Hester Young - Das Flüstern der Erinnerung/The Gates of Evangeline

  • Seitenzahl
    539 (inkl. Danksagung)


    Originaltitel
    The Gates of Evangeline


    Über die Autorin

    Zitat von Amazon.de/Klappentext

    Hester Young studierte Englische Literatur und arbeitete zehn Jahre als Lehrerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrem Ehemann und zwei Kindern in Lawrenceville, New Jersey. Das Flüstern der Erinnerung ist ihr erster Roman.


    Inhalt
    Der Journalistin Charlotte Cates hat das Leben übel mitgespielt. Nach mehreren Schicksalsschlägen liegen ihre Nerven blank und auch im Job läuft es für sie nicht besonders gut - bis ihr ein nicht gerade typisches Angebot ins Haus flattert: Sie soll ein Buch über einen 30 Jahre alten Fall schreiben, der sich um das mysteriöse Verschwinden des kleinen Gabriel Deveau dreht. Als sie in schaurigen Albträumen auch noch von Kindern um Hilfe gebeten wird , erkennt sie, dass ihr nichts anderes übrig bleibt, als sich der Sache anzunehmen. Sie will diesem Jungen helfen und stößt bei ihren Recherchen auf die unfassbare Vergangenheit seiner Familie.


    Aufbau
    "Das Flüstern der Erinnerung" besteht aus einem Prolog und mehreren Kapiteln. Erzählt wird im Präsens in der Er/Sie-Form aus Sicht der Protagonistin Charlotte.


    Eigene Meinung
    Und wieder mal findet sich ein weiteres Buch über ein altes Herrenhaus und dessen Vergangenheit in meinem Regal. Dabei war mir "Das Flüstern der Erinnerung" zunächst gar kein Begriff, bis ich es geschenkt bekam. Da es genau in mein Beuteschema fällt, musste es auch gar nicht lange auf dem SUB bleiben. Ich wollte unbedingt wissen, was es mit Charlotte und ihren Albträumen auf sich hat.


    Bei dem Roman handelt es sich um das Erstlingswerk der Autorin. Was mir sofort auffiel, war ihr toller bildhafter Schreibstil, der mich direkt ansprach. Die Art und Weise, mit welcher Young ihre Geschichte erzählt, ließ mich Teil der Geschehnisse sein und nicht nur ein Beobachter. Ihre Charaktere sind interessant und, wie ich finde, mutig gezeichnet. Damit meine ich, dass die Autorin sich nicht davor scheut, ihre Figuren - selbst die Protagonistin - das eine oder andere Mal ziemlich unsympathisch wirken zu lassen. Zugegebenermaßen war mir das hin und wieder etwas zu viel. Niemand ist perfekt und ich finde es toll, wenn Charaktere nicht oberklug, super schön und unwiderstehlich sind. Wenn aber eine Person, mit der man mitfühlen soll, genau dieses Mitgefühl anderen Charakteren gegenüber vermissen lässt oder sich gar (wenn auch nur in Gedanken, aber da besonders am Anfang recht häufig) negativ über ihre Mitmenschen äußert, ist das auch nicht unbedingt von Vorteil. Allerdings hat es Young trotzdem geschafft, dass ich mit Charlotte und einigen anderen mitgefiebert habe, dass ich manchmal Angst hatte oder auch leichte Wut im Bauch. Die Autorin war also in der Lage, mich emotional an ihre Geschichte zu binden und das hat (zum Großteil :lol: ) Spaß gemacht.


    Neben Charakteren, die es sich zu entdecken lohnt, findet sich in "Das Flüstern der Erinnerung" aber auch eine spannende Handlung. Das Verschwinden des kleinen Gabriel Deveau ist hier wirklich super in Szene gesetzt worden und machte mich als Leser ziemlich neugierig. Im Laufe der Geschichte kommt man mit Charlotte dem Rätsel immer mehr auf die Spur und stolpert dabei über das eine oder andere wirklich .... pikante Detail in der Vergangenheit der gut betuchten Deveau-Familie. Ein bisschen schade ist, dass sich die Autorin hier aber ab und an selbst im Weg steht. Sie webt einen tollen Teppich aus Fragen, Hinweisen und Andeutungen, schafft es dann aber oft nicht, ein Geheimnis wirklich eines sein zu lassen, da sie die Lösung, ohne sie direkt zu benennen, selbst praktisch verrät. Daher waren mir viele Dinge zwar ziemlich schnell klar, aber das "Wie kam es zu all dem?" war am Ende dann doch interessant. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass die Autorin sich an das schöne "Weniger ist manchmal mehr" hält und nicht versucht (wie ich es empfunden habe), den Leser in die falsche Richtung zu zerren, wodurch man schnell auf die richtige Lösung des einen oder anderen Rätsels kommt.


    Für wen es übrigens von Bedeutung ist: Ich habe ein paar Schreibfehler entdeckt. Meistens fehlte nur ein Buchstabe, ganz selten auch ein komplettes Wort und ein anderes Mal kam es sogar zu einer kurzen Umbenennung eines Charakters. Ich selbst bin dann zwar über die entsprechende Stelle gestolpert, habe es aber nicht als wirklich störend empfunden. So zahlreich waren die Fehler dann doch nicht, dass sie mir den Lesespaß hätten nehmen können.


    Trotz meiner genannten Kritik hat es mir Spaß gemacht, "Das Flüstern der Erinnerung" zu lesen. Young beweist in ihrem ersten Roman, dass sie eine angenehme und begabte Erzählerin ist, die ihren Leser gern mal versucht an der Nase herumzuführen, um mit einer spannenden, emotionalen und tiefgreifenden Geschichte zu unterhalten. Die Stimmung des Buches hat mich fasziniert und in ihren Bann gezogen - genau wie ich es bei diesen Geschichten liebe. Auch wenn die Autorin hinsichtlich ihrer Charaktere und deren Ecken und Kanten manchmal leicht über das Ziel hinausschießt, sind ihre Figuren lebhaft und tragen am Ende zu einem stimmigen Gesamtbild bei.


    Insgesamt vergebe ich für ein tolles Buch, das ich am Ende kaum mehr aus der Hand legen konnte, :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: . Ich hoffe, dass sich Young mit ihrem nächsten Projekt nicht zu viel Zeit lässt (entdeckt habe ich eben eine Ankündigung für 2017 - sehr schön!). Ich wäre bin jedenfalls gern wieder dabei, wenn sie ihre Charaktere in ihr neues Abenteuer stürzt.


    ~ Was mich im Alltag auffängt, ist die Möglichkeit, mich einfach mal fallen lassen zu können. ~