Klappentext:
Die fünfzehn Episoden des Romans sind keine klassischen Allegorien, in denen Tiere für Menschen stehen, um "menschliche Schwächen" aufzuspießen (die übliche Präparationsform für Insekten, wie man weiß). Pelewin geht einen schwierigen Weg. Er lässt die Tierchen leben, wodurch auch der Mensch in ihnen richtig Mensch sein darf. Seine Protagonisten sind stets beides zugleich: Mensch und (Kerb-)Tier. Sie verpuppen und entpuppen sich immerzu als zutiefst animalische und höchst vergeistigte Wesen, was zu grotesken Zerreißproben führt. (Vorblatt)
Zum Autor:
Viktor Pelewin (*1962) lebt in Moskau und ist einer der wichtigsten und meistgelesenen lebenden Erzähler Russlands. Der studierte Elektrotechniker arbeitet seit 1990 als freischaffender Autor. Er wird in viele Sprachen übersetzt und genießt weltweit wachsende Anerkennung als kritischer Chronist der russischen Gesellschaft. 2001 erhielt Pelewin den Richard-Schönfeld-Preis für literarische Satire der Hamburgischen Kulturstiftung. (Amazon)
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: Жизнь насекомых
Aus dem Russischen übersetzt von Andreas Tretner
Episodenroman, erzählt von einem unbeteiligten Beobachter
203 Seiten
Persönliche Meinung:
Wenn sich ein Mensch in ein Insekt verwandelt, ruft die literarische Welt: Klar! Kafka!
Nimmt ein Autor dieses Motiv für ein eigenes Werk, ruft die literarische Welt: Unmöglich!
Hätte ich vor drei Tagen auch noch gesagt. Bis zu diesem Buch.
Es sind etwa 15 bis 20 „Wesen“, die in zum Teil übereinander lagernden Episoden eine Rolle spielen. Ameisen, Fliegen, Schaben, Nachtfalter, Stechmücken … kann sein … können aber auch Menschen sein … sind aber doch Insekten …
Das ist das Großartige an diesem Buch: Man weiß es nicht. Man kann nicht sagen: Diese und jene Insekten-Eigenschaft deutet auf eine Ähnlichkeit mit diesem oder jenem Menschen. Man kann auch nicht sagen: Da sieht man, auf welcher Seinsstufe sich Menschen mitunter tummeln. Es ist kaum in Worten auszudrücken, was Pelewin hier macht.
Und das ist auch völlig wurscht. Denn, ganz gleich, was er macht, er macht es großartig. Der Nachtfalter, der Entscheidungsprobleme hat, in welches Licht er fliegen soll, die Drohne, die nach Begattung der Ameisenkönigin stirbt (durch einen Treppensturz! – eine tolle Absurdität!), eine amerikanische Fliege, die gekommen ist, um Geschäfte mit russischen Fliegen zu machen und sich Hals über Kopf verliebt … Es sind vollends groteske Geschichten, die der Autor erzählt.
Dazu kommen die Seitenhiebe auf die russische Politik; auch wird sich reichlich bei der russischen Literatur und Kultur bedient. – Manches davon habe ich einordnen, aber vermutlich einen Großteil der Anspielungen mangels Hintergrundwissen nicht erfassen können.
Ich scheue mich, dieses Buch zu interpretieren, denn das hieße, ihm eine Erklärung und eine Eindeutigkeit aufzudrängen, die das Groteske, das Absurde und Bizarre zerstören würde. (Kafka lässt sich diesbezüglich leichter handhaben.)
Das Einzige, was ich dem Leser zugestehen möchte, ist die Frage an sich selbst: Worin entdecke ich mich am ehesten?