Jessie Burton - Die Magie der kleinen Dinge / The Miniaturist

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    Die junge Nella wird mit dem Amsterdamer Handelsmann Johannes Brandt verheiratet. Als sie sein herrschaftliches Haus an der Herengracht zum ersten Mal betritt, schlägt ihr kalte Abneigung von Seiten ihrer neuen Familie entgegen. Nur das Hochzeitsgeschenk spendet ihr Trost: ein Puppenhaus, das eine exakte Nachbildung ihres neuen Zuhauses ist. Doch bald werden Nella mysteriöse kleine Nachbildungen ihrer neuen Familienmitglieder geschickt – und Hinweise auf das, was diese verbergen. Nella beginnt zu ahnen, dass sich hinter der perfekten Fassade der Brandts tiefe Abgründe verbergen – und Geheimnisse, die sie alle in ihren Sog ziehen werden …


    Autorin (Quelle: amazon)
    Jessie Burton, geboren 1982, studierte an der Oxford University sowie an der Central School of Speech and Drama. Sie arbeitet unter anderem als Schauspielerin und lebt in London. Mit ihrem Debütroman "Die Magie der kleinen Dinge" begeisterte sie Verlage in aller Welt – die Rechte wurden in 32 Länder verkauft. In ihrer Heimat England eroberte sie sofort die Bestsellerliste und wurde von der Presse hochgelobt.


    Allgemeines
    Titel der Originalausgabe: The Miniaturist, ins Deutsche übersetzt von Karin Dufner
    Erschienen am 16.März 2015 im Limes Verlag als HC mit 480 Seiten
    Gliederung (zur englischen Ausgabe): Bild des Puppenhauses der Nella Oortman - Autorenvorwort - Prolog - Fünf Hauptteile mit jeweils einzeln überschriebenen Kapiteln - Danksagung - Niederländisches Glossar 17.Jhdt. - Gehaltsliste verschiedener Berufe gegen Ende des 17.Jahrhunderts - Haushaltskosten der Zeit - Information zur Autorin
    Erzählung in der 3.Person aus der Perspektive von Nella Oortman-Brandt
    Handlungsort und -zeit: Amsterdam in den Jahren 1686 / 1687


    Zum Inhalt
    Familie Oortman aus Assendelft ist nach dem Tod des Vaters verarmt. Deshalb freut sich die Witwe, ihre achtzehnjährige Tochter Petronella mit dem gutsituierten, zwanzig Jahre älteren Amsterdamer Kaufmann Johannes Brandt verheiraten zu können. Dieser begibt sich sofort nach der Trauung auf eine Handelsreise, Nella reist allein nach Amsterdam und wird im Hause ihres Mannes von dessen Schwester Marin, der vorlauten Magd Cornelia und dem schwarzen Bediensteten Otto, einem "Mitbringsel" des Hausherrn von einer Reise, sehr kühl empfangen. Auch nach Johannes´ Rückkehr wird Nellas Lage nicht angenehmer. Johannes benimmt sich seiner Frau gegenüber freundlich distanziert und ist meist geschäftlich unterwegs. Er schenkt ihr ein Puppenhaus (Nachbildung ihres Wohnhauses) in der Größe eines Schrankes und gibt ihr Geld, damit sie bei einem "Miniaturisten" Einrichtungsgegenstände und Puppen dafür bestellen kann. Zunächst fühlt Nella sich von diesem Geschenk für eine erwachsene Frau veralbert, dann erwacht jedoch ihr Interesse, denn der geheimnisvolle Miniaturist, der ihr niemals persönlich begegnet, schickt ihr Gegenstände, die auf Ereignisse im Haus Bezug zu nehmen scheinen. Außerdem erhält Nella ohne Bestellung ihrerseits schockierend lebensechte Puppen der Hausbewohner. An den "Bewohnern" und Gegenständen des Puppenhauses vollziehen sich mysteriöse Veränderungen, die darauf hinweisen, dass sich in dem Haus Dinge abspielen, die vor Nella und auch vor Bekannten verborgen bleiben sollen.
    Als Nella feststellt, dass das Leben ihres Mannes nicht so ungetrübt verläuft, wie es aussieht und dass ein Feind alles daransetzt, die Existenz des erfolgreichen Kaufmanns zu ruinieren, lässt sie sich nicht länger ausschließen und versucht, an seinem Leben helfend Anteil zu nehmen. Dafür bemüht sie sich schließlich sogar um eine Annäherung zu ihrer Schwägerin Marin, einer Frau von schwierigem und widersprüchlichen Charakter.


    Beurteilung
    Die Autorin wurde vom Puppenhaus der Petronella Oortman zu ihrem Roman inspiriert, die Nella und die Handlung des Romans sind jedoch fiktiv.
    Die Geschichte beginnt sehr "leise" als ruhige Erzählung. Zunächst werden die Charaktere der Romanfiguren und die Abläufe im Haus vorgestellt. Nella, zunächst höflich zurückhaltend, entwickelt gegenüber ihrer sehr dominant auftretenden Schwägerin Marin zunehmend mehr Selbstbewusstsein und Widerspruchsgeist; zur fast schon als Familienmitglied geltenden Magd Cornelia geht sie eine freundschaftliche Beziehung ein. Durch den speziellen Erzählstil im Präsens und aus der Perspektive der Hauptfigur Nella wird der Leser zum Augenzeugen, der - wie Nella - erst nach und nach hinter die zahlreichen Geheimnisse kommt, die die anderen Hausbewohner zu verbergen versuchen. Eine "Prise Mystery", die anhand unerklärlicher Vorgänge im Puppenhaus Nella und dem Leser Hinweise liefert, sorgt für ein allmählich steigendes Spannungsniveau.
    Nach der ersten Enthüllung entwickelt sich der Roman eher zum Genre des Krimis mit deutlich mehr Spannungspotenzial. Gleichzeitig bietet die Geschichte aber auch interessante Einblicke in die niederländische Gesellschaft des ausgehenden 17.Jahrhunderts. Das Leben dort pendelt - wie es eine Romanfigur ausdrückt - "zwischen Gott und Gulden". Religiöse und moralische Grundsätze sind wichtig und bestimmen die Rechtsprechung, wenn es um Geld und Geschäfte geht, rückt die Moral aber auch durchaus in den Hintergrund. Am Beispiel des Pastors Pellicorn wird diese Bigotterie deutlich aufgezeigt. In der Realitätsnähe dieser Darstellung liegt auch ein Verzicht auf ein allumfassendes Happy-End, was eventuell nicht jeden Leser zufriedenstellen wird.
    Zum etwas abrupt erscheinenden Ende hin hätte ein weiterer Ausblick auf die Zukunft nicht schaden können, hier kann, bzw. muss sich der Leser seine eigenen Gedanken machen.
    Der Roman besticht durch eine sehr atmosphärische Erzählweise und die gründliche Ausgestaltung aller Figuren, die eher melancholische Grundstimmung lässt ihn jedoch zur "schweren Kost" werden.
    Im Anhang befinden sich ein hilfreiches Glossar niederländischer Wörter und interessante Informationen zum Geldwert von Arbeit und Waren im 17.Jahrhundert.


    Fazit
    Ein sehr lesenswerter, atmosphärisch dichter und thematisch eher außergewöhnlicher Roman, der länger im Gedächtnis haften wird. Wer leichte und "aufmunternde" Unterhaltung sucht, könnte mit diesem Buch weniger gut beraten sein.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Meine Rezension bezieht sich auf die englische Kindle-Edition. Ich kann also keine Aussage zur Qualität der deutschen Übersetzung machen und weiß auch nicht, ob die Gliederung und das Zusatzmaterial der deutschen Ausgabe genau so sind, wie es meiner Rezension entspricht.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Danke! WuLi! :thumleft:

    Warum viele Worte? :)
    Dem schließe ich mich an, obwohl ich noch etwas zögere, ob der düsteren Stimmung des Buches....allerdings wäre alles ander bei der Thematik auch merkwürdig. :-k
    Vielen Dank @€nigma!

    Isenhart musste grinsen, ihre Blicke begegneten sich. "Du hast nur tausend Mal", wisperte er.
    Konrads müdes Schmunzeln wuchs sich zu einem breiten Grinsen aus. "Ich verrat dir was", flüsterte er zurück, "das ist Mumpitz."


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  • obwohl ich noch etwas zögere, ob der düsteren Stimmung des Buches....allerdings wäre alles ander bei der Thematik auch merkwürdig.

    Da das Buch sowohl in der Printversion als auch in der E-Book Ausgabe nicht ganz billig ist, würde ich es an Deiner Stelle mit der Bücherei probieren. Ich wollte mir eigentlich vor einem Jahr die englische TB-Ausgabe kaufen. Die ist allerdings ziemlich klein bedruckt, was mir bei dem Umfang zu anstrengend für die Augen war. Deshalb habe ich die englische E-Book Ausgabe für sagenhafte 3,13 € gegönnt und damit meinen neuen Kindle Voyage eingeweiht.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998