Sylvie Simmons - I'm Your Man. Das Leben des Leonard Cohen/ The Life of Leonard Cohen

  • Wer kennt nicht das allgegenwärtige "Hallelujah", diesen Song mit dem rätselhaften Text, der in so ziemlich jeder Castingshow dargeboten und in TV-Serien nur zu gerne, am liebsten in der Version von Jeff Buckley, in traurig-dramatischen Szenen eingespielt wird? Die meisten Musikliebhaber wissen (hoffentlich), dass das Original von Leonard Cohen stammt, der mit seiner Debütsingle "Suzanne" einen Kultsong der 68er-Generation geschaffen hat, doch wer ist er eigentlich, dieser ewige Anzugträger mit der tiefen, rauhen Flüsterstimme?


    Die Musikjournalistin Sylvie Simmons spürt in diesem ~750 Seiten starken Wälzer Leonards Lebenswegen nach, von seiner behüteten Kindheit in Montréal bis zur Veröffentlichung seines bisher vorletzten Albums 2012, und stützt sich dabei auf zahlreiche Interviews mit Leonard Cohen selbst und vielen Wegbegleitern sowie viele andere Quellen.


    Schon als Kind hat Leonard gerne geschrieben und strebte eigentlich danach, Dichter zu werden. Obwohl er mit den Liedern seiner russischstämmigen Mutter aufgewachsen war, schwenkte er erst relativ spät zu einer Karriere als Musiker um. Als mit "Songs of Leonard Cohen" sein erstes Album erschien, hatte er bereits mehrere Gedichtbände veröffentlicht, die jedoch keine großen Verkaufsschlager wurden.


    Seine folkig angehauchten Lieder trafen den Zeitgeist der Hippiegeneration, und er, der optisch dem typischen Hippieklischee so gar nicht entsprach, konsumierte wie die anderen Künstler jener Zeit hemmungslos alle möglichen Drogen. Selbst wenn er sich zum Schreiben und Komponieren in sein Haus auf einer griechischen Insel zurückzog, war er meistens high. Frauen waren ebenfalls ein heikles Thema - es gelang ihm eher, auf die Ferne zu lieben, als sich der Realität einer gelebten Beziehung zu stellen. Somit gingen die meisten seiner Beziehungen relativ schnell in die Brüche; bezeichnend ist aber, dass die meisten seiner Exfreundinnen im Gespräch mit Simmons kein böses Wort über ihn verlauten ließen.


    Kommerziell war Cohen nie übermäßig erfolgreich, erst seine späteren Alben erreichten hohe Chartplazierungen (und während er in Europa und Kanada eine eingefleischte Fangemeinde hatte, konnte er in den USA nur schwer Fuß fassen), aber dennoch erwarb er sich mit der Zeit einen regelrechten Kultstatus, vielleicht deswegen, weil er sich kontinuierlich weiterentwickelt hat, neue Einflüsse in seine Musik einzubinden verstand und sich dabei doch immer in gewisser Weise treu blieb. Spannend auch, dass er manche Songs jahrzehntelang mit sich herumtrug, bis er sie schließlich für "reif" hielt und veröffentlichte, oder dass er viele nie im Studio aufgenommen, sondern nur auf Konzerten gespielt hat.


    Für Leser, die außer "Suzanne" und "Hallelujah" nicht viel von Cohen kennen, könnte das Buch streckenweise etwas langatmig wirken, da Simmons recht ausführlich auf die Entstehung der jeweiligen Alben eingeht, Details von den Plattenaufnahmen schildert und dem künstlerischen Entstehungsprozess viel Aufmerksamkeit widmet. Kennt man jedoch die Studioalben, sind diese Einzelheiten durchaus erhellend, und man hört den Synthesizer-Beat von "Dance Me To The End Of Love" oder die dick aufgetragenen Orchesterpassagen auf dem von Phil Spector produzierten Album "Death of a Ladies' Man" mit ganz anderen Ohren.


    Bei alledem kommt die persönliche Entwicklung aber nicht zu kurz. Häufig von Depressionen und Selbstzweifeln geplagt, flüchtet sich Cohen immer wieder in die Obhut seines Zen-Meisters Roshi, verbringt sogar fünf Jahre am Stück in dessen Kloster bei L. A., weil er glaubt, mit dem Musikbusiness fertig zu sein, und kehrt am Ende doch zurück zu dem, was er am besten kann und womit er so viele Menschen begeistert. Am Ende des Buches hat man dann den Eindruck, dass sich Leonard Cohen mit über 70 endlich selbst gefunden hat und in sich ruht, was vielleicht erklärt, warum seine späten Alben zu seinen besten gehören.


    Schön ist auch, dass Simmons ihre Wortwahl immer wieder an Cohens Songtexte und Gedichte anlehnt oder sie gleich direkt einbindet und in wörtlich zitierten Interviewpassagen Cohen selbst zu Wort kommen lässt. Abgerundet wird das umfangreiche Werk durch einen kleinen Fototeil, ein Personenregister und ein Quellenverzeichnis, das zum weiteren Stöbern einlädt.

Neue Aktionen

Schenke und werde beschenkt beim Weihnachtswichteln 2024!
Jetzt mitmachen

Endet heute

Gewinnspiel: Marianengraben
Gewinne eins von drei Filmpaketen, bestehend aus je zwei Kinokarten und dem Buch zum Film.
Jetzt mitmachen

Endet in 6 Tagen

Leserunde: Hab' keine Angst Autorenbegleitet
Nimm an der Leserunde teil und gewinne eins von fünf Büchern!
Jetzt mitmachen

Endet in 6 Tagen

Leserunde: Refugium in Elys Autorenbegleitet
Nimm an der Leserunde teil und gewinne eins von sieben Büchern!
Jetzt mitmachen

Endet in 6 Tagen

Leserunde: Euphorische Versuchska... Autorenbegleitet
Nimm an der Leserunde teil und gewinne eins von fünf Büchern!
Jetzt mitmachen

Endet in 13 Tagen