David Foster Wallace – Kleines Mädchen mit komischen Haaren / Girl with Curious Hair

  • Original : Girl with Curious Hair (Englisch/USA, 1989)


    Sechs Stories
    (in der verlinkten Ausgabe mit einem Nachwort von Denis Scheck)


    EINFÜHRUNG :
    David F. Wallace ist die auffälligste Stimme der jungen amerikanischen Literatur. Seine risikofreudigen Storys um Talkshows, komische Haare und alternde Kinderstars sind aufregend genug und drehen sich mit dem Karussel des Medienzirkus. Gepaart mit seinem kreativen Sprachgebrauch, seinem Hang zum Grotesken und einer scharfen Beobachtungsgabe sind sie Garanten für eine einzigartige Lektüre. (Quelle : Rowohlt)


    INHALT IM EINZELNEN :
    1) Tiere sehen dich an (58 S) : über eine lesbische Beziehung zwischen einer jahrelangen Quizshowgewinnerin und der Tochter der Regisseurin. Julie unterstützt mit ihren Gewinnen ihren autistischen Bruder bis…


    2) Kleines Mädchen mit komischen Haaren (34 S) : Der reiche Ich-Erzähler ist Advokat und passt eigentlich gar nicht ganz rein in den Kreis seiner Punkerfreunde. Vonseiten der Eltern, aber auch durch die eigene Advokatsstellung rauscht das Geld nur so rein. Ziemlich deftige Story zwischen Sex und Rauschgiften, die in ihrer Sprache fast schon geKûnstelt wirkt. Eine gewisse Perversität erklärt sich gegen Ende der Story


    3) John Billy (44S) : da bin ich gar nicht erst reingerutscht. Erinnerte sprachlich sofort an die dritte Story, was mir nicht gefielt… ; abgebrochen


    4) Mein Auftritt (40 S): Eine bekannte Schauspielerin ist in einer noch bekannteren, scheinbar lockeren, Promi-Sendung eingeladen, wo alles durch den Quark gezogen wird. Reicht die innere Vorbereitung ? Soll man eine Rolle spielen oder einfach sich treu bleiben ?


    5) Lyndon (60 S) : Der Ich-Erzähler David Boyd bewirbt sich in den 50iger Jahren beim Senator von Texas und zukünftigem Vizepräsidenten und dann Präsidenten Lyndon B.Johnson. Portrait desselben in seiner Ich-Bezogenheit und einer gewissen Eitelkeit. David ist homosexuell, vielleicht halbverliebt in Lyndon. Bei jenem scheint es fast im Raum zu stehen trotz der Fassade einer guten Ehe. Stilmässig interessant, da Ich-Erzählweise und Aphorismen Lyndons bzw Zeitungszitate etc miteinander verbunden werden.


    BEMERKUNGEN :
    Also ich traue mich immer noch nicht an den so ganz dicken Wälzer von D.F.Wallace heran « Infinite Jest/Unendlicher Spaß ». Und dementsprechend bin ich dankbar, dass jemand Liebes mir diese Sammlung von sechs « Stories » auslieh. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mir nach dem brillianten Vortrag von « Das ist Wasser » » irgendwie doch etwas anderes vorgestellt hatte. Angesichts dieser Erwartung spreche ich durchaus von kleiner Enttäuschung und kann mich nicht ganz den enthusiastischen Begeisterungsstüremen der Herausgeber oder des kommentierenden Denis Scheck anschliessen. Zumindest zwei der Geschichten erinnern nahezu an Bukowski : ziemlich vulgär. Jedoch hat es bei Wallace den Nachteil (oder bei der Übersetzung?), dass man ihm diese Vulgarität gar nicht abnimmt. Als ob hier jemand spräche, der unbedingt in diesem abgefetzten Sprachgebrauch mithalten will ohne alle Codes zu kennen. Es sei denn, es sei denn, dass gerade dies von Wallace beabsichtigt ist ?


    Alle Geschichten spielen also im Medienmilieu. Treffend und interessant dazu die Begründung von Wallace : wir sitzen in unseren Gesellschaften manchmal ein Sechstel, Fünftel der Lebenszeit vor laufendem Fernseher. Wann erhält dieser Teil unserer erlebten Wirklichkeit seinen Platz im literarischen Schaffen ? Dabei haben die Medien teils ein Eigenleben entwickelt, die aus dem Menschen einen Spielball machen, ihn eine Rolle spielen lassen : Wirklichkeit und Spiel liegen dann manchmal untrennbar beieinander.


    Meine Einschränkung bedeutet nicht, dass das alles ohne Interesse ist, aber ich hatte wohl noch mehr erwartet ? Vielleicht mal schnuppern für einen Zugang zu Wallace? Andere mögen diese Stories durchaus mehr schätzen als ich.


    AUTOR :
    David Foster Wallace (* 21. Februar 1962 in Ithaca, New York; † 12. September 2008 in Claremont, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Hochschullehrer. Bekannt wurde er durch seinen 1996 veröffentlichten Roman Unendlicher Spaß (Infinite Jest). Das Magazin Time wählte das Werk zu einem der wichtigsten englischsprachigen Romane, die zwischen 1923 und 2005 erschienen sind. Wallace' Leben war vom Kampf gegen seine schwere Depression und seine Alkoholabhängigkeit gekennzeichnet. Er nahm sich im Alter von 46 Jahren während einer schweren Depressionsphase das Leben.


    David Ulin, Literaturkritiker der Los Angeles Times, bezeichnete Wallace in einem Artikel nach dessen Suizid als „einen der einflussreichsten und innovativsten Schriftsteller der letzten 20 Jahre.“ Andreas Borcholte nannte in einem Nachruf für den Spiegel seine Romane, Erzählungen und Essays das intellektuell und künstlerisch Verwegenste, was die moderne amerikanische Literatur in den vergangenen Jahren hervorgebracht habe. Zum literarischen Nachlass von Wallace zählte ein nicht vollendeter Roman, der 2011 unter dem Titel The Pale King (deutscher Titel: Der bleiche König) erschien. Dieser Roman war 2012 für den Pulitzer-Preis nominiert, die Jury konnte sich in diesem Jahr nicht darauf einigen, wer von den drei Finalisten der Preisträger sein sollte.
    (Quelle : wikipedia)


    Taschenbuch: 250 Seiten
    Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag; Auflage: 1. (1. Oktober 2002)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3499231026
    ISBN-13: 978-3499231025

  • Hier noch ein Link zu einer englischen Ausgabe:


    Girl with Curious Hair
    Taschenbuch: 384 Seiten
    Verlag: Abacus; Auflage: New Ed (6. November 1997)
    Sprache: Englisch
    ISBN-10: 0349111022
    ISBN-13: 978-0349111025

  • Vielen Dank für Deine Leseeindrücke! Ich war ja ebenfalls von seinen Kurzgeschichten in "In alter Frische" etwas enttäuscht. Auch ich hatte nach der Lektüre von "Das ist Wasser", "Am Beispiel des Hummers" und "Schrecklich amüsant" etwas anderes erwartet. Von seinen Kurzgeschichtensammlungen werde ich dann meine Finger lassen, aber sein Mammutwerk "Unendlicher Spass" liegt parat - wohl eher für die zweite Jahreshälfte...