Aki Shimazaki – Tsubame

  • Original : Tsubame (Französisch, 2001)
    einschließlich Glossar zur Erkläung der (zahlreichen) japanischen und koreanischen Wörter


    INHALT :
    Die zwölfjährige Yonhi lebt mit ihrer Mutter (ein Vater taucht an dieser Stelle nicht auf) und ihrem nicht weit weg lebenden Onkel in der Nähe Tokios. Sie gehören der koreanischen Minderheit an, die im Anschluß an die Unabhängigkeitsbewegungen in Korea (um das Jahr 1910 herum) nach Japan gekommen waren, jedoch auch dort im Abseits leben und auch den Kontakt meiden. Als im Jahre 1923 ein verheerendes Erdbeben Tausende von Opfer macht, richtet sich die Wut vieler Japaner gegen die Koreaner, und es kommt zu Verfolgungen, Massakern. Die Mutter vertraut ihre Tochter einem Priester mit Spitznamen Tsubame (=Schwalbe) in Tokio an, und macht sich auf die Suche nach ihrem Bruder. Sie kehrt nicht zurück. Tsubame kann mit einem Kniff dem verstörten, stumm gewordenen Mädchen die japanische Nationalität erwirken. Sie wächst mit ihrem japanischen Namen, Mariko, auf, bewahrt ihr Geheimnis...


    BEMERKUNGEN :
    Die ersten zwei, hier schon besprochenen Bände der Pentalogie (« Le poids des secrets », also in etwa « Das Gewicht der Geheimnisse ») waren schnell als zusammenhängend erkennbar. Sie gefielen mir gut bis sehr gut, und es war selbstverständlich, nun mit dem dritten, ebenfalls auf Deutsch erschienenen, Band weiterzumachen. Dieser dritte, auch ins Deutsche übersetzte kurze, zweiteilige Band verzögert bei uns das Erkennen der Verbindungen (das ist nicht negativ zu verstehen, sondern als überraschende Komponente) zu den ersten beiden Teilen. Man versteht es durch den so anders anmutenden Rahmen : nun bewegen wir uns also unter der Minderheit der Koreaner in Japaner. Man müsste geschichtlich etwas weiter ausholen, um die komplizierte, und mit Demütigungen behaftete Geschichte der Koreaner angesichts der Kolonialmacht Japan zu erahnen. Sie waren nicht nur in Korea zu einer Zwagnsjapanisierung auserkoren, sondern auch Opfer von Verfolgung und Sündenböcke, wie hier nach dem verheerenden Erdbeben von 1923. Ähnlich wie Juden in Europa wurden sie angeklagt, Brunnen vergiftet zu haben etc.


    Yonhi wird einem ihrer Mutter nahestehenden Priester, Tsubame (die Schwalbe taucht auch andersweitig als Leitmotiv auf), anvertraut und wächst nun mit der angenommenen Identität einer Japanerin auf : sie heißt nun Mariko (Maria). Jetzt wird der Leser der ersten Bände also die Verbindungen zu den ersten Bänden erahnen ! Ja, diese falsche, und doch teils auch (lebens-) notwendige Lüge zieht Mariko ihr Leben lang durch. Selbst ihr späterer Mann, ihre Kinder werden nichts von ihren koreanischen Ursprüngen erfahren.


    Wie lebt man mit einer Notlüge, die gleichzeitig Verdrängung oder Unterdrückung der eigenen Identität ist ?


    Diese Frage steht im zweiten Teil mehr im Mittelpunkt : 59 Jahre später, 1982, ist Mariko Großmutter und lebt bei ihrem Sohn Yukio, seiner Frau und ihren Kindern. Als Massengräber entdeckt werden wird sie (nochmals) mit ihrer Vergangenheit konfrontiert…


    Ein hervorragendes Buch, dass für mich fast unerwartet nach dem etwas abfallenden zweiten Band erneut eine andere Perspektive auf diese Familie wirft. Geheimnisse prägen das Leben. Bewahrt man sie, teilt man sie ? Erstaunlich auch, dass eine Japanerin ein sehr selbstkritisches (im Sinne japankritisches) Buch geschrieben hat. Hut ab!


    AUTORIN :
    Aki Shimazaki (jap. 島崎 あき, Shimazaki Aki) ist eine kanadisch-japanische Schriftstellerin, die ähnlich wie Tawada Yōko nicht in ihrer Muttersprache Japanisch, sondern in Französisch schreibt und veröffentlicht. Sie wurde 1954 in Gifu/Japan geboren und arbeitete in Japan fünf Jahre lang als Kindergärtnerin und gab Unterricht in englischer Grammatik an einer Nachhilfeschule. 1981 emigrierte sie nach Kanada und lebte zunächst fünf Jahre in Vancouver, wo sie bei einer IT-Firma arbeitete, danach wohnte sie fünf Jahre lang in Toronto. Seit 1991 lebt sie in Montreal/Quebec. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit unterrichtet sie auch Japanisch. Erst 1995 im Alter von 40 Jahren begann sie im Selbststudium und an der Sprachschule Katimavik systematisch Französisch zu lernen. Bücher von ihr sind inzwischen in Englisch, Japanisch, Serbisch, Deutsch und Ungarisch erschienen.


    Gebundene Ausgabe: 120 Seiten
    Verlag: Kunstmann, A; Auflage: 1 (4. März 2004)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3888973503
    ISBN-13: 978-3888973505

  • Link zu einer Ausgabe auf Französisch. Das Cover ist sehr geschmackvoll gestaltet, eben mit einer Schwalbensilhouette...:


    Poche: 118 pages
    Editeur : Actes Sud (3 janvier 2008)
    Collection : Babel
    Langue : Français
    ISBN-10: 274277100X
    ISBN-13: 978-2742771004