​Hans Platzgumer - Am Rand

  • Roman
    Gerold Ebner steigt auf einen Berg. Es wird ziemlich schnell klar (auch wenn man nicht den Klapptentext gelesen hat), was er dort will - seinen letzten Schritt tun. Zuvor schreibt er jedoch nieder, was ihn in seinem Leben bewegt hat, insbesondere in Bezug auf seinen Umgang mit dem Tod anderer Menschen bzw. seinen Anteil daran. Und letztlich, was ihn in die Situation gebracht hat, in der er nun ist.


    Die Handlung wird aus der Sicht eines Ich-Erzählers berichtet und bleibt immer nah am Protagonisten dran, so wie ich es mag. Sein ziemlich trostloses Leben breitet sich vor dem Leser aus und lässt diesen nicht unberührt. Gerold wächst in einer Art Getto für Südtiroler auf, er ist früh auf sich allein gestellt und heckt die gefährlichsten Aktionen mit seinen Freunden aus (sonst verbindet sie jedoch nur wenig). Seine Mutter, eine ehemalige Prostituierte, die sich nun durch das Pflegen kranker Menschen "reinwaschen" will, schafft es nicht, zu ihrem Sohn eine richtige Beziehung aufzubauen. Gerold wird davon geprägt, kann mit den meisten Menschen nicht viel anfangen. Selbst als er die Frau seines Lebens, Elena, trifft und mit ihr zusammenlebt, bleibt immer eine gewisse Distanz. Auch ihr erzählt er nichts von seinem Beitrag an dem Tod zweier Menschen. Er frisst es in sich hinein, kapselt sich zusammen mit Elena total von der Umwelt ab und arrangiert sich mehr oder weniger mit seinem Dasein als Gelegenheitsjobber ohne Perspektiven und Freunde. Er hat seine eigene Würde, er ist kein Jammerer, auch das gefällt mir. Doch irgendwann meint es das Schicksal selbst mit ihm zu schlecht...


    Für mich liegt die Stärke des Romans vor allem darin, dass er einen Menschen und sein Gefühlsleben sehr authentisch rüberbringt. Und was dieser Mensch erlebt, ist durchaus spannend und berührt moralische Fragestellungen. Das ist kein Buch, das ich so schnell vergessen werde.


    Autor
    Hans Platzgumer (* 1969) ist ein österreichischer Schriftsteller und Musiker. Am Rand ist sein neuester Roman. Er hat übrigends eine Art Cameo-Auftritt darin. Es gibt auch eine Autobiografie von ihm, die ich demnächst lesen und vielleicht berichten werde.

  • Gerold Ebner, 42 Jahre alt, Südtiroler, erzählt uns hier seine Lebensgeschichte. Begonnen bei der Mutter, die als Prostituierte gearbeitet hat und sein Vater somit unbekannt ist, über seinen Großvater, launisch, egoistisch und herrisch, sein bester Freund Guido, der sich bei einem Unfall schwer verletzt hat und nicht zuletzt seine große Liebe Elena. Der Tod begleitet ihn sein ganzes Leben hindurch. Er macht sich auf den Weg auf den Bocksberg, um sein Leben zu beenden und erzählt uns dabei seine Geschichte. Als ob er tatsächlich am Rand steht, schildert er relativ emotionslos die verschiedenen Stufen seines Lebens, inklusive der zwei Morde die er begannen hat. Ich kann nur sagen toll geschrieben, mich hat die Geschichte direkt mitgezogen, auch die Art, den Leser ab und an persönlich anzusprechen, hat mir extrem gut gefallen.

    Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten. (Albert Einstein)

  • Mir hat die eindringliche und klare Sprache sehr gut gefallen.
    Ein trauriges Schicksal, ein Außenseiter, der sich vor den Menschen
    verschließt.
    Platzgumer entwirft sehr bildhafte Szenen, aber immer ohne Larmoyanz.
    Ein Buch, dem man mehr Leser wünscht!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).