Klappentext:
»Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie für nichts Besonderes. Bei unserer ersten Begegnung fand ich sie nicht einmal attraktiv. Mittelgroß, ein Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut, Schlupflider und dominante Wangenknochen. So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.«
Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.
Die Vegetarierin ist eine kafkaeske Geschichte in drei Akten über Scham und Begierde, Macht und Obsession sowie unsere zum Scheitern verurteilten Versuche, den Anderen zu verstehen, der ja doch, wie man selbst, Gefangener im eigenen Leib ist. Der Roman wurde mit dem Man Booker International Prize 2016 ausgezeichnet. (von der Aufbau-Verlagsseite kopiert)
Zur Autorin:
Han Kang wurde in Gwangju, Südkorea, geboren. 1993 debütierte sie als Dichterin, ihr erster Roman erschien 1994. Für ihr literarisches Schreiben wurde sie mit dem Yi- Sang-Literaturpreis, den Today’s Young Artist Award und dem Manhae Literaturpreis ausgezeichnet. Derzeit lehrt sie kreatives Schreiben am Kulturinstitut Seoul. Mehr Informationen zur Autorin: www.writerhankang.com (von der Aufbau-Verlagsseite kopiert)
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: 채식주의자
Aus dem Koreanischen übersetzt von Ki-Hyang Lee
Erstmals erschienen 2007
Drei Teile:
- Die Vegetarierin: Erzählt aus der Ich-Perspektive des Ehemannes im Wechsel mit Passagen aus Träumen von Yong-Hye
- Der Mongolenfleck: Erzählt aus der personalen Perspektive des Schwagers von Yong-Hye, eines Malers
- Bäume in Flammen: Erzählt aus der personalen Perspektive von In-Hye, Yong-Hyes älterer Schwester
190 Seiten
Persönliche Meinung:
Eine Frau auf dem Weg in die Magersucht, das ist der Inhalt des Buches. Man könnte weiter gehen und sagen: Wie der Vegetarismus einer Frau drei Familien zerstört und sie selbst in die Psychiatrie bringt.
In drei aufeinander aufbauenden chronologischen Teilen nähert man sich Yong-Hye, nimmt teil an ihrem Weg und erfährt bis auf die merkwürdigen Träume, die sie dazu bringen, sich vegetarisch (eigentlich vegan) zu ernähren, von ihr selbst nur durch andere.
Im ersten Teil durch ihren Ehemann, der nur eine durchschnittliche Frau für Küche, Bett und zu Repräsentationszwecken braucht, nun aber verständnislos und abweisend ihrer Veränderung begegnet. Ihm zur Seite stehen Yong-Hyes Eltern, die ihrer Tochter gewaltsam das „richtige“ Essen einzutrichtern versuchen. Den zweiten Teil, drei Jahre nach dem ersten angesiedelt, übernimmt der Schwager, Ehemann der Schwester, ein Künstler, der seit längerem in einer Schaffenskrise steckt und Yong-Hye dazu missbraucht, aus ihr heraus zu finden. Und dann der dritte Teil, wiederum zwei Jahre später, in dem die Schwester geschildert wird, die zu Besuch ins psychiatrische Krankenhaus fährt.
Nach und nach verliert Yong-Hye alles: Zuerst boykottiert sie Essen und Sex (und erfährt bei ihrer Verweigerung Gewalt), sie verliert Gewicht und Anmut, am Ende stellt sie die Kommunikation ein und gibt die Sprache auf.
Müsste ich das Buch in einem Wort beschreiben, fiele mir „fremd“ ein. Nicht so sehr, weil ich als Europäerin kein Problem mit vegetarischem Leben oder mit Malerei auf nacktem Körper habe oder weil ich kein Gesicht wahren muss, sondern weil sich eine Welt öffnet, zu der mir der Zugang fehlt, deren Emotionen mir fern liegen, deren Gedanken mir nicht nachvollziehbar sind und deren Träume mir kraus und wirr erscheinen.
Han Kang hat für das Buch einen wichtigen Preis bekommen, nicht nur FAZ und Spiegel überschlagen sich in ihren Lobeshymnen, und alle Welt scheint begeistert. Nur ich habe anscheinend nichts begriffen. Nicht einmal ein Buch, das mit dem inflationär gebrauchten „kafkaesk“ beschrieben wird.
Die Suche nach dem Motiv für Yong-Hyes Entwicklung in den Gewalterfahrungen in Kindheit und Ehe zu suchen, ist eher eine europäische Sicht der Dinge, die für alles, was geschieht, einen triftigen Grund braucht. Es geht um eine Verschmelzung mit der Natur, dem Boden, den Bäumen, wenn ich den Sinn richtig deute.
Das Cover mag ich nicht. Auf den ersten Blick sieht man nur Blüten (die im zweiten Teil eine wichtige Rolle spielen), aber von der untersten hängt anstelle eines Blattes eine Zunge herunter, zwischen ihnen strecken sich Finger heraus und oben links ragt ein Stück fettes marmoriertes Fleisch ins Bild.
Weil es mir fremd ist, kann ich das Buch nicht bewerten. Gerne würde ich die Meinungen von denjenigen gelesen, die das Buch mit Stern-Höchstzahlen ausgezeichnet haben. Vielleicht kommt das noch.