Annie Ernaux – Das Ereignis / L'événement

  • Original : Französisch, 2000 (geschrieben zwischen Februar und Oktober 1999)


    INHALT :
    Schilderung einer Abtreibung in den 60iger Jahren


    BEMERKUNGEN :
    « L'événement », also « Das Ereignis », von dem hier in dieser autobiographischen Schilderung die Rede ist besteht in einer Abtreibung der Autorin im Jahre 1963. Nüchtern, fast distanziert nähert sie sich den einschneidenden Tagen, in denen bei der 23-Jährigen die Schwangerschaft festgestellt wird. Sie erwähnt Daten, Orte, erinnert sich an getroffene Personen, die unternommenen Arztbesuche. Es sieht so aus, dass es über den einzuschlagenden Weg keine innere Debatte gab : sofort ist die Entscheidung genommen, dieses « Ding » nicht haben zu wollen.


    Dabei steht die Autorin alleine da : der Partner übernimmt keinerlei Verantwortung, die Eltern können sicherlich nicht zu Rate gezogen werden, die Gesellschaft, aber auch die Gesetzeslage der 60iger Jahre führt quasi automatisch in die Illegalität und die Suche nach anderen Möglichkeiten. Diese Seite wird sicherlich überzeugend beschrieben und gibt eine Situation der Isolierung, der Einsamkeit, auch der Schuldzuweisung wieder, die abzulehnen ist.


    Dennoch ist es in dem Zusammenhang (für mich) erschütternd, dass einerseits die Autorin die Dinge beim Namen nennt und Vorgehensweisen und Intimes beschreibt. Andererseits ist sie unfähig, dem werdenden Leben in sich einen zustehenden Namen zuzuschreiben. Es ist « das Ding, das Unglück » etc. Der einzige Dreh- und Angelpunkt der Schilderung sind die Befindlichkeiten der immerhin 23-Jährigen (« meine Sehnsucht, meine Interessen »).


    Doch ohne den historischen Kontext ist dieses Buch wohl nicht zu lesen ?! Schaut man genauer hin entdeckt man eine Rat- und Orientierungslosigkeit bei dieser jungen Frau, den Verlust ihrer Selbst (wie sie es einmal ausdrücken wird), wo alle Dinge an Bedeutung verlieren und sich alles um dieses Eine dreht. So sehr bräuchte sie ein Gegenüber, jemanden, mit dem man teilen könnte, eine Vertraute.


    Eine teils nüchtern anmutende Schilderung, hinter der sich eine existenzielle Erfahrung verbirgt, die die Autorin bleibend geprägt hat. Und wohl ähnlich viele Frauen ihrer Generation… ?! Als solche Schilderung dann wohl wichtig, wenn es dem ein oder der anderen vielleicht auch scherfallen kann, zu manchem innerlich Beifall zu klatschen.


    AUTORIN :
    Annie Ernaux, geborene Duchesne im September 1940 in Lillebonne/Normandie, ist eine französische Schriftstellerin und ursprünglich Lehrerin von Beruf. Sie verbringt ihre Jugend in einem bescheidenen Milieu in Yvetot/Normandie. Ihre Eltern waren zunächst Arbeiter, dann Ladenbesitzer. Annie Ernaux studiert in Rouen und unterrichtete später in Annecy und Pontoise. 1974 wird ein erstes Werk von ihr veröffentlicht. Es folgen über die Jahre viele Werke, die schnell insbesondere autobiographisches Material verarbeiten, wie z.B. Ihre Kindheit im Café und Laden ihrer Eltern, ein Brief an ihre verstorbene Schwester, ihre Ehe, ihre Sexualität, die Alzheimererkrankung ihrer Mutter, eine Abtreibung etc...
    Sie erhielt für verschiedene Werke Preise wie den Renaudot (1984), den Preis Marguerite Duras und François Mauriac (2008) ua.
    Quelle und mehr: http://fr.wikipedia.org/wiki/Annie_Ernaux


    Hier : http://www.amazon.de/s/ref=ntt…field-author=Annie+Ernaux einige ihrer auf Deutsch erschiennen Werke.


    Poche: 130 pages
    Editeur : Gallimard (août 2001)
    Collection : Folio
    Langue : Français
    ISBN-10: 2070419231
    ISBN-13: 978-2070419234

  • Kommt tatsächlich in einigen Tagen auf Deutsch auf den Markt. Da hat Suhrkamp aber gut kalkuliert, oder was? Bitte an einen Moderator, Squirrel oder K.-G. Beck-Ewe , den Fredtitel zu erweitern! Danke!

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Annie Ernaux – L'événement“ zu „Annie Ernaux – Das Ereignis / L'événement“ geändert.
  • Meine Meinung

    Mit 23 merkt die Studentin Annie, dass sie schwanger ist. Sie kann und will das Kind nicht bekommen. In einer Zeit, in der Abtreibung in Frankreich noch illegal war, beginnt eine Odyssey von verschiedenen Arztpraxen bis zu einer Engelmacherin, die sie fast umbringt.


    Jede in Annies scheint es schon gemacht zu haben oder eine Frau zu kennen, die abgetrieben hat. Trotzdem bekommt sie keine Hilfe, sondern es werden nur vage Andeutungen gemacht. Die führen sie zu einer Frau, die den Eingriff in ihrer Wohnung durchführt. Die Folgen sind dramatisch und Annie hat Glück, dass eine Freundin in ihrer Nähe ist, als sie zusammenbricht.


    Annie Ernaux erzählt ihre Geschichte, ohne etwas zu verstecken. Sie berichtet davon, wie der erste Arzt sie weggeschickt hat, wie sie immer wütender wurde, als man ihr nicht helfen wolle, von sexueller Belästigung, von Blut und Schmerzen. Auch wenn viele Frauen sie zu ihrer Entscheidung beglückwünsche, wird sie doch nicht unterstützt. Im Gegenteil: man impft ihr Schuldgefühle ein, die sie bis heute noch verfolgen. Egal, wie man zu dem Thema steht: es kann und darf nicht sein, dass eine Frau so etwas erleben muss.