Johann Wolfgang von Goethe - Faust I: Der Tragödie erster Teil

  • Inhalt (laut amazon.de):
    "Seit langem schon sucht Faust vergeblich zu ergründen, »was die Welt im Innersten zusammenhält«. Doch nur ein Pakt mit dem Teufel kann ihm helfen, seinen Wissensdurst zu stillen und das schöne Gretchen zu verführen. Dabei kommt er an den großen Fragen der Menschheit, der Wahrheit, der Liebe und der Verantwortung vor sich selbst, nicht vorbei. Bis heute besticht »Der Faust« durch seine fulminante Kraft und Tiefe und seinen Reichtum an Bezügen. Zu Recht gilt die Tragödie als das bedeutendste Werk der deutschen Literatur."


    Über den Autor (laut amazon.de):
    "Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) ist ein deutsches Dichtergenie, das ein Werk von unvergleichlicher Fülle und Vielfalt schuf. Goethe zeichnete sich sowohl als Lyriker, als auch als Dramatiker, Erzähler, Kritiker, Staatsmann und Naturforscher aus. Sein dichterisches Schaffen umspannt literarische Epochen vom »Sturm und Drang« bis zur »Romantik«. Gemeinsam mit Friedrich Schiller bildet er den Mittelpunkt der »Weimarer Klassik«."


    Meine Meinung:
    Bevor sich jemand auf große Interpretationen freut, nehme ich gleich vorweg, dass ich das Stück beim Lesen mitnichten gedanklich auseinandergenommen habe. Ziemlich spontan habe ich es angefangen und mich ganz ohne äußeren Zwang (Stichwort Schule oder Uni) der Lektüre gewidmet, mit dem Versuch zu ergründen, was es mit einem der wichtigsten Werke der Weltliteratur auf sich hat.


    Nun, ganz so einfach hat sich das Lesen dann doch nicht gestaltet, da fand ich Goethes "Iphigenie auf Tauris" fast zugänglicher. Er hat unheimlich lange an dem Werk gearbeitet und der Text gleicht dementsprechend einem Konvolut an stilistischen Mitteln, die er sich wahrscheinlich im Laufe seines Schaffens zu eigen gemacht hat. Das Stück an sich ist bereits ein offenes Drama ohne jegliche Unterteilung in Akte, mit Zeitsprüngen und ganzen drei Anfängen (!), dann kommt dazu auch noch, dass man von Prosa über verschiedene Versarten bis zum Volkslied alles vorfindet. Mir hat die Abwechslung sehr gut gefallen und sie passt auch zum jeweiligen Kontext wie die Faust auf's Auge. Diese "wilden" Elemente gehen auch wunderbar mit dem Teufelsthema einher, als Gegensatz zur göttlichen Ordnung. Generell gibt es viele Gegensätze in dem Stück. Der allerwichtigste wird wohl der Gegensatz zwischen Gretchen und Faust sein, der mit der Gretchenfrage auf den Punkt gebracht wird. Das, woran zwei Menschen glauben, ihre Wertvorstellungen, ihre Moral könnte bei diesen beiden nicht unterschiedlicher sein. Umso tragischer ist der Weg, den Gretchens Schicksal nimmt. Wobei Goethe es sich nicht nehmen lässt, eine Art Trost oder Erlösung am Ende anzubieten, die in Gretchens Sinne sein dürfte.


    Interessant, aber ehrlich gesagt, auch etwas anstrengend fand ich die mystischen Elemente. Andererseits unterstreichen sie natürlich die Verzweiflung Fausts, der es ja mit den Wissenschaften versucht hat und trotzdem nicht das Gefühl hatte, Erkenntnis zu erlangen. Und jetzt wendet er sich eher dem Übersinnlichen zu. Nichtsdestotrotz haben mir die "klaren" Szenen, insbesondere die Dialoge, mehr gefallen und Mephistopheles als Figur fand ich überaus gelungen. Allein seine spitze Zunge ist es wert, das Stück einmal gelesen zu haben.


    Denjenigen, die das Werk auch lesen möchten, empfehle ich auf jeden Fall, sich eine Ausgabe mit Erläuterungen und Kommentaren anzulegen. Ich selbst habe zuerst mit dem kostenlosen E-Book von Amazon angefangen und mir dann die unten angeführte Ausgabe (ebenfalls im elektronischen Format) zugelegt, die beide Teile der Tragödie enthält. Und ich würde empfehlen, sich ab und zu mal Zusammenfassungen zu den einzelnen Kapiteln anzuschauen. Es kann ja immer mal sein, dass man etwas nicht mitbekommt. So habe ich - Achtung, nicht lachen - gar nicht realisiert, dass Faust sich vergiften wollte. Klar, er wollte was trinken, aber Gift? Wo war denn da bitte von Gift die Rede? :-,:loool: Das war zwar nicht die Welt, aber was der eine aus Andeutungen gleich herausliest, muss nicht unbedingt für den anderen gelten. Für meinen Geschmack war die Szene eindeutig zu schwammig formuliert.


    Fazit:
    Insgesamt hat mir dieser erste Teil der Tragödie gut gefallen, wobei ich ab und zu mit Goethes Ausdrucksweise kämpfen musste. Ich würde jedem empfehlen, sich mit dem "Faust" mal auseinanderzusetzen - allein deswegen, weil aufgrund seiner Bekanntheit ständig Bezug auf ihn genommen wird. Ich habe es jedenfalls nicht bereut. :thumleft:

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  • Klasse! Ob man es glaubt oder nicht, ich hatte in den letzten Tagen auch die Idee, hier einmal den Goethe einzustellen, damit er nur ja nicht in Vergessenheit gerät. In der Schule kommt er ja meines Wissens nicht mehr sehr viel vor. (Meine Kinder jedenfalls hatten ihn nicht auf irgendeinem Lehrplan). Andererseits ist natürlich der Ansatz, das Werk ohne äujßeren Zwang zu lesen, an sich ein sehr guter. (Als Schüler habe ich mich innerlichgegen die Klassiker gewehrt).
    Sperrig ist das Stück natürlich, ich persönlich habe sowieso riesige Probleme, Theaterstücke zu lesen, ich stolpere einfach immer üb er diesen Stil. Aber dafür wird man mit herrlichen Sätzen, Gedichten (Osterspaziergang!!!!) und Bonmots belohnt. Auch die Geschichte ist recht spannend und es werden Fragen berührt, die eigentlich jeden angehen.
    Ich fände es sehr sehr schade, wenn meine Genereation die letzte sein sollte, die den Faust noch als Inbegriff der deutschen Kunst kennt.
    Insofern möchte ich mich hier für die Besprechung herzlich bedanken und hoffe, dass der eine oder andere sich angesprochen fühlt, das Buch mal zur Hand zu nehmen.


    ich habe es ürigens in der kleinen gelben Reclam-Ausgabe gelesen, das empfiehlt sich nicht! Es sollte schon ein größeres Buch sein, aber die gibt es ja für wenig Geld allerorten.

  • In der Schule kommt er ja meines Wissens nicht mehr sehr viel vor.

    Unser jüngster Sohn hat in diesem Jahr Abitur gemacht und er hat in der Oberstufe sowohl den "Faust" als auch andere klassische Werke gelesen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
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  • In der Schule kommt er ja meines Wissens nicht mehr sehr viel vor. (Meine Kinder jedenfalls hatten ihn nicht auf irgendeinem Lehrplan).

    Nein, mein Sohn auch nicht, aber da ist das Abi auch schon wieder etliche Jahre her. Ich altes Urgestein hatte ihn aber in der Schule. Ich kann heute noch Teile von "Fausts Visons einer zukünftigen Gesellschaft" rezitieren :geek:


    @€nigma
    Ich denke, das ist sicherlich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

  • In der Schule kommt er ja meines Wissens nicht mehr sehr viel vor.

    Die Lehrpläne wechseln ja immer mal wieder. Bei uns war es so, dass wir "Iphigenie auf Tauris" in der Oberstufe durchnehmen mussten, während es für das Abitur 2017 durch den "Faust" ersetzt wird. Pauschal würde ich eigentlich (noch) nicht sagen, dass Goethe in den Lehrplänen zu kurz kommt. Aber wer weiß, wie lange das noch der Fall sein wird. Wir hatten im Deutschunterricht damals auch eine Diskussion zum Thema "Warum soll man denn so etwas noch lesen?". Dazu muss man sagen, dass 95% des Kurses mit "Iphigenie" nichts anfangen konnten, mit Kafka und Joseph Roth hingegen viel besser zurechtgekommen sind.
    Ich fände es schade, wenn die alten Meister im Unterricht aussterben würden. Irgendwas muss an den Werken schließlich dran sein, was die Menschen fasziniert. Das kann man mit den Philosophen aus dem alten Griechenland vergleichen: Obwohl sie schon längst verstorben sind, leben ihre Ideen auch heute noch weiter und andere nehmen gerne Bezug darauf.

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  • Der Erste Teil von Faust ist wirklich genial, aber zum besseren Verständnis war für mich vor allem die Aufführung aus den 60er Jahren mit Gustav Grüngens als Mephisto total hilfreich und hat auch einen großen Anteil zu der Faszination beigesteuert. Viele Dinge die ich aus dem Faust glaube zu verstehen, haben mich wirklich begeistert und in vielen anderen Dingen sind vermutlich noch verborgene Schätze zu bergen. Wirklich hervorheben (und ein bisschen ausholen) möchte ich jedoch die Szene, als Mephisto sich zu erkennen gibt (des Pudels Kern also).
    Zitat:
    Faust: Nun gut Wer bis du denn?

    Mephisto: Ich bin ein Teil von jener Kraft
    die stets das Böse will und gutes dabei schafft.

    Allein darin ist schon ein Teil der Schöpfungsgeschichte enthalten und es wird hier der Zwist zwischen Gott und dem Teufel, aus dem alten Testament aufgegriffen.


    Später sagt Mephisto auch:
    Ich bin ein Teil, des Teils, der Anfangs alles war,
    ein Teil von jener Finsternis die sich das Licht gebar.


    Am Anfang bevor die Welt erschaffen wurde, also sozusagen bevor es noch Gott gab, spricht man vom Tohuwabohu. Alles war eins zugleich und darauf spielt Mephisto (meiner Meinung nach) an. Wirklich gut und detailiert erzählt, kann man das in Michael Köhlmeiers "Geschichten von der Bibel nachlesen".

  • Ich stimme sehr zu, obwohl man nicht vergessen sollte, dass Goethe Atheist war und sehr oft einen satirischen Unterton pflegte.
    Auf jeden Fall kann man in diesem Werk immer wieder etwas entdecken, sei es etwas, dem man zustimmt, oder etwas, das einen zum Nachdenken bringt. Und eben auch manchmal was zum Lachen.


    für mich übrigens eines der schönsten Zitate:"Bist du der Geist, der stets verneint?" Und immer fällt mir dann die Antwort in R. Gernhardts Zeichnung ein:"Ja! "

  • Ich glaube es ist nicht die Frage von Faust sondern es ist Mephisto der sagt (Wow ich weiß es auswendig!):
    Ich bin der Geist der stets verneint und das mit recht,
    denn alles was enststeht, ist wert das es zugrunde geht,
    drum wär besser wenn nichts entstünde,
    so ist denn alles was ihr
    Sünde
    Zerstörung - kurz das böse nennt
    mein eigentliches Element.

    Ist aber die gleiche Szene

  • Tohuwabohu

    Das Wort, es ist in Genesis 1,2 (1. Buch Mose 1,2) zu finden, stammt aus dem Hebräischen. תוֹהוּ וָבוֹהוּ‎ heißt so viel wie "wüst und leer". So wie es auch im Anfang der deutschen AT-Übersetzung steht. Darauf bezieht Goethe sich.


    "Tohu" ist das Wirre, Chaotische, "bohu" das Leere, Öde. In späteren Büchern der Bibel, z.B. Jeremias, wird das Wort für den Zustand eines Landes nach einem Krieg verwendet.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)