Kapitel 2 (S. 17 bis 27):
Wieder der Ich-Erzähler, immer noch im Technik-Museum:
Er gibt zu, dass er sich nicht unter Kontrolle hatte, dass die Nerven mit ihm durchgegangen sind. Er sucht in einem der Ausstellungsstücke ein nicht allzu offensichtliches Versteck, um nach Ende der Öffnungszeiten im Museum die Nacht verbringen zu können. Er klingt halbwegs vernünftig, bis er auf S. 18 oben wieder so komisch anfängt, diesmal mit
Zitat von Umberto EcoIn dieser Ausstellung, die ich langsam anfing obszön zu finden, in dieser Exhibition von Diesel-Genitalien, Turbinen-Vaginen, anorganischen Rachen, die zu ihrer Zeit gerülpst hatten – und vielleicht in dieser Nacht wieder rülpsen würden - …
Ich kommentiere meine Meinung besser gar nicht hierzu (mir tun schon die Pupillen weh vom vielen Augenrollen ...)
Der Mann ist einer Art Wahn verfallen, und er weiß das oder er ahnt es zumindest:
Zitat von Umberto EcoIch musste weg hier, weg hier, es war alles Wahnsinn, ich war drauf und dran, demselben Spiel zu verfallen, das Jacopo Belbo um den Verstand gebracht hatte, ich, der Ungläubige …
In einem Einschub auf S. 18 lässt er durchblicken, dass das vorher erwartete Event anscheinend schon vorbei ist, denn er spricht davon, dass er das Ende bereits kennt, oder vermutet, dass das, was er kennt, bereits das Ende war – er hat also überlebt, was auch immer das gewesen sein mag (ich bin erstaunt, dass ich mich nicht mehr genau erinnern kann, was da eigentlich gelaufen ist – immerhin lese ich das Buch bereits zum zweiten Mal).
Die Suche nach einem Versteck geht also weiter. @Marie hat schon erwähnt, wie gebildet der Typ sein muss; es erinnert mich ein bisschen daran, wenn man Geschichten von Jorge Luis Borges liest, da bläst einem als Leser das Allgemeinwissen des Autors auch ständig das Hirn durch.
Tut der Ich-Erzähler Herrn Lavoisier nicht unrecht mit seinem visuell verzerrten Fanatismus, in dem er all die Apparate der chemischen Versuchsanlagen wie in Aberglauben gründend zu sehen versucht? Lavoisier hat immerhin streng beobachtet und zu analysieren versucht, und das im 18. Jhdt. – da war nichts mit geheimnisvollen Deutungen und nicht belegbaren „Wahrheiten“. Im Wahn befindet sich m.E. der Ich-Erzähler, aber doch nicht Herr Lavoisier! S.23: „oui, il avait raison“ – nein, weder „Recht“ noch „Vernunft“ kann bei Belpo und dem Erzähler vorliegen, im Gegenteil!
Zitat von Umberto EcoVielleicht war das ganze Conservatoire ein Abbild jenes infamen Prozesses, durch den aus der Fülle des Urprinzips, woher das Pendel kommt, und aus dem Glanz des Pleroma, von Äon zu Äon die Achtheit zerbröckelt und man zum kosmischen Reich gelangt, wo das Böse herrscht.
(S. 24)
Und das liest die Type aus einer Figur im Saal der Glasarbeiten heraus? Echt jetzt?
OK, Herr Eco, ich bin sicher, Sie präsentieren uns hier mit Absicht eine total wirre und irre Figur, auch wenn Sie uns hier mit viel Kultur und tollen Wörtern wie „Pleroma“ blenden. Was mich interessieren würde: wie kommen Sie selbst als vernünftiger, kultivierter und hochintelligenter Mensch zu solch schrägen Verschwörungstheorien? Wie haben Sie sich so etwas Hanebüchenes ausgedacht? Haben Sie solche Verrückte gekannt? Mein Applaus übrigens für diese Ideen, woher auch immer sie gekommen sein mögen …
Der Ich-Erzähler versteckt sich schließlich im Kasten eines primitiven Periskops. Er ist immer noch sichtlich nervös und angespannt, und er versucht sich durch vernünftige Gedanken zu beruhigen:
Zitat von Umberto EcoZurück zu den Fakten, noch mal der Reihe nach alles durchgehen, die Ursachen von den Wirkungen ttrennen. Ich bin hier an diesem Punkt angelangt, weil das und das geschehen ist, aus dem und dem Grund …
(S. 26)
Das klingt für mich vernünftig. Wenn er sich jetzt mal dran macht, ordentlich alles der Reihe nach zu erzählen, dann kommen wir ja auch sicherlich irgendwohin, denn mit dem kabbalistischen Deutungsgeschwafel, das auf Seite 27 folgt, kann ich nämlich wieder gar nichts anfangen:
Zitat von Umberto EcoEr war und war nicht, eingeschlossen im Namen und dem Namen entronnen, Er hatte noch keinen anderen Namen als „Wer?“, reines Verlangen, bei einem Namen genannt zu werden … Am Anfang schrieb Er Zeichen in die Aura, eine dunkle Lohe loderte aus dem geheimsten Grund wie ein farbloser Nebel, der dem Formlosen Form gab, …
Mein lieber Schieber, Her Eco, ich schreib‘ Ihnen gleich Zeichen in Ihre Aura, und zwar recht unflätige, wenn das so weiter geht … reißen Sie sich bitte einmal zusammen!