Carrie Snyder - Die Frau, die allen davonrannte / Girl Runner

  • Das Buch "Die Frau, die allen davon rannte" von Carrie Snyder wurde von Cornelia Hofelder-von der Tann ins Deutsche übersetzt. Das englischsprachige Original "Girl Runner" erschien 2014. Bei diesem Buch handelt es sich um eine gebundene Ausgabe mit wasserabweisendem Schutzumschlag. Die Buchdeckel sind in Türkis gehalten und passen damit zu den Innenblättern und dem Cover. Der Autorenname ist in Goldprägung durchgeführt. Das Buch sieht nach einmaligem Lesen aus wie neu und ist im Buchregal ein Schmuckstück.
    Das Cover zeigt ein Mädchen, das schienbar im Hiffel läuft, im Hintergrund sieht man ein altes Farmhaus. Das Cover ist durch türkisfarbene Farbsprenkel aufgelockert, die das Buch jung und ansprechend aussehen lassen. Das Cover passt auf jeden Fall zum Inhalt.


    Der Klappentext verrät mit "Eine Farm am Ende der Welt wird zum Mittelpunkt eines ganzen Lebens" nicht viel und lässt viel Platz für Interpretation. Das Buch ist eine Biografie einer erfundenen Romanfigur und wird im Rückblick von Aganetha (Aggie) Smart erzählt. Der Rückblick wird unterbrochen von realen Szenen der Gegenwart, denn ein junges Paar hat die mittlerweile über 100 - Jahre alte Aggie zu einem Ausflug abgeholt.
    Am Beginn des Buches findet sich der Stammbaum der Smarts - der allerdings durch die Geburts- und Sterbedaten sehr viel von der Geschichte vorweg nimmt.


    Dadurch, dass die Ausgänge vieler Handlungen durch den Stammbaum und eigene Ausagen, wie zum Beispiel "Ich war nie verheiratet", sehr schnell vorweggenommen werden, kam bei mir beim Lesen des Buches keine rechte Spannung auf. Die Lebensgeschichte wird sehr authentisch erzählt, allerdings hätte ich das Buch abgebrochen, wenn es kein Rezensionsexemplar gewesen wäre.


    Das Ende des Buches hat mir gut gefallen, ebenso das Verweben von Gegenwart und Vergangenheit. Allerdings wünsche ich mir, neben den starken Gefühlen dieses Buches, auch etwas mehr Spannung als Unterhaltung beim Lesen, die ist bei mir nicht aufgekommen. Gut geschrieben finde ich es, habe ich aber immer wieder mittendrin beim Querlesen ertappt. Für mich war das Buch daher nur ein durchschnittliches Lesevergnügen.

  • Die Autorin beschwört mit ihrem Schreibstil gekonnt die Stimmungen der Protagonistin herauf.
    Der Leser kann so die Geschehnisse mitempfinden und -erleben.
    Die Protagonistin Aganetha Smart erzählt ihr hartes Leben und das ihrer Familie aus den unterschiedlichsten Facetten.


    Die Gegenwart als 104jährige leitet immer wieder auf die verschiedenen Frequenzen aus ihrer Vergangenheit ein.
    So lernt der Leser sie und ihre Familie kennen und verstehen.


    So kann der Leser die Geschichte, die Anfang des 20 Jahrhunderts beginnt und bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts reicht gut nachvollziehen und "verfolgen".


    Aganethas "Ausweg", das Laufen, begleitet sie einen Großteil ihres Lebens.


    Mein Fazit: Harter Tobak, der zu Herzen geht

  • Aus Aganetha Smarts langem, an traurigen Ereignissen reichen Leben wird uns in zwei leider nicht gekennzeichneten und deshalb auch nicht immer sofort unterscheidbaren Handlungssträngen erzählt.
    Die Handlung spielt in Kanada und umfasst in etwa die Zeit vom ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart.
    Die Geschichte ist sehr traurig und in einem leicht lesbaren Stil geschrieben.
    Allerdings hätte dem Buch ein etwas aufmerksameres Lektorat gut getan.
    Das pastellfarbene Coverbild passt ebenso wie der Titel zum Buchinhalt.
    Als überaus hilfreich empfand ich den vorangestellten Stammbaum, denn gerade zu Anfang sind die ein wenig komplizierten Familienverhältnisse nicht leicht zu verstehen.
    Erwähnenswert sind ferner die interessanten Einblicke in die Anfänge des von Frauen öffentlich ausgeübten Sports, die uns beispielsweise an den 1928 in Amsterdam stattgefunden habenden Olympischen Spielen (hier immer nur als "Olympiade" bezeichnet) demonstriert werden.
    Das Ende wartet mit einer Überraschung auf und stimmt dann doch wieder etwas versöhnlich.
    Nachgestellt sind interessante Erläuterungen der Autorin sowie eine Danksagung.
    Den erwähnten Erläuterungen ist zu entnehmen, dass verschiedene Personen der Autorin als Vorbild für ihre Protagonistin dienten.
    Offenbar hat sie das gesamte diesen Personen in deren Leben widerfahrene Leid nun auf diese ihre Protagonistin projiziert.
    Sicher war das Leben vor 100 Jahren, gerade für Frauen und gerade auf dem Land und dann auch noch in bescheidenen finanziellen Verhältnissen sehr schwierig.
    Trotzdem war dieses sozusagen geballte Unglück für mich nur sehr schwer zu ertragen.

  • Aggie muss laufen, laufen laufen. Das war schon immer so und hat sich auch nie geändert, bis sie, mittlerweile 104 Jahre alt, in einem Altenheim ihr Dasein fristet.
    Aganetha Smart, so ihr richtiger Name, ist eine nun vergessene Pionierin. Sie gewann 1928 olympisches Gold für Kanada im Langstreckenlauf. Damals durften Frauen erstmals über eine solche Distanz teilnehmen.
    Aggie ist so alt, dass es keine Freunde, Bekannte oder Verwandte mehr gibt. Alle sind verstorben. Doch eines Tages taucht ein junges Pärchen auf, das brennendes Interesse an Aggies Person zeigt. Trotz körperlicher Unzulänglichkeiten bemerkt Aggie, dass etwas nicht stimmt…


    Die Autorin hat in den Vordergrund gestellt, wie schnell Ruhm und Erfolg verblassen können und wie anstrengend und zermürbend es sein kann, einen hohen Leistungsstandard zu halten.
    Trotzdem die fiktive Hauptperson eine begnadete Läuferin war, ist ihr Glück im wahrsten Sinne auf der Strecke geblieben. Sie musste mit vielen harten Schicksalschlägen, Verlust, Tod und Trauer umgehen.
    Besonders imposant ist es der Autorin, selbst leidenschaftliche Läuferin, gelungen, die Verbindung zwischen Aggie in alt und Aggie in jung zu schaffen und handeln zu lassen. Sehr beeindruckend. Und trotz der vielen Zeitsprünge ist man als konzentrierter Leser, nicht zuletzt dank des vorausgeschickten Stammbaums, immer mitten im Geschehen.
    Die Geschichte um Aggies Person wird mir als leidenschaftlicher Fan von Familiengeschichten, bei der auch hier das große Geheimnis nicht fehlt, in Erinnerung bleiben. Ein tragischer Einblick in ein ganzes langes Leben einer beeindruckend geschaffenen Persönlichkeit mit Überlegungen, ob ein solch langes Leben erstrebenswert sein könnte. Eine empfehlenswerte spektakuläre Fahrt auf der Gefühlsachterbahn und ein unvergessliches Leseerlebnis.

  • Meinung
    Carrie Snyder erzählt in ihrem Roman "Die Frau, die allen davon rannte" mehrere Geschichten auf einmal. Es gibt viele Handlungsstränge, die nacheinander oder nebeneinander laufen, viele die zusammenhängen, kompliziert sind, bewegen, berühren und die die Hauptprotagonistin Aganetha Smart zu der gemacht haben, die sie heute ist: Eine alte Dame, 104 Jahre alt, Olympiasiegerin von 1928. Die verschiedenen Geschichten sind sehr komplex aufgebaut und werden in zwei Zeitsträngen erzählt: Heute und damals.


    Auf der einen Seite ist da die junge Aganetha; sie hat eine große Familie, ist aufgewachsen mit Tod, Verlusten, zwei Weltkriegen und Prüfungen, die sie schon als kleines Mädchen prägten. Dann ist da die ältere Aganetha; von zuhause weggezogen, verliebt in einen Athelten, Olympiasiegerin. Die Verbindung der beiden Geschichten in der Gegenwart bringt Kaley – eine junge Läuferin, die die 104-Jährige aus dem Altenheim "entführt", die sich für Aganethas Leben interessiert, alles wissen und erfahren möchte um selbst eine erfolgreiche Sportlerin zu werden.


    Das alles klingt natürlich wahnsinnig emotional und berührend, schließlich hat die Hauptprotagonistin einiges erlebt, viel Unglück überstanden, hart trainiert und lange gekämpft – wohl bemerkt in einer Zeit, in der Frauen nicht denselben Status hatten wie heute. Der Stammbaum der Familie Smart am Anfang des Buches ließ schon darauf schließen, dass die Familie stark beleuchtet wird, dass ein durchgängiges Folgen der Ereignisse aufgrund vieler Charaktere schwierig sein würde. Und genau das war es für mich auch.


    Es gibt viele Zeitsprünge, deren genaue Ordnung und Bedeutung für mich nicht wirklich erkennbar waren und das Buch für mich auch komplizierter machten, als es unbedingt notwendig gewesen wäre. Der rote Faden wurde beeinträchtigt, Spannung ging verloren und Emotionen blieben leider nur oberflächlich.


    Trotzdem ist "Die Frau, die allen davonrannte" ein wunderschönes Buch, das einen nachdenklich zurücklässt. Mich vor allem, da ich es zur Zeit der Olympischen Spiele in Rio gelesen habe. Heute ist es selbstverständlich, dass Frauen bei verschiedenen Disziplinen antreten; auch das Laufen von 800 Metern. Aganetha ist stark, diszipliniert und schert sich nicht um Konventionen oder Traditionen. Sie liefert damit eine sehr starke und wundervoll umgesetzte Hauptprotagonistin.


    Carrie Snyders Schreibstil hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen. Vom Stil her ließ sich das Buch flüssig und leicht durchlesen. Allerdings war ich auch oft verwirrt, weil für mich nicht immer deutlich wurde, wer gerade an einem Dialog beteiligt ist und wer was sagt. Die vielen Zeitsprünge haben diesen Eindruck noch verschlimmert.


    Die Gestaltung des Buchcovers gefällt mir sehr. Die Verbindung von Aganethas altem (dem Hof) und ihrem neuen Leben (die Läuferin) finde ich gut gewählt und ergibt nach dem Lesen umso mehr Sinn.


    Fazit
    "Die Frau, die allen davon rannte" ist ein schönes Werk mit einer starken Botschaft, das leider in der Ausführung bezüglich Chronologie und Eindeutigkeit leicht schwächelt. Obwohl mir zwischendurch die Spannung und die Ordnung fehlten, konnte es mich aufgrund der starken Hauptprotagonistin sehr bewegen.


    Daher meine Wertung: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Das, was mir am meisten leidtut, ist, dass ich erst sterben musste, um zu verstehen, wie wunderbar das Leben sein kann."
    :study: Anne Freytag | Mein bester letzter Sommer | Seite 182