Rose Tremain - Und damit fing es an / The Gustav Sonata

  • ….. weil er er war, weil ich ich war. (Montaigne)


    Jedes Buch von Rose Tremain ist für mich etwas Besonderes. Ihre Geschichten sind leise, oft von einer stillen Traurigkeit umhüllt, aber immer liebe-und hoffnungsvoll.
    Ich kenne kaum eine andere Autorin, die es schafft mit wenigen Sätzen ein Leben, einen Charakter oder eine Situation lebendig werden zu lassen. Hier nur ein Satz, der das bestätigt: „………zaubert ein verstecktes Lächeln in das Vogelgesicht des Managers. Er sieht es gern, wenn Frauen sich bei schwerer Arbeit abmühen, es macht sie begehrenswert und gleichzeitig erbärmlich“. Hier sieht man den Charakter des Mannes schon allein durch diesen Satz bloßgelegt. Bei Rose Tremain genügen nur wenige Abschnitte und man taucht in das Leben der Protagonisten, steht an ihrer Seite, ob in Sympathie oder Abneigung.
    Sehr gelungen fand ich auch die Schilderung der Schweiz in den Kriegs-und Nachkriegsjahren, den Makel der undurchlässigen Grenzen und die unterschwelligen Vorurteile der Schweizer Bürger und Behörden und den latent vorhandenen Antisemitismus.
    Gustav wächst in der Schweiz späten 40iger Jahre heran, vom beginnenden Wohlstand ist bei ihm und der verbitterten Mutter nicht viel angekommen. Liebe und Geborgenheit sucht er bei Mutter Emilie Perle vergeblich, aber wie könnte sie ihm diese Gefühle geben, sie hat sie doch selbst nie erfahren, auch wenn sie sich bei Gustavs Vater kurze Zeit sich dieser Täuschung hingibt.
    Dann gibt es den einen Augenblick im Leben Gustavs, der alles ändert: in der Vorschule wird ein weinender Junge zu ihm gesetzt, zwei kleine Außenseiter sollen sich gegenseitig stützen. Mit der Begegnung beginnt eine lebenslange Verbindung, die Gustav oft viel abverlangt.
    Der erste Teil, der Gustavs Kindheit beschreibt ist melancholisch, aber der zweite Teil, der seinen Eltern gewidmet ist, ist tragisch. Beide suchen sie Liebe, aber sie finden sie nicht. Im Gegenteil, die Selbsttäuschung schlägt bei beiden Ehepartnern in Verachtung und Mitleid um. Der letzte Teil, schildert Anton und Gustav als Erwachsene, die beide an den seelischen Verletzungen ihrer Kindheit gewachsen sind.
    Rose Tremain schildert ihre Geschichte mit unglaublicher Empathie für ihre Figuren, sie verurteilt sie nicht, sie ergreift keine Partei. Sie akzeptiert sie mit ihren Schwächen und Fehlern. Ihre Sprache ist feinsinnig, sensibel, nuanciert und reif. Obwohl es keine großen Ereignisse sind, die das Leben ihrer Hauptfiguren prägen, ist ein ganzer Kosmos von Schicksalen und Sehnsüchten enthalten. Dieses Buch lege ich nur ungern zur Seite, es lässt mich nicht so schnell los und die Geschichte klingt lange nach.
    Für mich ist Rose Tremain eine der wichtigsten Stimmen der englischen Literatur und ich wünsche dem Buch viele begeisterte Leser.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Jedes Buch von Rose Tremain ist für mich etwas Besonderes

    Wenn das so ist: Ich habe das einzige Buch, das meine Bücherei von der Autorin besitzt, auf meinen Merkzettel geschrieben.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Titel: Und damit fing es an
    Autorin: Rose Tremain
    Daten zum Buch:
    Verlag: Insel
    Genre: Literatur
    Erscheinungstermin: 08.08.16
    Seitenanzahl: 333
    ISBN 978 3458 1768 48
    Preis: 22,00 (D)
    Inhaltsangabe:
    Gustav Perle ist ein zurückhaltender Mann. Er wuchs in den 1940er-Jahren allein bei seiner Mutter Emilie in ärmlichen Verhältnissen im schweizerischen Matzlingen auf und schon damals hat er gelernt, nicht zu viel vom Leben zu wollen. Als Anton in seine Klasse kommt, ein Junge aus einer kultivierten jüdischen Familie, hält mit ihm auch das Schöne in Gustavs Leben Einzug. Anton spielt Klavier, und seine Familie nimmt Gustav sonntags mit zum Eislaufen. Emilie sieht das nicht gerne, lebt sie doch in der Überzeugung, dass die Bereitschaft ihres verstorbenen Mannes, jüdischen Flüchtlingen zu helfen, letztlich ihr gemeinsames Leben ruiniert hat. Doch Anton ist alles, was Gustav braucht, um glücklich zu sein. Umso härter trifft es ihn, als Anton beide sind längst erwachsen Matzlingen verlässt, weil er seine große Chance als Pianist wittert. Gustav widmet sich seinem Hotel Perle, das er inzwischen mit Erfolg führt doch er ist einsam und verspürt eine große Leere in seinem Leben. Bis Anton, gescheitert, zurückkehrt und beide erkennen, dass das Glück vielleicht schon immer direkt vor ihnen lag. Ein zarter, bewegender Roman, der davon erzählt, dass es manchmal fast ein ganzes Leben dauert, bis man das Glück findet in dem einen Menschen, den man zum Leben braucht.
    Über die Autorin:
    Rose Tremain, 1943 geboren, wuchs in London auf. Sie veröffentlichte Kurzgeschichten und Romane, unter anderem Adieu, Sir Merivel und Der weite Weg nach Hause, ausgezeichnet mit dem Orange Prize for Fiction. Ihr Roman Zeit der Sinnlichkeit wurde 1995 mit Robert Downey Jr., Hugh Grant und Meg Ryan unter dem Titel Restoration verfilmt. Die Autorin lebt in London und Norwich.
    (QUELLE: AMAZON)


    Meine Meinung:
    Dieses Buch, es ist mein erstes, aber ganz sicher nicht mein letztes von dieser Autorin, strahlt seit einem meiner Kindheitslieblingsbücher "Heidis Lehr- und Wanderjahre" von Johanna Spyri das meiste Lokalkolorit und Schweizer Flair aus und ich bin auch sicher, dass der ähnlich gute Gesamteindruck ähnlich nachhaltig sein wird. Buchcover und -titel passen zum Buchinhalt, sind allerdings beide nicht besonders aussagekräftig, weshalb ich auch nicht ganz nachzuvollziehen in der Lage bin, warum man nicht entweder den Originaltitel beibehielt oder wenigstens diesen wortgetreu übersetzt verwendete.
    Erzählt wird in einem angenehmen und leicht lesbaren Stil die Geschichte von Gustav Perle, der im 2.Weltkrieg in einem kleinen Schweizer Ort geboren wird. Kurze Rückblicke auf das Leben seiner Eltern zuvor gibt es auch. Das Buch endet in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends.
    Beziehungen unterschiedlichster Art sind ebenso Thema wie die Judenverfolgung unter den Nazis und welche Auswirkungen sich für die politisch ja als neutral geltende Schweiz ergaben. Da einer der beiden Protagonisten sich für klassische Musik interessierte, wurde auch diese zum Thema.
    Mehrmals war ich sehr bewegt vom Gelesenen, das jedoch nie die Grenze zum Kitschigen erreichte.
    Unbedingte Leseempfehlung für jene Leser, die auch die leiseren Töne lieben.

  • Berührend
    Gustav Perle ist ein freundlicher, braver und guter Junge. Er wächst im kleinen schweizerischen Ort Matzlingen allein mit seiner Mutter in bescheidenen Verhältnissen auf.


    Seine ,,Mutti“ liebt er bedingungslos, obwohl er von ihrer Seite eher Distanz und Gleichgültigkeit erfährt und von ihr hauptsächlich lernt, dass man ,,sich beherrschen“ muss. In der Vorschule trifft Gustav auf Anton Zwiebel. Anton stammt aus einer wohlhabenden und kultivierten jüdischen Familie, und mit ihm lernt Gustav die schönen Dinge im Leben kennen, z.B. Musik und Klavierspiel, Eislaufen usw.


    Gustavs Mutter Emilie sieht die Freundschaft der beiden Jungen nicht gerne, da sie die Juden für den frühen Tod ihres Ehemanns Erich verantwortlich macht. Dieser hatte als stellvertretender Polizeichefjüdischen Flüchtlingen geholfen und deswegen seine Stelle verloren.


    Im 2. Teil wird geschildert, wie Emilie und Erich sich kennen lernen und wie schon bald nach der Heirat der eher unglückliche Alltag von Gustavs Eltern beginnt. Hier wird offenbar, dass sich vieles ganz anders zugetragen hat, als Emilie dies ihrem Sohn immer vorgegaukelt hat.


    Im 3. Teil sind Gustav und Anton schon um die 50 Jahre alt. Ihre Freundschaft besteht nach wie vor, allerdings führt jeder sein eigenes Leben. Gustav führt ein kleines Hotel, die ,,Perle“, was ihm eine gewisse Erfüllung bietet, Anton dagegen ist statt Konzertpianist nur Klavierlehrer geworden und ist unzufrieden und getrieben. Erst als Anton einen psychischen Zusammenbruch erleidet und Gustav um Hilfe bittet, da er der Einzige ist, der ihm helfen kann, finden die beiden endlich zu einem gemeinsamen und glücklichen Leben.


    Die Geschichte Gustavs ist bewegend. Der kleine Gustav, der es allen recht machen will, aber kaum Unterstützung bekommt, macht einen traurig. Seine Erkenntnis, dass er seiner Mutter nie genügt und sie ihn eigentlich nie geliebt hat, ist tragisch, wird aber ruhig und eher melancholisch erzählt. Die Sprache und der Erzählstil des Romans sind einfach, aber anmutig. Besonders gefallen mir die kleinen Dinge im Leben Gustavs, wie z.B. seine Spielzeugeisenbahn, die detailliert und anschaulich beschrieben wird.


    Etwas irritierend sind die stellenweise großen Zeitsprünge. Zwar sind den Kapiteln immer Jahreszahlen zur besseren Orientierung hinzugefügt, aber die fehlenden Jahre oder gar Jahrzehnte, vor allem vor dem 3. Teil, lassen den Leser etwas im Ungewissen.


    Insgesamt aber ein berührender und lesenswerter Roman. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Besser spät als nie


    „Und damit fing es an“ von Rose Tremain erzählt die Geschichte von Gustav und Anton, die sich als Kinder in den 1940er Jahren in einem kleinen Schweizer Dorf kennenlernen und näherkommen, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein können. Denn Gustav wächst mit seiner Mutter in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater verstarb viel zu früh, Schuld daran waren die Juden, so behauptet jedenfalls Gustavs Mutter. Und Anton ist Jude und stammt noch dazu aus einer vermögenden Familie. Trotz aller Widrigkeiten entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft, die Höhen und Tiefen durchlebt und schlussendlich erst in späten Jahren wirkliche Erfüllung findet.


    Der Roman gliedert sich in drei Teile. Er beginnt mit der Kindheit von Gustav und Anton, blickt dann zurück auf Gustavs Eltern und endet schließlich im Jahr 2002. Rose Tremain spannt einen weiten Bogen und erzählt emotional und ohne Tabus von Freundschaft und Liebe, von Leidenschaft und Schmerz in guten wie in schlechten Zeiten.
    Wer die Inhaltsangabe zum Buch gelesen hat, die meiner Meinung nach viel zu ausführlich geraten ist, wird während der Lektüre merken, daß sich bloß wenige Überraschungen auftun, ja sogar der Ausgang der Geschichte schon feststeht.
    Dennoch habe ich die Geschehnisse rundum Gustav und Anton gerne gelesen. Langeweile kam nicht auf, da eigentlich ständig irgendetwas passierte. Zudem versteht es die Autorin perfekt, Atmosphäre und Zeitgeist, verbunden mit der realen Schweizer Historie, direkt einzufangen und wiederzugeben. Bestimmte Verhaltens- und Handlungsweisen einzelner Figuren konnte ich allerdings nicht ganz nachvollziehen.
    Wirkliche Empathie empfand ich tatsächlich nur mit Gustav, Anton blieb für mich blass und schwer zugänglich. Auch das Ende schien mir überhastet und aufgrund der großen Zeitsprünge lückenhaft. Hier hätten ein paar Sätze mehr zum echten Verständnis und Mitfühlen beitragen können.


    Nichtsdestotrotz handelt es sich bei „Und damit fing alles an“ von Rose Tremain meines Erachtens um einen durchaus unterhaltsamen Roman über eine jahrzehntelange innige Freundschaft unter schwierigen Voraussetzungen und Bedingungen. Sensationen und Aha-Erlebnisse sollte man jedoch in diesem Werk nicht erwarten.
    Der Originaltitel des Buches lautet übrigens „The Gustav Sonata“ und trifft in meinen Augen den Tenor des Buches auf den Punkt. Warum hat man ihn nicht in die Deutsche Ausgabe übernommen?

  • Gustav Perle ist ein stiller Junge. Er wächst bei seiner Mutter Emilie auf, der Vater ist bereits kurz nach seiner Geburt gestorben, die Umstände sind für den Jungen lange nicht klar. Seine Mutter ist keine liebevolle Frau und ihr Verhältnis zu ihrem Sohn recht unterkühlt und distanziert. Sich in jeder Lebenslage zu beherrschen, ist ihr sehr wichtig und das vermittelt sie auch ihrem Sohn.



    So wächst Gustav zwar nicht direkt unglücklich, aber auch eher freudlos auf. In der Vorschule trifft er dann eines Tages auf Anton, den Sohn wohlhabender jüdischer Eltern. Die beiden Jungen freunden sich an und Gustav verbringt viel Zeit bei und mit Antons Familie. Anton ist ein musikalisches Wunderkind und seine Eltern setzen große Hoffnungen in seine Zukunft als Konzertpianist. Durch sie erhält Gustav Einblicke in eine ganz andere Welt, aber auch immer wieder Dämpfer, wenn ihm deutlich gemacht wird, dass seine Familie eben nur aus Emilie und ihm besteht und sie ein gänzlich anderes Leben führen.



    Nach und nach erfährt man als Leser in Rückblenden, warum Emilie ist, wie sie ist und wie es dazu gekommen ist. Auch Gustavs verstorbenen Vater Erich lernen wir so im Nachhinein kennen und diese Rückblenden erklären einiges.



    Die Lebenswege von Anton und Gustav bleiben immer irgendwie verknüpft, driften manchmal etwas weiter auseinander, doch nähern sich dann auch wieder an.



    Gustav Perle ist ein liebenswürdiger Mann, aber anscheinend liebt ihn niemand. Seine Mutter nicht, da sie zu sehr mit ihrer eigenen Vergangenheit kämpft, sein Freund Anton ist zu selbstbezogen und viele andere Menschen gibt es in Gustavs Leben nicht. Dennoch steht Gustav wiederum den Menschen, die ihm nahestehen, immer bei und ist für sie da.



    Es ist ein Buch für Leser, die ruhige Töne mögen. Wer viel Action erwartet, ist hier sicherlich falsch beraten. Aber gerade wegen dieser leisen Töne hat mir die Geschichte sehr gut gefallen. Die Figuren werden gut gezeichnet, man sieht sie regelrecht vor sich. Auch wenn man anfangs nicht alles versteht, erklärt sich im Laufe der Handlung doch alles und man kann nachvollziehen, warum sie so geworden sind.



    Gustav ist in den 1940er Jahren geboren, die Geschichte der Schweiz vor und während des Zweiten Weltkriegs spielt eine gewisse Rolle für die Handlung und war für mich sehr interessant, da ich bisher immer nur Bücher gelesen habe, in denen Menschen zwar in die Schweiz geflohen sind, aber nie Romane aus Schweizer Sicht.



    Das Hauptaugenmerk liegt aber klar auf den Figuren und ihrem komplizierten Beziehungsgeflecht.



    Ein tolles Buch, wenn man sich auf derartige Geschichten einlassen kann und will!

  • Die Geschichte beschreibt die lebenslange Freundschaft von Anton und Gustav. Sie stammen aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und lernen sich in der Vorschule kennen. Anton ist der Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie, die aus Bern in den kleinen Ort Matzingen gezogen ist, in welchem Gustav mit seiner Mutter, in ärmlichen Verhältnissen lebt. Sein Vater ist kurz nach seiner Geburt gestorben, lediglich ein Foto in Polizeiuniform erinnert an ihn. Die beiden unterschiedlichen Jungen freunden sich an, eine Freundschaft, die ein Leben lang hält. Anton hat einen großen Wunsch, er möchte Konzertpianist werden. Seine Psyche hält aber in den Anforderungen, welche die verschiedenen Wettbewerbe und Auftritte auf einer großen Bühne stellen, nicht stand. Die einzige Konstante in seinem Leben sind seine Eltern und sein Freund Gustav, der trotz Der ständigen Aufs und Abs in seinem Leben, immer zu ihm hält.
    Gustav selber kämpft sein ganzes Leben vergebens um die Liebe seiner Mutter, er fühlt sich immer als ungeliebtes Kind. Auch verschweigt seine Mutter ihm die Geschichte seines Vaters, obwohl er sie öfter danach gefragt hat.


    Die Geschichte wird in verschiedenen Zeitabschnitten erzählt.
    Sie beginnt im Jahre 1947 mit dem Kennenlernen von Anton und Gustav. Die Kindheit der beiden Jungen wird ausführlich erzählt.
    Dann geht es zurück ins Jahr 1937, hier wird das Kennenlernen von Emilie und Erich, Gustavs Eltern, sowie die ersten Ehejahre beschrieben.
    Der dritte Teil beginnt im Jahre 1992.
    Gustav hat sich in Matzlingen, von seinen Ersparnissen und dem Erbe seiner Großmutter ein Hotel gekauft.Obwohl die Aufgabe als Hotelier ausfüllt,lässt ihm die Geschichte seines Vaters keine Ruhe und er beginnt auf unterschiedlichen Ebenen mit der Nachforschung.



    Der Autorin ist es auf hervorragende Weise gelungen, die Lebensgeschichte von Gustav und Anton mit allen Höhen und Tiefen zu beschreiben.
    Der ebenso berührende , wie poesievolle Schreibstil, war etwas ganz Besonderes.
    Ich habe das Buch mit großer Begeisterung gelesen und kann es wärmstens empfehlen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • In „Und damit fing es an“ von Rose Tremain entführt uns die Autorin in die Schweiz, nach Matzlingen, in die tiefste eidgenössische Provinz, wo sich, wie Gustav Perle von klein auf lernt, die Menschen zu beherrschen wissen. Der Junge wächst in der Nachkriegszeit auf. Seine Mutter Emelie arbeitet in der Käserei, seit ihr Ehemann verstorben ist. Es ist ärmliches Leben an ihrer Seite, dass erst durch das Auftauchen eines sonderbaren Jungen einen Sinn bekommt. Anton ist das Kind jüdischer Eltern, ein Wunderkind am Klavier, ein Sonnenschein in Gustavs Normalsterblichen-Leben, dessen Mutter den Juden an allem Schuld gibt, was ihr im Leben Schlimmes widerfahren ist. Aber Gustav lässt sich weder von seiner Freundschaft zu Anton, noch dem Aufbau eines eigenen Hotels abhalten, als er das Erwachsenenalter erreicht.


    In dem Buch beleuchtet Rose Tremain die verschiedenen Lebensphasen von Anton, dem Prüfungsverängstigten Musiker und dem Familien intern stets ungeliebtem Gustav mit Hang zur Beherrschtheit, Fleiß und Ordnung. Die Geheimnisse der Vergangenheit werden gelüftet, großartige Charaktere, die extrem lebensnah rüber kommen werden entworfen. In letzter Zeit habe ich selten ein so emotional aufgeladenes Buch gelesen. Das was da mit den Menschen in der Geschichte passiert hat mich wirklich gepackt, was zweifellos auch an dem sehr amerikanischen Schreibstil liegt, der fast spielend den Leser einfängt und sich nicht in langweiligen Beschreibungen verliert. Erstaunlich mit welcher Leichtigkeit Rose Tremain Tiefgang erzeugt. Faszinierend, wie die Autorin eine relativ schlichte Geschichte derart stark aufladen kann, ohne in Kitsch oder Pathos zu verfallen. Dabei startet der Roman fast noch auf eine Huckleberry Finn Weise gemütlich, um dann einen satten Lesesog zu erzeugen, der bis zum ziemlich weisen Schluss anhält. Es ist Buch der leisen Töne, dass bisweilen etwas mehr Konflikt vertragen hätte. So bewerte ich das Buch mit fast fünf Sternen. Insgesamt ein vorzüglicher Lesespaß mit Nachhall.

  • Ein einfühlsamer, leiser, berührender Roman



    Ich habe mit „Und damit fing es an“ einen wunderbaren, emotionalen, zu Herzen gehenden Roman um eine lebenslange Freundschaft gelesen!


    Gustav Perle und der jüdische Anton Zwiebel lernen sich als Siebenjährige in der Schule im kleinen, schweizerischen Matzlingen Ende der vierziger Jahre kennen. Sie bleiben bis ins reife Alter verbunden. Das ist wiederum mehr Gustavs Verdienst, der Anton nie aus den Augen verliert. Ich habe die Person Gustav als sehr angenehmen, sensiblen, sich nie in den Vordergrund drängenden Menschen verstanden. Ein warmherziger, liebevoller Charakter! Er nimmt sein Leben, sein Schicksal an. Dabei ist er sehr geprägt von den ärmlichen Verhältnissen, in denen er aufwuchs. Seine alleinerziehende, lieblose Mutter hatte ihm eingebläut, zu sein wie die Schweiz. Er solle „sich beherrschen“, was er auch tut.


    Rose Tremain erzählt eindrucksvoll im Rückblick von den Ereignissen, Hintergründen vor Gustavs Geburt. Der Leser erfährt vom Leben Emilie und Erich Perles, den Eltern von Gustav. Wie sie sich kennenlernen, wie sich ihr Zusammenleben gestaltet. Berührend sind die Umstände, die unheilvolle Verstrickung der Menschen, die zur Katastrophe führen.


    Welche unrühmliche Rolle die Schweiz in der Judenfrage spielte, war für mich neu.


    Im dritten und letzten Teil sind Anton und Gustav erwachsen. Während Gustav seine berufliche Zufriedenheit im Führen seines gutgehenden Hotels Perle gefunden hat, ist Anton immer noch ein Suchender. Viele Jahre arbeitete er als Klavierlehrer in Matzlingen. Dann glaubt er doch noch an eine Zukunft als erfolgreicher Pianist auf den Bühnen der Welt. Er verläßt seinen Heimatort und seinen Freund...


    Am Ende des Buches resümiert Gustav, ob sein Leben glücklicher verlaufen wäre, wenn er Anton Zwiebel niemals kennengelernt hätte. Er war „geschult“ durch seine Mutter zu lieben, ohne geliebt zu werden. Dieser Mangel an Liebe hatte jedoch dazu geführt, dass er „besessen auf äußerliche Ordnung und Kontrolle“ achtete. Er wollte immer alles bestimmten Kategorien zuordnen. Die Dinge konnte Gustav nie so sein lassen, wie sie sein wollten.


    Auch Anton hat, so scheint es, zum Ende hin seine Lebenslektion gelernt. Auf S.327 sagt er: „Wir müssen die Menschen werden, die wir schon immer hätten sein sollen“.


    Fazit:
    Ein Buch, dass mich einige Male zum Innehalten zwang. In meinem Falle regte mich die einfühlsame, feinnervige Geschichte zum Nachdenken an.Das Buch war für mich ein außergewöhnliches Leseerlebnis. Dabei kommt die Autorin mit wenigen handelnden Personen aus. Das ist sehr übersichtlich.
    „Und damit fing es an“ war meine erste Begegnung mit der Autorin Rose Tremain. Jetzt habe ich sie auf „dem Schirm“.
    So viel sei verraten: Die Geschichte um Gustav Perle und Anton Zwiebel endet versöhnlich, aber anders, als ich es mir im Vorfeld vorgestellt hatte.


    Sehr zu empfehlen! Von mir gibt es die volle Sternenanzahl!