Heike Wahrheit - Sundown

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    Die Geschichte fängt direkt hochspannend an! ...tja, denkt man jedenfalls in der ersten Schrecksekunde, aber: falscher Alarm.


    Die Protagonistin, Daria, bekommt erstmal eine Waffe in den Rücken gedrückt - was sie aber überhaupt nicht beeindruckt, weil sie weiß: erstens ist die Waffe totaler Schrott, und zweitens ist der Typ, der sie hält, eigentlich ganz in Ordnung und will sie gar nicht töten. Drohgebärden gelten 42 Ebenen unter dem Meeresspiegel quasi als ganz normale Verhandlungsstrategie.


    Da hatte mich das Buch schon halb überzeugt, denn die taffe Daria und ihr trockener Humor waren mir sofort sympathisch. Darin wurde ich im Laufe der Geschichte dann immer weiter bestärkt! Daria ist eine starke Protagonistin, die sich nichts gefallen lässt, die nie aufgibt, die ziemlich viel fürs Überleben tut, die aber dennoch nicht total abgebrüht und skrupellos ist. (Bonuspunkte gab es zum Beispiel für ihre Rettung eines angeblichen "Kampfhundes".) Gut gefallen hat mir auch, dass sie alles andere als perfekt ist. Zwar ist sie eine brilliante Expertin für Tarntechnik und eine Vindu-Kriegerin fünften Ranges, aber gerade das mit dem Vindu geht öfter mächtig schief...


    Und natürlich dauert es auch nicht lange, bis Daria es mit gefährlicheren Gegnern zu tun bekommt als dem halbherzig aggressiven "Kunden" vom Anfang. Was als lukrativer Auftrag anfängt, reitet sie quasi über Nacht tief hinein in Bandenkriege, die Machenschaften des Syndikats und eine Verschwörung, die nicht nur ihr Leben bedroht, sondern das aller "Unerwünschten" Hamburgs.


    Die Charaktere fand ich alle unheimlich gut geschrieben. Die Autorin schafft es, dass man schon nach wenigen Sätzen ein echtes Gespür für den jeweiligen Charakter entwickelt. Jeder hat seine eigene, unverwechselbare Stimme, die in den lebendigen Dialogen hervorragend rüberkommt.


    Die Geschichte wird nach dem falschen Alarm vom Anfang auch sehr schnell sehr spannend - und bleibt es dann bis zum Schluss. Richtig beeindruckt hat mich, wie überzeugend die Autorin die dystopische Welt, die der Leser schon in im Prolog und im ersten Band der Reihe kennengelernt hat, weiter ausbaut und mit vielen Details ausschmückt. Besonders das "Technobabbel" beherrscht sie meisterhaft - es fließen unzählige technische Begriffe und Erklärungen in die Dialoge ein, die absolut glaubhaft klingen. Ganz selbstverständlich, als wäre diese Technologie nicht nur tatsächlich möglich, sondern sozusagen schon halb erfunden!


    Ich habe in diesem Band wirklich den Eindruck gewonnen, dass das monströs ausgeuferte Hamburg der Zukunft die perfekte Grundlage für eine wahrhaft epische Saga ist, und ich freue mich schon richtig auf die Bände 4, 5 und 6 (und hoffe auf eine zweite Staffel mit weiteren Bänden). Der Mega-Moloch Hamburg ist ein zutiefst originelles Konstrukt und bietet Stoff für ganz unterschiedliche Geschichten, und ganz ehrlich: "Hamburg Rain 2084" beweist, dass auch deutsche Autoren grandiose Dystopien schreiben können.


    Der Schreibstil ist rasch und eher schnörkellos, was aber wunderbar zu Daria und ihrem Wesen passte. Und wie schon gesagt, mir gefiel der trockene, manchmal eher böse Humor sehr gut! Es ist sicher kein poetischer Schreibstil, aber er vermittelt mühelos die düstere Atmosphäre, das Elend der unteren Ebenen und den täglichen Kampf ums Überleben.


    Fazit:
    Nachdem ich den als eBook-Novelle veröffentlichten Prolog der Reihe fantastisch fand, mich der erste Band dann aber eher enttäuschte, konnte mich der zweite Band nun wieder begeistern. Die Geschichte ist komplex und spannend, die Hauptfigur ist taff und hat einen großartigen Humor, und es machte mir einfach sehr viel Spaß, mehr über das zur Megametropole ausgeuferte Hamburg der Zukunft zu erfahren.


    Viele Leser werden beim Thema Dystopie erstmal an "Die Tribute von Panem", "Die Auslese", "Die Bestimmung", "Die Überlebenden" und ähnliche Bücher denken. In meinen Augen liest sich "Hamburg Rain 2084" etwas erwachsener, mit deutlich weniger Augenmerk auf Liebesgeschichten.