lassen.“

    https://www.youtube.com/playli…HSJzOStwsaU6GkAd-01qhgDHR